Czaratzina
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Günstlingsherrschaft ist die Geburt des Despotismus und eins seiner schrecklichsten Uebel. Die Geschichten aller Staaten, in denen der Fürst unbeschränkt über die Völker herrscht, zählen Beispiele in Menge; auch Rußland ist reich daran. Das frappanteste ist Potemkin. Dieses allerverzogenste Kind des Glücks, der rohe, unwissende, sich Alles erlaubende und sich über Alles hinwegsetzende Günstling eines eiteln, ehrsüchtigen Weibes, welches die Schmeichelei der Zeitgenossen ein großes genannt hat, baute Czaratzina für Katharina II. Bei einer Spazierfahrt in der Nähe Moskau’s hatte die Kaiserin, ermüdet, gegen ihren Günstling die Aeußerung gethan: „stände doch hier
[28] ein Schloß, daß ich ausruhen könnte!“ und jene kolossale Schmeichelei des Höflings, welche es wagte, der Monarchin auf ihrem berüchtigten Triumphzuge nach der Krim erdichtete Städte an den Weg zu bauen, ihr Deputationen zu senden von erdichteten Bevölkerungen, und, um ihr die Stärke des Heeres zu zeigen, die nämlichen Regimenter in dreierlei Uniformen vorüber zu führen, schuf binnen 2 Monaten ein kahles Feld zum herrlichsten Park und großen Schlosse um, ausgeschmückt mit der üppigsten kaiserlichen Pracht. Als Katharina mit ihrem Liebling auf einer Spazierfahrt bald darauf wieder in diese Gegend kam, ließ Potemkin vor den Flügelpforten des Parks halten und auf das Schloß weisend, sagte er: „Ew. Majestät Wunsch war mir Befehl!“ Wie nun die Kaiserin, ob der Rede verwundert, den Blick hineinwirft, schauert sie zusammen: – sie sieht in der Form des Palastes die Gestalt eines Sarges. Sofort läßt sie umwenden und nie war sie zu bewegen, jemals das Schloß zu betreten. Den Sargpallast nennt es der gemeine Russe bis auf den heutigen Tag und der abergläubische Sinn knüpft daran die Sage, der Letzte des Hauses Romanoff werde ihn einst bewohnen. –
Czaratzina liegt 14 Werste von Moskau. Die schattigen kühlen Gänge des Parkes sind für die vornehme Welt der alten Kaiserstadt ein Lieblingsziel ihrer Ausflüge zu Wagen und zu Roß in der schönen Jahreszeit.