[go: up one dir, main page]

Zum Inhalt springen

Schach: Mittelspiel: Königsangriff

Aus Wikibooks


Formales Teil 1 Teil 2 Teil 3


Neben der Kontrolle des Zentrums ist eine weitere Voraussetzung für erfolgreiche Bauernangriffe, daß die Figuren dahinter schnell mobilisiert werden können, um den Angriff zu Ende zu führen. Sollte der Angreifer die Figuren erst heranführen müssen, so erhält der Verteidiger ebenfalls Gelegenheit, die entstandenen Lücken wieder zu schließen.

Da der König meist rochiert hat, sollte ein Angreifer darauf vorbereitet sein und auf jede mögliche Rochadestellung des Gegners ein passendes Konzept haben. Dabei ist relativ unerheblich, ob der Gegner auf den Damenflügel oder den Königsflügel rochiert hat. Die unten vorgestellten Flügelangriffskonzepte lassen sich ohne große Probleme auf den Damenflügel übertragen.

Von den vorgeschlagenen Maßnahmen lassen sich in der Regel nicht alle realisieren. Es müssen nur ausreichend viele der Maßnahmen umgesetzt werden, um ein Übergewicht in der feindlichen Verteidigungsstellung zu erhalten. Im Falle von Materialopfern ist zusätzlich sicherzustellen, daß genügend Kampfkraft vorhanden ist, um anschließend den König mit taktischen Mitteln zur Strecke zu bringen.

Angriff auf eine Rochadestellung mit intakter Bauernstruktur

[Bearbeiten]


Im ungünstigen Fall für den Angreifer schaut die Rochadestellung so aus. Sollte der Verteidiger seine Königsstellung noch stärker gesichert haben, zum Beispiel mit einen zusätzlichen Springer auf g6, dann fehlt diese Figur an anderer Stelle, etwa auf dem Damenflügel, und ein Angriff sollte mit guten Erfolgsaussichten dort angestrebt werden. Fehlen Turm und/oder Springer, dann gestaltet sich die Aufgabe für den Angreifer leichter.

In dieser Position ist ein Angriff auf den f-Bauern nicht sinnvoll. Er ist zweifach gedeckt, sowohl vom schwer angreifbaren Turm als auch vom König. Sowohl der g-Bauer, als auch der h-Bauer sind dagegen realistischere Ziele.

Der g-Bauer könnte von Läufer und Dame über die lange Diagonale angegriffen werden. Hier steht aber der Springer im Weg, welcher durch einen Bauern vertrieben oder mit einer Figur, vielleicht sogar mittels Opfer, abgelenkt werden kann. Ein Abtausch des Springers mit dem Läufer erzielt meist weniger Wirkung, weil die Diagonale nicht unbedingt freigeräumt wird und der Läufer für den Angriff auf g7 fehlt. Andere Angriffsformationen sind ein Springer auf f5, eine Dame oder ein Turm in der g-Linie und ein Bauer (oder gar ein Läufer) auf h6.

Ist der h-Bauer das Angriffsziel, dann ist der Abtausch gegen den schwarzfeldrigen Läufer eher zu empfehlen, weil dieser für die Fortsetzung des Angriffs nicht unbedingt benötigt wird. Ein Turm gehört dann auf die h-Linie, der weißfeldrige Läufer auf die Diagonale b1-h7. Selbstverständlich kann die Dame beide ersetzen oder verstärken. Ein Springer auf g5 kann auch an Drohungen beteiligt sein. Mitunter kann ein Turm gegen den Springer auf f6 geopfert werden, weshalb der Verteidigungsspringer in manchen Positionen besser auf f8 steht.

Eine interessante Partie zum Thema zeigt folgendes Beispiel.

1. d2-d4 Sg8-f6 2.Sb1-c3 e7-e6 3.e2-e4 d7-d6 4.Lf1-d3 Lf8-e7 5.Sg1-f3 O-O 6.h2-h4!!


Obwohl es auf den ersten Blick nicht so aussieht, hat Schwarz hier bereits ernsthafte Probleme, eine gute Fortsetzung zu finden. Er setzte mit 6. ... Sb8-c6 fehlerhaft fort, worauf Weiß bereits eine kleine Kombination starten konnte. Nach 7.e4-e5 d6xe5 8.d4xe5 Sf6-d7 9.Ld3xh7+! hatte Weiß mit einem Mehrbauern schon deutliche Gewinnaussichten. Nach 9. ... Kg8xh7 folgt 10. Sf3-g5+ Le7xg5 11.h4xg5+ Kh7-g8 12.Dd1-h5 f7-f6 13.g5-g6 mit unabwendbarem Matt. Schwarz zog deshalb 9. ... Kg8-h8, worauf Weiß verpasste, mit dem einfachen Zug 10. Lh7-d3 den Vorteil zu sichern, und ihn später sogar noch wegwarf. Der Vorteil war so stark, daß Weiß die Partie noch bis zum 41. Zug gewinnen konnte.

Übrigens dringt ein derartiges Läuferopfer meist dann durch, wenn Weiß einen Bauern nach e5 bringen kann und damit f6 kontrolliert. Es ist ein Standardmotiv in solchen Stellungen.

Angriff auf eine Rochadestellung mit vorgezogenem h-Bauern

[Bearbeiten]

Das Feld g5 ist ein beliebtes Feld für die Figuren des Angreifers. Ein Läufer fesselt von dort aus häufig unangenehm den Springer auf f6 an die Dame oder einen Turm auf d8. Ein Springer greift wirksam die Felder e6, f7 und h7 an.

Der Bauer auf h6 ist ein einfaches Mittel, sich dieser Sorgen zu entledigen, entweder, um die auf g5 platzierten Figuren zu vertreiben oder gar nicht erst dorthin zu lassen.

Ein vorgezogener h-Bauer kann als Angriffsmarke dienen. Es bietet sich geradezu an, mit dem g-Bauern vorzupreschen, um weitere Angriffslinien für die eigenen Figuren zu öffnen. Zu beachten ist: Der g-Bauer sollte ausreichend unterstützt werden. Hierzu bietet es sich an, einen Turm auf die g-Linie zu stellen. Dort bewacht er den Bauern während seines gesamten Vormarsches, und nach geöffneter g-Linie wird der Turm zu einer wichtigen Figur in folgenden Mattangriff. Außerdem sollte das Feld h5 kontrolliert werden. Ansonsten vermeidet der Gegner Linienöffnung, indem er einfach an dem g-Bauern vorbeizieht und eine Linienöffnung gestaltet sich komplizierter oder ist gar unmöglich..

Praxisbeispiel

Weiss am Zug


In dieser Stellung sind die weissen Schwerfiguren bereits auf die gegnerische Königsstellung ausgerichtet. Höchste Zeit also, die dazwischenliegenden Bauern wegzutauschen.

21. g4-g5 Sc4xLd2 Der Läufer ist unwichtig, also lassen wir dem Gegner das Vergnügen.

22. g5xh6 Sd2-b3+

23. c2xSb3 g7-g6 Überlegt euch mal, was Weiss hätte tun können, wenn Schwarz den Bauern nicht vorgezogen hätte.

24. Tg1xg6+ f7xTg6

25. Dd3xg6+ Kg8-h8

26. Dg6-g7#

Angriff auf eine Rochadestellung mit vorgezogenem g-Bauern

[Bearbeiten]


Der g-Bauer wird im Fianchettoaufbau vorgezogen. Gelegentlich, aber eher selten, erscheint er auf g6, um dem Angreifer die Diagonale b1-h7 zu verstellen.


Eine unerwünschte Folge ist, daß die schwarzen Felder f6 und h6 dadurch geschwächt werden. Die Überwachung wird zwar vom Läufer übernommen, aber dieser kann nun mal nicht allein das Auftauchen von Leichtfiguren auf diesen Feldern verhindern. Sehr beliebt ist es, einen Läufer auf h6 auftauchen zu lassen, und somit die wichtige Verteidigungsfigur zum Abtausch zu zwingen.

Außerdem ist der Zug als Angriffsmarke sehr "entgegenkommend" für die weißen f- oder h-Bauern.

Beispiel


Diese Stellung ist aus der französischen Eröffnung entstanden. In fast jeder Variante ist es für Schwarz notwendig, das Zentrum von Weiß mit c7-c5 anzugreifen, einfach um nicht erdrückt zu werden. Hier hat der schwarze Springer auf c6 diese Möglichkeit selbst blockiert. Auch die Fesselung des anderen Springers durch den weißen Läufer auf g5 ist unangenehm.

Schwarz entscheidet sich, seinen König aus der Schußlinie zu nehmen:

8 ... 0-0

aber springt auf diese Weise nur von der Bratpfanne ins offene Feuer. Dort wird der König lediglich von seinen Bauern geschützt. Schwarz hat durch das blockierte Zentrum und den gefesselten Springer Schwierigkeiten, Verteidigungsfiguren heranzuführen. Weiß dagegen hat bereits jetzt ein gutes Angriffsspiel auf den Königsflügel.

9. Dd1-h5

Weiß droht bereits matt durch 10. Dxh7#.

9. ... g7-g6

Dadurch erhalten wir die thematische Bauernstruktur. Schwarz blockiert die Diagonale d3-h7 und schneidet die weiße Dame von der Unterstützung durch den Läufer ab, aber im Gegenzug werden die schwarzen Felder schwach, und Weiß kann dort ein- und ausmarschieren, weil der schwarzfeldrige Läufer bereits abgetauscht ist.

10. Dh5-h6 Dd8-d7

Dadurch wird der Springer auf e7 entfesselt, und kann endlich wieder in der Verteidigung mitwirken, aber das reicht nicht aus.

11. Lg5-f6 Se7-f5

Weiß stellte die Mattdrohung mit 12. Dg7# auf, die der Springer kurzfristig abwehrt. Weiß kann diese Verteidigungsfigur aber einfach abtauschen gegen den mittlerweile ohnmächtigen weißfeldrigen Läufer.

12. Ld3xf5 e6xf5

13. Dh6-g7#


Angriff auf eine Rochadestellung mit vorgezogenem f-Bauern

[Bearbeiten]

In einem mittlerweile vergriffenen Lehrbuch war zu lesen, daß ein Bauernangriff auf eine solche Stellung sinnlos sei. Warum dies behauptet wurde, entzieht sich meiner Kenntnis und meinem Wissensstand. Ich vermute, das liegt daran, daß der vorgezogene f-Bauer meistens Teil einer zentrumsstabilisierenden Bauernkette ist. Wenn der Gegner aber ein starkes Zentrum hat, dann darf der Angreifer keine Zeit in einen langsamen Bauernangriff investieren.

Statt eines Bauernangriffs lohnt es sich aber, einen Figurenangriff ins Auge zu fassen. Hier bieten sich die weißfeldrigen Diagonalen a2-g8 und b1-h7, sowie die h-Linie an. Stützt sich der Angriff allerdings auf die Springer, dann können diese sich nur auf den weißen Feldern (zum Beispiel e6, f5 oder h5) niederlassen, und von dort aus notgedrungen nur die schwarzen Felder (vornehmlich g7) anvisieren.

Angriff auf den unrochierten König

[Bearbeiten]

Die Achillesferse der schwarzen Grundstellung ist das Feld f7. Der Bauer f7 wird nur vom schwarzen König verteidigt.

Zum Vergleich: Die Bauern e7 und d7 werden jeweils von einem Springer, einem Läufer, der Dame und dem König gesichert. Die übrigen Bauern sind diesbezüglich unwichtig, weil zu weit entfernt, aber selbst diese werden besser gesichert.

Weiß hat damit den möglichen Plan, das schwache Feld f7 besonders unter Feuer zu nehmen. Dafür steht ihm ein Arsenal an Möglichkeiten zur Verfügung.

Der weiße Königsspringer kann über sein natürliches Entwicklungsfeld f3 in zwei Zügen sowohl e5 als auch g5 erreichen, und von dort aus f7 angreifen.

Der weiße Königsläufer bedroht das Feld f7 direkt von seinem natürlichen Entwicklungsfeld c4 aus. Nötig dafür ist lediglich, daß der weiße Bauer auf e2 den Weg freimacht.

Die weiße Dame kann f7 in einem Zug von f3 oder h5 aus bedrohen. Das sollte sie aber mit besonderem Bedacht tun, sie ist sehr wertvoll, und sollte nicht vorzeitig gefährdet werden.

Der rochierte Königsturm kann von f1 aus direkt in den Kampf um f7 eingreifen. Notwendig dafür ist aber, daß der weiße f-Bauer die Linie verlassen und dem Turm den Weg freigeräumt hat, was nicht immer erstrebenswert ist. Der Turm ist die Figur, die am schwersten in den Angriff auf f7 eingereiht werden kann.

Die Damenflügelfiguren können das Feld f7 nicht direkt anpeilen, aber sie können unterstützend eingreifen. Der Damenläufer könnte eventuelle Blockadefiguren auf f6 abtauschen, der Damenspringer könnte von d5 aus die schwarze Verteidigung behindern, und der Damenturm könnte sein königliches Pendant mit einer Turmverdopplung auf der f-Linie unterstützen.