Vom Arztdasein in Amerika
Die durchschnittliche Lebenserwartung sinkt in weiten Teilen des Westens im Jahr 2020
Dienstag, 19. Juli 2022
Es ist ersichtlich, dass die vielen Auswirkungen und Veränderungen, die das erste Coronaviruspandemiejahr 2020 bedingt hat, auf Jahre hinaus analysiert und diskutiert werden wird. So waren viele Mediziner in den USA schockiert als die durchschnittliche Lebenserwartung um 1,8 Jahre im Jahr 2020 abnahm, und damit eine stärkere Abnahme erfuhr als jemals nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier spielten viele Faktoren eine Rolle, wie die an COVID-19 Verstorbenen, aber auch ein starker Anstieg der Unfall-, Mord-, Selbstmord- und Drogentoten. All das habe ich in früheren Artikeln thematisiert.
Kürzlich erschien eine sehr interessante Studie, die diese Entwicklung in einen größeren und internationalen Kontext einbettet, also die Entwicklung der durchschnittlichen Lebenserwartung in insgesamt 29, vor allem westlichen Ländern, untersucht. Ich verweise auf diese Studie für Interessierte: (DOI: 10.1093/ije/dyab207).
Die analysierte Datenmenge ist von großem Umfang und erlaubt viele Diskussionsansätze, doch will ich vor allem fünf Schlussfolgerungen hier hervorkehren: Erstens, mit Ausnahme von Dänemark und Norwegen, gab es in 27 dieser untersuchten 29 Länder eine Abnahme der durchschnittlichen Lebenserwartung bei mindestens einem der beiden Geschlechter im Jahr 2020.
Zweitens, ein Großteil der Staaten hat seit dem Zweiten Weltkrieg keine derart starke Abnahme erfahren; beispielhaft hierfür können Österreich, Belgien, Schottland, Litauen, Italien, Frankreich, Holland, Spanien, aber auch die Schweiz genannt werden.
Drittens, die Lebenserwartung sank um mehr als ein Jahr in acht Ländern unter den weiblichen und in elf unter den männlichen Bürgern ab.
Viertens, Männer waren im allgemeinen stärker von der Abnahme betroffen als Frauen.
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Fünftens, die Lebenserwartung sank bei den Frauen in der Hälfte der untersuchten Länder unter jenem Wert aus dem Jahr 2015 ab, bei den Männern war das bei knapp einem Drittel der Fall. Das ist deshalb beachtlich, weil das Jahr 2015 international in vielen Ländern zu einem Rückgang der Lebenserwartung als Folge einer besonders ausgeprägten Influenzawelle geführt hatte.
Es kann nicht stark genug betont werden, welche weitreichenden Auswirkungen das Pandemiejahr 2020 für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem der USA hatten. Seither werden Gesichtsmasken an vielen Orten verpflichtend eingesetzt, ist der Zugang zu Krankenhäusern stark reglementiert und hat sich die Bevölkerung an diverse staatliche Eingriffe gewöhnen müssen.
Viele Menschen sind im Jahr 2020 gestorben, Pflegeheime mußten deshalb geschlossen werden, wobei diese Übersterblichkeit auch im Jahr 2021 anhielt und meiner Meinung nach auch im Jahr 2022 anhalten wird. Aber diese Zahlen werden, wie auch an dieser Studie ersichtlich, wohl erst mit mehrjähriger Verspätung vorliegen, wobei ich davon ausgehe, daß auch andere Länder des Westens und nicht nur die USA betroffen sein werden.