[go: up one dir, main page]

Zum Inhalt springen

Seite:Meyers Universum 7. Band 1840.djvu/116

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Version vom 29. Oktober 2024, 20:58 Uhr von A. Wagner (Diskussion | Beiträge) (Korrigiert)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version ansehen (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
CCCIV. Mahadeo-Tempel in Hindostan.




Wenn der Reisende dem windenden Laufe des Ganges etwa 1500 englische Meilen von seinem Delta folgt, so gelangt er an die Grenze einer Landschaft, deren Schönheit und Klima gepriesen ist durch ganz Hindostan. Es ist das weite Thal von Dehra-Dhoon. Die steilen und finstern Mauern der Sivalikette umfassen es in Süd; in Nord thürmt der Himalajah seine Berge und in blauer Ferne glänzen seine höchsten Spitzen zwischen Wolken und Himmel. Dunkle Wälder umgürten das Gebirge, durch ihre Thäler wälzen sich der junge Ganges und der Jumna, und durch ihre Schluchten tausende der jenen zuströmenden Bäche, welche die heiße indische Sonne den Eis- und Schneewüsten des Hochgebirgs entlockt. Herrlich sind die Thäler jener größern Ströme, und heilig geachtet ihre Fluthen. Auf jeder ausgezeichneten Stelle steht ein Tempel, und dichte Bevölkerung drängt sich um sie in unzählichen Flecken und Dörfern. Viele Fürsten und Große des Landes haben hier Wohnungen für den Sommer, und die häufigen Landhäuser der Britten mit ihren parkmäßigen Umgebungen erhöhen die Mannichfaltigkeit der reizenden Szenerieen. Die Ansiedelungen der europäischen Kaufleute und Beamten nehmen mit jedem Jahre zu, und der Gebrauch ist allgemein geworden, im Hochsommer die feuchten, üppigen Ebenen Bengalens, wenn unerträgliche Hitze und Krankheiten sie geißeln, zu verlassen und in die gesündern Regionen der Berge zu fliehen, dort auszuruhen und sich zu stärken für die Zeit der Geschäfte, die wieder in die städtischen Wohnungen rufen.

Ein altes Vorurtheil spricht dem Hindu die Empfänglichkeit für das Schöne in der Natur ab, und läßt glauben, der Sinn für ihren Genuß sey ihm verschlossen. Schon die Ortswahl für die Tempel der Hindu, welche sie immer in die grandiosesten und eindrucksvollsten Landschaften verlegen, könnte das Gegentheil beweisen. Allerdings gehört immer ein Grad von Bildung dazu, das Schöne, sey es in der Natur, oder in der Kunst, zu erkennen; und der gemeine Pariah wird eben so wenig gerührt werden von der reizendsten Landschaft, oder von dem Sonnen-Auf- oder Untergang, als der rohe, deutsche Bauer. Aber unter den gebildeten Classen der Hindus ist das Wohlgefallen an der schönen Natur äußerst lebendig, und ihre Schriften sind voll von Beweisen dafür. So schildert z. B. Bubanda-Bamajan, in seiner Beschreibung Indiens, die Gegend der Mahadeo-Tempel: „Jede Luftwelle, die über die Ebene streicht, bringt süßen Wohlgeruch von den Bergen herab, welche sich, wie Himmelsgeister, in dünne und azurblaue Gewänder kleiden. Seht ihre fernen, schlanken Gestalten! Schimmernde Kronen von Rubinen und Gold und Silber

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/116&oldid=- (Version vom 29.10.2024)