Jerusalem — geschichtsträchtigste und meistzitierte Stadt der Welt. Allein in der Bibel zählt eine computergestützte Wortsuche 769 Verse, in denen die Stadt des Friedens insgesamt 820mal genannt wird. Wie steht es aber mit dem Koran? Wie oft kommt die Stadt, wo Mohammed in den Himmel aufgefahren sein soll und die im Islam die drittwichtigste Wallfahrtsstätte ist, in diesem Buch vor? 50mal? 500mal?
Kein einziges Mal! Die einzige Stelle, die auf Jerusalem gedeutet wird, ist Sure 17,1, wo von einer »fernsten Moschee« die Rede ist (in manchen deutschen Übertragungen ist hier »Jerusalem« eingefügt). Dort hat Mohammed dem Koran zufolge seine Nachtreise gen Himmel erlebt. Unter den vielen Koranversen, die sich als Inschriften im Innern des Felsendoms befinden, fehlt dieser Schlüsselvers allerdings. Das hat einen guten Grund: Der Glaube, Jerusalem sei der Ort »Mohammeds Himmelfahrt«, beruht nämlich nicht auf einer traditionellen islamischen Lehre, sondern vielmehr auf einer neueren »Erfindung«, die Jassir Arafats Onkel Haj Amin el-Husseini, ein vormaliger Großmufti von Jerusalem, eingeführt hat. In den 20er und 30er Jahren unseres Jahrhunderts brachte er diesen Mythos in Umlauf, um die arabische Stimmung gegen die wachsende jüdische Bevölkerung in Jerusalem anzufachen und den Standort des Felsendoms auf dem Gelände des einstigen jüdischen Tempels zu rechtfertigen.«(1)
Ein anderer vielsagender Vergleich: Während die Nationen um das Heilige Land stritten, wurden 321 Resolutionen der UN-Vollversammlung sowie 49 Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gegen den Staat Israel erlassen. Wieviele UN-Resolutionen richten sich nun gegen die am Nahostkonflikt beteiligten arabischen Länder? Nicht eine einzige! Ist dieses erstaunliche Ungleichgewicht von 370:0 vielleicht schon eine Vorerfüllung von Sacharja 12,3: »Alle Nationen der Erde werden sich gegen es [Jerusalem] versammeln?« Die Bibel spricht hier buchstäblich von einer »Vollversammlung vereinter Nationen«!
1998 wird Jerusalem vollends zur »Taumelschale« und zum »Stemmstein für alle Völker« (Sach 12,2.3), denn dann muß sich laut Oslo-Friedenspakt zwischen Israel und PLO die Frage um die Stadt der drei Weltreligionen klären. Israels neuer Premier Netanjahu legt zwar eine dreiste, selbstsichere Politik an den Tag, in dem er z.B. den unter der Aksa-Moschee verlaufenden Tunnel in der Jerusalemer Altstadt öffnet, so daß der islamische Mufti berechtigterweise die Tempelbau-Absichten der Juden fürchtet und sich sorgt, »daß einige Verrückte ... Sprengstoff in den Tunnel einschleusen«2 könnten. Und auch mit seiner in Hebron verhängten Ausgangssperre hat Netanjahu den Friedensprozeß ins Stocken gebracht und den Fahrplan des Oslo-Abkommens (bereits im März dieses Jahres sollte der größte Teil der israelischen Truppen Hebron geräumt haben) nicht eingehalten. Aber all das veranlaßt Palästinenserführer Arafat zu um so größerem Nachdruck in bezug auf die Klärung der Jerusalem-Frage. Dazu hat er sich —man höre und staune — sogar Rückendekkung im Vatikan geholt.(3) Und auch der islamische Mufti von Jerusalem hofft, wie er sagt, »auf eine neue Friedensinitiative —vielleicht des Papstes in Rom. Wir wollen eine gemeinsame Abwehrfront gegen Israel bilden: Moslems, gemeinsam mit Christen.«(4) Diese Vision einer katholisch-islamischen Allianz gegen den Judenstaat und gegen das Anrecht des Volkes Israel (und damit des Messias) auf Jerusalem ist keineswegs weit hergeholt, sondern politisches Tagesgeschehen. Denn auch der Vatikan macht seine eigenen religiösen Interessen im Blick auf die künftigen Verhandlungen um Jerusalem geltend und pocht auf sein Recht, »selbst an den Verhandlungen beteiligt zu werden«, wenngleich er seine einstige Forderung auf Internationalisierung der Stadt als »überholt« fallengelassen hat.(5)
In seinem Buch »Jerusalem — Spielball der Völker« berichtet Dave Hunt sogar von einem äußerst bemerkenswerten Briefwechsel zwischen dem damaligen israelischen Außenminister Peres und dem Papst, in welchem Peres anbot, »die Souveränität über Jerusalems Altstadt dem Vatikan zu übergeben«.6Das sind nur Beispiele dafür, welche Rolle die römische Kirche, die den Staat Israel bis heute nicht anerkennt, hingegen »die Muslim, die den alleinigen Gott anbeten«, »mit Hochachtung betrach tet«7, im Nahost-Friedensprozeß spielt und auf wessen Seite sie dabei steht.
Hunt schrieb sein Buch Mitte 1995; die deutsche Übersetzung brachte er mit einem eigens für diese Ausgabe geschriebenen Epilog im Februar 1996 auf den neusten Stand, denn binnen weniger Monate hatten sich die Ereignisse in Israel überschlagen: die Ermordung Rabins, die Wahl zum Palästinenser-Rat, die Welle von Selbstmord-Attentaten durch die Hamas, schließlich die Zustimmung des Palästinenser-Rates zur Streichung des zur Vernichtung Israels aufrufenden Passus aus der PLO-Charta. Ist jetzt, da mit Netanjahu in der Knesset8 ein gänzlich anderer Wind weht, das Buch, das die »Land-für-FriedenPolitik« Rabins aufs Korn nimmt, doch bereits überholt? Nein, denn der derzeitige Kurs Israels ist nur eine Variation in der immer gleichen Melodie des Klageliedes eines geplagten Volkes, das sich nach »Frieden und Sicherheit« sehnt — und sich dabei ein ums andere Mal an den falschen Retter hängt.
»Jerusalem wird zertreten von den Nationen, bis die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden« sagt der Herr Jesus in Lukas 21,24. Das dramatische Zuspitzen des Nahostkonflikts und der bevorstehende Streit um die Stadt des Friedens ist ein dringlicher Aufruf, daß die Zeit, da Gott den Nationen seine kostenlose Gnade anbietet, sich zum Ende neigt.
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(1) Dave Hunt, Jerusalem — Spielball der Völker, CLV 1996, S. 10. (2) »Der Spiegel«, Nr. 41/96, S. 176 (3) ebd., S. 174; L'Osservatore Roman° dt., 13. 9. 96, S. 2. (4) »Der Spiegel«, Nr. 4 1/9 6, S. 177, Hervorhebungen zugefügt (5) Herder Korrespondenz, 9/96, S. 484 (6) Dave Hunt, a.a.O., S. 353 (7) Rahner/Vorgrimler: Kleines Konzilskompendium, Herder 1 9 9426, S. 357 (8) Das Parlament des Staates Israel
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