[go: up one dir, main page]

Archángel [1]

[699] Archángel (Archangelsk), das nördlichste Gouvernement Rußlands, im N. vom Eismeer und Weißen Meer, im W. von Norwegen und Finnland, im S. von den Gouv. Olonez und Wologda, im O. vom sibirischen Gouv. Tobolsk begrenzt, hat mit Einschluß der dazugehörigen Insel Nowaja Semlja einen Flächeninhalt von 858.930 qkm (15,599 QM.). Im W und NW. ist der Boden zerklüftet und gebirgig, und im Innern der Halbinsel Kola erheben sich Berge bis zu 1000 m. Der mittlere Teil ist flach und niedrig, nur von der bis zu 400 m ansteigenden Timankette durchzogen. Im O. bildet der nördlichste, ebenfalls niedrige Teil des Urals mit seinem Ausläufer, dem Pai-Choigebirge, die Grenze gegen Sibirien. Meerbusen sind: der Kandalakschabusen, die Onega-, Dwina- und Mesenbai, sämtlich im Weißen Meer, ferner der kleine Kolabusen im NW. und die Tschesskajabai. Das Gouvernement wird in südnördlicher Richtung von zahlreichen Flüssen durchzogen, worunter die bedeutendsten: Onega, Dwina, Mesen, Petschora (s. d.) Landseen zählt das Gouvernement über 1100, namentlich im Westen und Nordwesten; der größte ist der Imandrasee (s. d.). Das Klima ist rauh, aber mit großen Unterschieden. Der Winter ist z. B. an der Nordküste der Kolahalbinsel, der sogen. Murmanskischen Küste (s. d.), relativ milde: das [699] Meer friert nicht zu. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt -1°, für die Stadt Archangel +0,4. Die Bevölkerung betrug 1897: 347,560 Personen, also etwas über 0,4 auf 1 qkm, und ist stark mit fremden Elementen durchsetzt. So wohnen auf der Halbinsel Kola nomadisierende Lappen, im W. und bis nach Archangel hin finnische Stämme (Karelier, Tschuden), im Kreis Mesen und an der Petschora Syrjanen (s. d.). Auf der östlichen Tundra zwischen Mesen und Ural nomadisieren Samojeden. Die russischen Bewohner sind Abkömmlinge der alten Nowgoroder Kolonisten und gelten heute noch als besonders intelligent und rührig. Der nördlichste Teil von A. ist von Tundren, d.h. mit Moos bewachsenen, fast immer gefrornen Morästen, bedeckt, die jede Kultur unmöglich machen. Hier leben daher auch nur die vorerwähnten Nomaden, die sich auf Renntierzucht beschränken. Der mittlere und südliche Teil ist außerordentlich reich an Wäldern, deren Ausbeutung die Hauptnahrungsquelle der Bevölkerung bildet. Der Ackerbau ist von geringer Bedeutung; vorherrschend ist dabei die Brandwirtschaft, bei der aber relativ gute Ernten erzielt werden. Gebaut wird Gerste, Roggen, Hafer, auch Flachs. Die Rindviehzucht ist im Kreise Cholmogory gut entwickelt und die gleichnamige Rasse wegen ihres Milchreichtums weit geschätzt. Der Fischfang spielt an den Küsten, insbes. an der Murmanskischen Küste eine große Rolle. Namentlich wird viel Stockfisch, im Weißen Meer auch Lachs, Nawaga u.a. gefangen. Dem reichen Waldbestand entsprechend beschränkt sich die Industrie auf die Verarbeitung von Holz und die Gewinnung von Teer und Pech. Es bestehen zahlreiche Sägemühlen, darunter die großen fiskalischen Sägewerke in Kem. Der Bergbau ist gänzlich unentwickelt, obwohl im Timangebirge das Vorkommen von Silberbleierzen und an der Petschora von Naphtha nachgewiesen ist. Der Handel konzentriert sich fast ganz in der Stadt Archangel (s. d.). Im Binnenhandel spielen gesalzene Fische, Renntierfelle und Geflügel eine Rolle. Administrativ zerfällt das Gouvernement in die neun Kreise: A., Cholmogory, Kem, Kola, Mesen, Nowaja Semlja, Petschora, Pinega, Schenkursk. Vgl. Poschmann, Beschreibung des Gouvernements von A. (russ., Archangel 1874, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 699-700.
Lizenz:
Faksimiles:
699 | 700
Kategorien: