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Hochverrath

[394] Hochverrath (lat. perduellio oder crimen majestatis ex primo capite) ist dasjenige Staatsverbrechen, welches von einem Unterthan des Staats in der Absicht begangen wird, den Staat, das Oberhaupt oder wesentliche Einrichtungen desselben zu vernichten. Wenngleich man den Hochverrath im Allgemeinen zu den Majestätsverbrechen zu zählen pflegt, so ist er doch von dem Majestätsverbrechen im engern [394] Sinne wol zu unterscheiden, indem dieses blos die Beleidigungen der Herrscherwürde in sich begreift. Der Hochverrath aber kann zum Gegenstande haben: 1) Das Dasein des Staats selbst, wenn die rechtswidrige Handlung auf Aufhebung des Zwecks jeder bürgerlichen Vereinigung durch Erregung von Bürgerkriegen und Anstiften von Aufruhr oder auf Zerreißung eines bestimmten Staats und Unterwerfung einzelner Theile unter eine fremde Herrschaft, auf Anstiften feindlicher Überfälle und Unterstützung der Feinde (Landesverrätherei) gerichtet ist. Das Auswandern der Unterthanen und die Auffoderung dazu ist kein Hochverrath, ebenso wenig das Verkaufen von Waaren an den Feind, wenn es gleich unter Umständen strafbar werden kann. 2) Das Staatsoberhaupt, wenn die mit der höchsten Gewalt im Staate bekleidete Person als solche vernichtet oder ihre Vernichtung versucht wird, welches durch Tödtung, durch Entthronung oder durch eine andere Handlung geschehen kann, die ihr die Ausübung ihrer Gewalt unmöglich macht, z.B. durch Entführung, Gefangenhalten u.s.w. 3) Die Verfassung, wenn die Grundgesetze des Staats oder einzelner Bestimmungen derselben auf gewaltsamem Wege aufgehoben werden. Von dieser Art, die Verfassung eines Staats umzugestalten, welche man Revolution nennt, ist die Reform wohl zu unterscheiden, durch welche die Grundgesetze des Staats ebenfalls umgestaltet werden können, jedoch auf dem vom Gesetze selbst vorgeschriebenen Wege. Eine durchaus unstatthafte Ausdehnung des Begriffs von Hochverrath ist es, wenn man die Aufstellung von Theorien oder Meinungen, die von der Tendenz und dem System der Regierung abweichen, oder einen freimüthigen Tadel bestehender Verhältnisse oder einzelner Regierungshandlungen zum Hochverrath zu stempeln sucht; selbst eine gewaltsame Widersetzung gegen einzelne Regierungsacte ist kein Hochverrath, sondern begründet erst das Verbrechen des Aufstandes und Tumults. Nur gegen die Person des Herrschers kann Hochverrath begangen werden, nicht aber gegen andere Glieder seiner Familie, es sei denn, daß z.B. durch Tödtung des einzigen Nachfolgers die Absicht der gänzlichen Umstürzung der Regierungsform klar am Tage liegt. Verbrechen gegen Minister oder andere Diener des Staatsoberhaupts fallen nicht unter den Begriff des Hochverraths. Auch kann derselbe nur von einem Angehörigen des Staats, gegen welchen das Verbrechen gerichtet ist, nicht aber von einem Fremden, welcher indeß deshalb nicht straflos ist, begangen werden. Das Verbrechen des Bürgers, welcher dem Staate Treue und Gehorsam geschworen hat, ist natürlich strafbarer als das eines Fremden, welcher keine Verpflichtungen gegen den Staat hat. Eine rechtswidrige, auf Vernichtung wesentlicher Bestandtheile des Staats gerichtete Absicht wird zwar zum Verbrechen des Hochverraths ausdrücklich erfodert, allein darauf, ob der Verbrecher seinen Zweck ganz oder theilweise erreicht hat, kommt bei dem Begriff des Hochverraths nichts an, wenngleich sich der Grad der Strafbarkeit danach bestimmt. Auch beim Hochverrath ist der bloße Versuch nicht so strafbar als das vollendete Verbrechen. Das röm. Recht ist insofern milder als die heutige Praxis, als es da keine Strafe verhängt, wo durchaus alle Mittel zur Erreichung der verbrecherischen Absicht fehlen. Nach gemeinem Rechte ist mit dem Zusammenfallen des deutschen Reichs auch der Begriff des Reichshochverraths weggefallen; allein man hat in neuern Zeiten in verschiedene Gesetzbücher dafür das Verbrechen des Hochverraths gegen den deutschen Bund aufgenommen. Die Strafe des Hochverraths nach röm. Rechte (die lex Julia majestatis ist das bekannteste Gesetz darüber), welches die Carolina (s. Halsgerichtsordnung) bestätigt hat, ist die Todesstrafe, Confiscation sämmtlicher Güter, Verfluchung des Namens und Ehrlosigkeit der Söhne des Hochverräthers. Die neuern Gesetzbücher kennen indeß nur noch die Todesstrafe, die übrigen Strafen, welche auch schon seit längerer Zeit außer Übung gekommen waren, sind von aufgeklärten und humanen Regierungen abgeschafft worden. Ebenso wenig pflegt auch heutiges Tages noch auf die volle Strafe erkannt zu werden bei einem ganz entfernten Versuche oder bei der bloßen Verschweigung und unterlassenen Verhinderung des Verbrechens. Auch ist die Ehrlosigkeit, welche auf die bloße Verwendung für den Verbrecher gesetzt war (weshalb der gerichtliche Vertheidiger eines Hochverräthers stets erst um besondere Erlaubniß nachsuchen mußte), weggefallen, wogegen indeß dem Theilnehmer einer Verschwörung, wenn er dieselbe zeitig genug anzeigt, in der Regel Straflosigkeit und selbst Belohnungen zugesichert sind. Zu den sogenannten Besonderheiten bei den Staatsverbrechen gehört noch, daß in Nothfällen ein schnelleres Verfahren, außerordentliche Gerichte, Exceptions- und Kriegsgesetze, Standrecht u.s.w. eintreten können. Daß aber der Staat im Zustande höchster Noth wider seine innern Feinde ohne alle gerichtliche Untersuchung sogleich mit der Bestrafung verfahren dürfe, ist eine Behauptung, welche alle Rechtssicherheit aufhebt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 394-395.
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