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ADB:Klingemann, August

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Artikel „Klingemann, Ernst August Friedrich“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 187–189, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Klingemann,_August&oldid=- (Version vom 31. Oktober 2024, 00:30 Uhr UTC)
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Klingemann: Ernst August Friedrich K., Theaterdirector und Dramatiker, geb. am 31. August 1777 zu Braunschweig, starb das. am 24. Jan. 1831. Der trotz seiner reichen Produktion theatergeschichtlich doch weit mehr als litterargeschichtlich bedeutende Mann erhielt im Catharineum und Carolinum seiner Vaterstadt den Schulunterricht. Später bezog er die Universität Jena, wo er zwar die Rechtswissenschaft als eigentliches Brodstudium trieb, nebenbei aber auch in den Collegien Fichte’s, Schelling’s und A. W. v. Schlegel’s ein oft gesehener Hörer war. Zugleich trat er in persönlichen Verkehr mit Schriftstellern und Dichtern (namentlich Brentano) und widmete dem naheliegenden Weimarischen Theater eine ganz besondere Aufmerksamkeit. Unter solchen Umständen konnte es nicht Wunder nehmen, daß der beanlagte K. mit vollen Segeln, selbstthätig, der Litteratur zutrieb, um später dann auch dem Theater in ergiebigster Weise seine Kräfte zu widmen. Schon 1795 hatte er einen Roman „Wildgraf Eckard von der Wölpe“ erscheinen und diesem das historisch-romantische Gemälde „Die Asseburg“ (1796/97, 2 Bde.), das Trauerspiel „Die Maske“ (1797) und „Die Ruinen im Schwarzwald“ (1797–99, 2 Bde.) folgen lassen, auch 1800 eine Zeitschrift „Memnon“ herausgegeben, zu der u. A. Brentano (s. dessen gesammelte Schriften 8, 21) Arbeiten beisteuerte. Die nächsten Arbeiten waren „Romano“ (1800), „Selbstgefühl“ (1800), „Albano der Lautenschläger“ (1803, 2 Bde.), „Der Schweizerbund“ (1805). Zugleich betheiligte er sich im Sinne der Romantiker an der „Zeitung für die elegante Welt“ und eröffnete 1805 mit dem Schauspiel „Der Bettler von Neapel“ eine lange Folge von Dramen, die zum Theil als „Theater“ (Tübingen 1809–1820, 3 Bde.), „Dramatische [188] Werke“ (Braunschw. 1817 ff., 2 Bde.), „Beiträge zur deutschen Schaubühne“ (ebd. 1824) und „Melpomene“ (ebd. 1830) gesammelt sind und von denen als die bekanntesten, ihrerzeit erfolgreichsten genannt zu werden verdienen: „Heinrich der Löwe“, „Martin Luther“, „Moses“, „Deutsche Treue“, auch „Cromwell“, „Columbus“, „Ferdinand Cortez“, vor allem aber „Faust“, der lange Zeit der Goethe’schen Dichtung Concurrenz machte. War doch dieses Drama noch in den 60er Jahren unsres Jahrhunderts auf den Brettern heimisch und der Theaterzettel einer kleinen Gesellschaft aus dieser Zeit verkündete, das Drama sei „von Goethe, nach Klingemann“ (F. L. Schmidt’s Denkw. I, 181). In Klingemann’s dramatischen Arbeiten, die man in der Zeit ihres Entstehens als vollwerthig anerkannte, deren Schöpfer man sogar als Rivalen Schillers betrachtete (zu dessen Tell er das Seitenstück „Heinrich von Wolfenschießen“ geschrieben hat), zeigt sich ein großer Sinn für äußeren Effekt und ein seltenes Geschick ihn zu verwenden. Diese Eigenschaften, vereint mit einer hohen Anschauung von der dramatischen Kunst, befähigten ihn vortrefflich zum Theaterleiter. Schon 1802 hatte er in einem Schriftchen „Was für Grundsätze müssen eine Theaterdirection bei der Auswahl der aufzuführenden Stücke leiten“, sich eingehender mit Theaterfragen beschäftigt, sich auch 1810 um eine Dramaturgenstelle bei der neuen Schröder’schen Direction in Hamburg beworben. Er hatte dort die Absicht, „etwas gründlich Dramaturgisches zu unternehmen“, wie es in seinem Brief an F. L. Schmidt (a. a. O. I. 305) heißt, wo er als den Grund seiner Bewerbung die „Sehnsucht, in der Sphäre einer bedeutenden Bühne zu leben und zu wirken“ anführt, „um so mehr, da ich durch Unterhandlungen, die ich in gleichem Sinne mit Stuttgart auf Veranlassung dieser Bühne geführt habe, gewissermaßen in meinen Ideen hier flott geworden bin“. Für die Zugfähigkeit seiner Dramen ist das Geständniß wichtig, „meine literarischen Einnahmen haben in den letzten Jahren 1000 Thaler stets überschritten“. Indessen zerschlugen sich die Verhandlungen und K. kam erst einige Jahre später in eine der gewünschten Hamburger ähnliche Stellung. Seit dem 3. Mai 1810 mit einer Schauspielerin Elise Anschütz vermählt, die bei der Walther’schen Gesellschaft engagirt war, hatte er schon frühe seinen Rath bei letzterer Unternehmung als Oberregisseur geltend gemacht, bis er 1814 die Mitdirection der nunmehr in Braunschweig ständigen Truppe übernahm. Die Theaterverhältnisse Braunschweigs nahmen durch dieses Eingreifen Klingemann’s einen sehr erfreulichen Aufschwung, so daß sich 1817 eine vom Hofe begünstigte Commission mit der Absicht bildete, das Theater als Actienunternehmen fortzuführen. K. wurde an die Spitze der neuen Unternehmung gestellt, und nachdem die Direction Walther sich am 31. März 1818 verabschiedet hatte und darauf mit einem Theil der Gesellschaft nach Magdeburg gewandert war, eröffnete K. am 28. Mai 1818 das nunmehr „Braunschweiger Nationaltheater“ genannte Institut mit einem von ihm selbst verfaßten Prolog und Schiller’s „Braut von Messina“. Das Repertoir zeigte eine große Vielseitigkeit und rasche Abwechselung: neue Werke von Goethe, Oehlenschläger, Grillparzer, Beer, Salieri, Paer, Spontini, Weber, Spohr, Rossini, Auber u. a. wurden aufgeführt, Gastspiele Ludw. Devrient’s, des Ehepaares Stich, Eßlairs u. a. fanden statt und das Personal erhielt u. A. Zuwachs in Karl und Emil Devrient, die unter Klingemann’s weitbekannter und gerühmter Führung hier ihre theatralische Laufbahn begannen. Trotzalledem mußte die Bühne am 19. März 1826 geschlossen werden, da die Einnahmen die Ausgaben nicht deckten und die Unterbilanz innerhalb acht Jahren 17131 Thaler betrug. Nun nahm sich Herzog Karl des Theaters an und ließ es zwei Monate später als Hoftheater wieder eröffnen. K. wurde auch diesem Institute vorgesetzt und ihm Haake als Regisseur beigegeben. Der Letztere führte ausschließlich die Leitung, wenn K. [189] auf seinen großen Reisen begriffen war, die er in dem an dramaturgischen Notizen reichen Werke „Kunst und Leben“ (1819, 21, 28, 3 Bde.) niedergelegt hat. In diese zweite Periode der Klingemann’schen Direction fällt auch die am 29. Jan. 1829 auf Anregen Karls II. unternommene erste Aufführung des Goethe’schen „Faust“. Schütz gab die Titellolle, Mart den Mephisto, Senk den Famulus, Mad. Berger das Gretchen, die Marthe Mad. Klingemann. Der Erfolg war ein wider Klingemann’s Erwarten guter. Um diese Zeit legte K. die Direction nieder und wurde Professor am Collegium Carolinum, kehrte aber schon 1830 in seine alte Stellung zurück und starb im nächsten Jahr (die Daten der Direction Klingemann’s sind Glaser’s „Gesch. d. Th. z. Braunschweig“ entnommen). Es erübrigt noch zu bemerken, daß K. auch außer den im Verlauf des Obigen verzeichneten dramaturgischen Arbeiten, noch andere solche geschrieben hat, die genannt zu werden verdienen, so „Ueber das Braunschweigische Theater und dessen jetzige Verhältnisse“ (1817), „Gesetzliche Ordnung für das Nationaltheater in Braunschweig“ (1818), „Allgemeiner deutscher Theater-Almanach für das Jahr 1822“ (enthält Aufsätze von K. über Repertoir, Stil, Parterre, Vorlesungen für Schauspieler), u. a.

Klingemann’s Gattin Elise geb. Anschütz, geb. am 17. März 1785 in Magdeburg, † am 26. Juli 1862 in Heidelberg, wird von K. selbst als eine gute Schauspielerin bezeichnet, während sie F. L. Schmidt als mittelmäßig bezeichnet (a. a. O. I. 307). Sie war die Tochter eines Gewehrfabrikanten, genoß eine gute Erziehung und betrat bei der Hostowsky-Fabricius’schen Gesellschaft in Magdeburg zuerst die Bühne, auf der sie als jugendlich muntere Liebhaberin bald gefiel. Dann kam sie zur Walther’schen Truppe, spielte bei dieser das ganze Fach der ersten Liebhaberinnen und vermählte sich 1810 mit K., unter dessen Leitung sie nun die Heldinnen und lyrischen Liebhaberinnen spielte. Wie in Braunschweig gefiel sie auch bei Gastspielen in Frankfurt a. M., Carlsruhe, München und am Wiener Burgtheater. Nachdem K. gestorben war, wirkte die Darstellerin bei ihrem Schwiegersohn C. Beurer, der die Bühnen in Magdeburg, Cöln, Augsburg dirigirte und zog sich schließlich in Heidelberg von der Bühne zurück.