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Zeitschrift-Artikel: Die

Zeitschrift: 76 (zur Zeitschrift)
Titel: Die
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 4993

Titel

Die

Vortext

Text

Nachdem die Woge der Begeisterung über den »Toronto-Segen« nicht einmal zwei Jahre angehalten hat und heute — zu­mindest in Deutschland — kaum noch Be­achtung findet, rollt bereits eine neue Wel­le auf Europa zu, die wahrscheinlich eine größere Breitenwirkung haben wird als der »Toronto-Segen«.

In der evangelikalen Zeitschrift »Aufat­men« wurde diese Bewegung als »eine der gegenwärtig mächtigsten Erneuerungs­bewegungen« bezeichnet, »die spirituell als das Interessanteste seit den Jesus­People eingeschätzt wird«(1).
Obwohl die »Promise Keepers« (»Ver­sprechens-Halter«) erst in den letzten Mo­naten in Deutschland bekannt wurden, ist diese Bewegung bereits über 6 Jahre alt und hat nach eigenen Angaben bereits 2 Millionen Männer erreichte(2).
Ch. Rust, der Initiator der PK in Deutschland, bezeichnet sie als eine »konfessionsübergreifende Gebets- und Bußbewegung, die auf persönlichen Bezie­hungen basiert«(3).


Die Anfänge

Interessant ist, daß diese »Männer­bewegung« — ebenso wie der »Toronto-Se­gen« — aus den von John Wimber gegrün­deten »Vineyard«-Gemeinden hervorge­gangen ist.
Bill McCartney (Denver) aus der Vineyard-Gemeinde in Colorado ist Vater dieser Bewegung. Der ehemalige Football-Trainer fuhr 1990 mit einem Freund zu ei­nem Treffen christlicher Sportler. Unter­wegs unterhielten sie sich über die geistli­che Reife bzw. Unreife bei Männern, wobei McCartney der Vers aus Sprüche 27,17 durch den Kopf ging: »Eisen wird scharf durch Eisen, und ein Mann schärft das An­gesicht des anderen.« In ihm reifte die Sehnsucht, ein riesiges Stadion mit Män­nern gefüllt zu sehen, die nicht dem Football oder irgendwelchen Sportidolen zujubelten, sondern Christus ehren und verherrlichen wollten. Er wünschte sich eine Erweckung unter Männern, die Ehen, Familien, Gemeinden und die Gesellschaft verändern sollte.
Zuerst waren es 72 Männer in Denver, die sich von der Begeisterung McCartneys anstecken ließen und bald startete eine er­ste große Konferenz mit etwa 4.200 Teil­nehmern unter dem Hauptthema »Persön­liche Integrität«.


Die Verbreitung

McCartney, der offensichtlich das Cha­risma hat, Männer zu motivieren und zu begeistern, stieß auf ein sehr großes Echo bei den Männern, und so konnte 1992 ein nationales Treffen der PK in einem Stadion mit 22.000 und ein Jahr später mit 52.000 Männern durchgeführt werden.
1994 wurden regionale Treffen mit ca. 280.000 und 1995 mit etwa 727.000 Män­nern durchgeführt. Für 1997 haben die Lei­ter der PK die Vision von einem »prayer meeting« mit ca. einer Million Männern in Washington D.C.
Präsident ist zur Zeit Randy Phillips, es gibt etwa 400 vollzeitige Mitarbeiter und man verfügte 1996 über ein Budget von 115 Mio. Dollar. Inzwischen gibt es nationale Zweige in Kanada, Australien, Neusee­land, in 15 lateinamerikanischen Staaten und nun auch in Europa.
Laut Gordon England, dem Direktor der Evangelisationsabteilung der PK, set­zen sich die Mitglieder zu 25% aus Charis­matikern und zu 75% aus »Konservativen aller Konfessionen« zusammen.
Redner auf den PK-Konferenzen sind u.a. folgende Männer, die auch in Deutsch­land durch ihre Arbeit oder Buch­veröffentlichungen bekannt sind:
Howard Henricks, Jack Hayford, Ed Cole, Bill Bright, David Bryant, Charles Colson, Larry Crabb, Franklin Graham, John Dawson, Gary Smalley, Bill Hybels, Luis Palau, James Dobson und Haddon Robinson.
Diese Namen machen das breite Spek­trum der Charisma tiker und Evangelika­len deutlich, die hier mitarbeiten. Professo­ren des Dallas Theological Seminary sind hier ebenso vertreten wie leitende Mitar­beiter von »Jugend mit einer Mission« oder anderen charismatischen Gruppen.


Die sieben Versprechen

Ein PK ist ein Mann, der folgende Ver­sprechen gibt:
1. Ein Promise Keeper ehrt Jesus Chri­stus durch Anbetung, Gebet und Gehor­sam gegenüber seinem Wort.
2. Ein Promise Keeper strebt nach ei­ner lebendigen Beziehung mit einigen an­deren Männern, denn ein Mann braucht Brüder, die ihm helfen, sein Versprechen zu halten.
3. Ein Promise Keeper praktiziert geist­liche, moralische, ethische und sexuelle Reinheit.
4. Ein Promise Keeper setzt sich für eine starke Ehe und Familie ein, der er Lie­be, Schutz und biblische Werte vermittelt.
5. Ein Promise Keeper unterstützt den Auftrag der Gemeinde, indem er seinen Pastor ehrt und für ihn betet und seine Zeit, Kraft und Gaben investiert.
6. Ein Promise Keeper überwindet die Schranken von Rassen und Denomi­nationen, um die Kraft biblischer Einheit zu zeigen.
7. Ein Promise Keeper beeinflußt die Welt durch Gehorsam gegenüber dem gro­ßen Gebot (Mk. 12,30-31) und dem großen Auftrag (Mt. 28,19-20).


Die Bewegung in Deutschland

Am 14.6.1996 fand in Hannover ein er­stes Informations-Treffen mit »50 Reprä­sentanten protestantischer Gruppen« statt. Initiator war H. Ch. Rust, der ehemalige Pastor der Baptisten-Gemeinde in Hanno­ver und langjährige Vorsitzende des Ar­beitskreises »Charisma und Gemeinde«, jetzt Leiter der »Heimatmission« der Ev. Freik. Gemeinden mit Sitz in Bad Hom­burg. Dort befindet sich zur Zeit auch das Koordinierungsbüro der PK.
Als Mitinitiator wurde der Leiter der Männerarbeit innerhalb der Basileia­-Vineyard Gemeinde in Bern, Wilf Gasser, genannt. Weitere Teilnehmer dieser ersten Konferenz waren Vertreter des Bibellese­bundes (Marienheide), der Initiative »Neu­es Leben für Familien« (Lüdenscheid), der »Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der Ev. Kirche«, »Campus für Christus« (Zü­rich), »Jugend mit einer Mission« (Ham­burg), sowie verschiedener Gruppen der Männerarbeit innerhalb der EKD.
Ohne Gegenstimmen wurde beschlos­sen, daß die PK in Deutschland und der Schweiz Fuß fassen sollten.
Leitungsgremiums am 17.9.1996 gab der Koordinator H. Ch. Rust bekannt, daß 200 Repräsentanten in nächster Zeit eine PK­Gruppe ins Leben rufen wollen. Für 1997 seien in Deutschland zehn und in der Schweiz sechs Männertage geplant, auf de­nen das Anliegen der PK bekannt gemacht werden soll.(4)


Der Versuch einer Beurteilung

Interessant ist, daß diese Männer­bewegung zu einem Zeitpunkt populär wird, wo auch in konservativen Freikir­chen und Gemeinschaften über die Aufga­ben der Frau in der Gemeinde nachge­dacht wird und man in den meisten Fällen dem Trend der Gesellschaft und Volks­kirchen folgt und Frauen in Leitungs­funktionen (Altestin, Bischöfin, Pastorin usw.) einsetzt. Tatsache ist auch, daß in den meisten evangelikalen Gemeinschaf­ten ein Übergewicht an Frauen festzustel­len ist und daß sich in unseren Evangelisationen mehr Frauen als Männer bekehren. Aber nicht nur quantitativ domi­nieren vielerorts die Frauen, oft hat man auch den Eindruck, daß sie mehr geistli­ches Interesse und Aktivität als die Männer an den Tag legen.

Ist daher unsere Zeit, in der das Wort eines Mannes nicht mehr viel Gewicht hat, nicht reif für eine Männerbewegung, die sich zur Gottesfurcht, Integrität, Verbind­lichkeit und Führung in Ehe, Familie und Gesellschaft verpflichtet?

Auch wenn man sich zunächst einmal von Herzen über jeden Mann freuen kann, der sich seiner Verantwortung in Familie, Gemeinde und Gesellschaft bewußt wird und sich zum Gehorsam Gottes Wort ge­genüber verpflichtet, gibt es einige Punkte in dieser Bewegung, die uns zu Vorsicht und Wachsamkeit aufrufen.


1. In den Händen von Männern der Charismatischen Bewegung

Wie bereits erwähnt wurden die PK so­wohl in den USA, wie auch in Deutschland und der Schweiz gegründet und geleitet von Männern, die das Anliegen der Charis­matischen Bewegung und »Dritten Welle« vertreten. Während in den USA Pastoren der Vineyard-Bewegung und Männer wie Jack Hayford, John Dawson usw. mitarbei­ten, sind auch die Initiatoren im deutsch­sprachigen Raum zum größten Teil als füh­rende und einflußreiche Charismatiker be­kannt.

 

2. Einheit auf Kosten der Wahrheit

Der bekannte Slogan der Charismatiker »Dogmen trennen — Liebe eint« wird auch in dieser Bewegung deutlich. Sechs von den sieben Versprechen der PK sollten für jeden Christen, der die Bibel ernst nimmt, selbstverständlich sein. Mit der Nachfolge Jesu ist Gehorsam, Treue, Integrität, Hin­gabe und Verbindlichkeit untrennbar ver­bunden.
Versprechen Nr. 6 allerdings macht eine typische Tendenz aller Charismatiker deutlich: Überwindung der Schranken von Denominationen, um die Kraft biblischer Einheit zu zeigen. Wenn es wirklich um bi­blische Einheit gehen würde, könnte man nur dankbar sein, aber die Arbeitsweise der PK zeigt, daß eine unbiblische Toleranz Grundlage dieser angestrebten Einheit ist:
- In den USA können Katholiken und auch Mormonen mitarbeiten, wenn sie die Versprechen ablegen.
- Es wird empfohlen, unter PK folgen­de Themen zu vermeiden: Ewige Sicher­heit, Geistesgaben, Taufe, Entrückung, Sa­kramente und Riten.
- »Lehrmäßige Unterschiede hindern die Einheit«, — diese Feststellung eines füh­renden PK sollte eigentlich dazu führen, daß man die Bibel intensiv studiert. Wenn dabei aber wichtige Themen ausgeklam­mert werden, um Einheit zu bewahren, be­gibt man sich auf einen gefährlichen Weg. Nachfolge und Jüngerschaft sind untrenn­bar mit biblischer Lehre verbunden.


3. Ein bedenklicher Einfluß der Psychologie

Auf den Treffen der PK werden Begriffe wie »Annahme«, »Erfahrung«, »Gefühl«, »Selbstliebe« usw. betont. »Ich bin nicht hier, um dich zu ändern, du bist nicht hier, um mich zu ändern. Völlige Annahme schafft einen Ort, wo Männer sie selbst sein können.« Eine solche Haltung steht im auf­fallenden Gegensatz zu dem oben zitierten Vers aus Sprüche 27,17, der eigentlich Mo­tor dieser Bewegung sein sollte, denn mit dieser weichen, unmännlichen Toleranz werden keine Ecken und Kanten im Cha­rakter eines Mannes geschliffen.

Es entspricht sicher nicht der Wahrheit, wenn Kritiker den PK eine Toleranz oder gar Akzeptanz Homosexuellen gegenüber vorwerfen. Wohl aber muß man fragen, was die PK unter »Annahme« Homosexu­ellen und anderen gegenüber verstehen.

Wahrscheinlich werden die PK in Deutschland anders als in den USA auftreten. Der Handel mit T-Shirts (»Break Down the Walls«, »My Daddy is a Promise Keeper«), Kappen und anderen Utensilien wird sich wahrscheinlich in Grenzen hal­ten und Sprechchöre in von PK gefüllten Fußballstadien sind in unseren Breitengra­den wohl kaum zu erwarten.
Allerdings ist der evangelikale Boden für diese Bewegung bestens vorbereitet: Auf Allianzebene wird jetzt offiziell die Zusammenarbeit mit Pfingstgemeinden und Charisma tikern empfohlen und prak­tiziert.
So arbeiten z.B. in dem inzwischen weit verbreiteten Magazin »Aufatmen« (Bun­des-Verlag) Männer der Gemeinschafts­bewegung und Allianz wie Karl Albietz, Ulrich Betz und Peter Strauch mit Charis­matikern wie H. Ch. Rust, Roland Werner, Wolfram Kopfermann, Diethelm Strauch, Marion Warrington usw. in einem Redaktionsteam zusammen, was vor weni­gen Jahren undenkbar gewesen wäre.
Da zudem die PK nicht mit einem auf den ersten Blick typisch charismatischen Anliegen auftreten, kann man davon aus­gehen, daß diese Männerbewegung nicht wie der »Toronto-Segen« polarisieren, son­dern eher die verschiedensten Evangelika­len und Charismatiker miteinander ver­binden wird.
Für uns — damit meine ich die sog. »Nichtcharismatiker« — wird es immer schwieriger werden, inmitten dieser Bewe­gungen und Veränderungen einen kühlen Kopf und ein warmes Herz zu bewahren.

»Wachet, steht fest im Glauben; seid mannhaft, seid stark! Alles bei euch gesche­he in Liebe.« (1. Kor. 16,13-14)

Nachtext

Quellenangaben


(1) Aufatmen Nr. 1196, S.78

(2) C-report Sept. 1996, S.16

(3) Gemeinde Erneuerung, S.31

(4) C-report Sept. 1996, S. 16