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Diana

Fig. 91: Diana
Fig. 91: Diana
Fig. 92: Diana
Fig. 92: Diana
Fig. 93: Diana
Fig. 93: Diana
Fig. 94: Diana
Fig. 94: Diana

[165] Diana, Artemis, (Gr. u. röm. M.), Tochter des Jupiter und der Latona, Schwester des Apollo, auf der Insel Delos zugleich mit ihm geboren, stellt als weibliches Wesen denselben Begriff dar, wie Apollo als männliche Persönlichkeit. Demnach ist sie Verderberin, Todesgöttin, die Pest und Tod unter Menschen und Thiere sendet, und mit ihren Pfeilen besonders Weiber plötzlich tödtet: so erschiesst sie die Töchter der Niobe, während Apollo deren Söhne erlegt; indess tödtet sie zuweilen auch Männer, wie die Aloïden, den Orion; sie heisst daher die »Pfeilfrohe«, die »Bogenträgerin«. Aber ebenso gehört sie, wie Apollo, zu den Unheil abwendenden, Segen spendenden Gottheiten. - Reicher Ertrag der Felder und der Heerden, Eintracht und langes Leben, werden als ihre Gabe gerühmt. Diese D. ist, wie Apollo, ursprünglich eine eigenthümliche Gottheit des dorischen Stammes[165] der Griechen. Als aber die besonderen Religions-Vorstellungen der einzelnen Stämme mehr und mehr in eine Gesammtheit zusammenflossen, wurde auch die dorische D. mit Begriffen anderer Stämme und Völker vermengt, wenn sich bei ihnen der Glaube an ein Wesen fand, das mit jener irgend welche Aehnlichkeit hatte. So können wir eine arcadische (oder pelasgische), eine taurische, eine ephesische, eine römische Diana unterscheiden. Die arcadische ist die Nymphen- und Jagd-Göttin, eben so sehr Beschützerin des Wildes, die seine Vermehrung begünstigt, als Erlegerin desselben, eine Natur-Gottheit, in der sich ebensowohl die üppig frohe Kraft und Fülle der sich selbst überlassenen Natur, als die Idee, dass in der Natur immer ein Geschöpf oder ein Geschlecht auf Kosten den anderen sich erhält, personificirt hat. Ihr Symbol ist in Arcadien beständig die Bärin; ihre Nymphe Callisto, die in eine Bärin verwandelt wird, ist ursprünglich D. selbst. In der Verehrung der taurischen D. scheint ein wilder, orgiastischer, mit Menschen-Opfern verbundener Gottesdienst eines scythischen Volkes mit den Begriffen der benachbarten griechischen Ansiedler zusammengeflossen zu sein, welche den so gestalteten Dienst wieder dem Mutterlande mittheilten. Dieser Diana sollte Iphigenia zum Opfer fallen. Dass ihr Dienst überhaupt ein sinnverwirrend orgiastischer war, davon liegt eine Spur in der Sage, dass Astrabacus, als er ihr Bild in einem Busche fand, durch den Anblick desselben wahnsinnig wurde. Die ephesische D. scheint am meisten Ungriechisches, und zwar Vorderasiatisches, in sich aufgenommen, bei den Lydiern und Phrygiern die befruchtende und unermüdlich Alles ernährende Kraft der Natur bezeichnet zu haben, und nur, insofern sie von dieser Seite der arcadischen D. ähnlich war, von den griechischen Ansiedlern unter den Begriff dieser aufgenommen worden zu sein. In ihrem prachtvollen Tempel zu Ephesus, der bekanntlich unter die sieben Wunder der Welt gerechnet wurde, und von Amazonen gegründet sein sollte, stand ihr von allen andern Dianen-Darstellungen schroff abweichendes Bild: der Kopf mit einer Mauerkrone bedeckt, der obere Theil mit vielen Brüsten, der untere Theil keilförmig zulaufend, das Ganze mit symbolischen Thierbildern geschmückt. Nur Jungfrauen und verschnittene Priester durften den Tempel betreten. - Schon die Griechen haben nach einzelnen Spuren die D. später auch als Mondgöttin verehrt, während sie früher eine besondere Mondgöttin, Selene (der Mond), kannten, auf welche sich der Mythus von Endymion eigentlich bezieht: diese mit Diana zu identificiren, lag freilich sehr nahe, sobald man einmal den Sonnen-Gott mit Apollo indentificirt hatte; vielleicht trug auch die Wahrnehmung dazu bei, dass der Thau, den man vorzugsweise in mondhellen Nächten fallen sah, das Wachsthum der Pflanzen, somit die üppige Entwicklung des Natur-Lebens, begünstige. Völlig zur Monds-Göttin wurde aber D. erst bei den Römern. Schon der ächt italische Name D. wird von Einigen so gedeutet, dass er aus Dea oder Diva Iana entstanden sei; Ianus aber sei die Sonne, folglich Iana der Mond. Indessen weisen doch die ältesten Spuren des italischen Dianen-Dienstes nicht gerade auf den Mund. Wir erfahren nur, dass D. den Aufenthalt in Wäldern und an Quellen liebte (arcadische D.), Begeisterung und Wahnsinn einhauchte (taurische), die Blicke der Männer scheute und beständig Jungfrau blieb (dorische). Später wurde von den römischen Schriftstellern Alles, was über die griechische Artemis geglaubt und gelehrt worden war, auf die vom römischen Volke besonders seit August hochverehrte D. zusammengetragen. - Ueberdiess wurde sie von den Römern auch als eine die Geburt befördernde Göttin verehrt, und führte mit Juno, mit welcher sie diese Wirksamkeit theilte, auch den gemeinschaftlichen Beinamen Lucina. Geweiht waren ihr Hirsche, Eber, Hunde, die Meerbarbe, der Meerkrebs, der Beifuss, die Fichte. - Unsere Abbildungen zeigen Fig. 91: Statue der D. von Versailles im Louvre; die Göttin wandelt neben ihrer goldgehörnten Hirschkuh rasch dahin, während sie rückwärts blickt und zugleich einen Pfeil aus dem Köcher zieht, um einen feindseligen Angriff oder eine frevelhafte Verletzung ihres Heiligthums abzuwehren. Fig. 92: Statue im Vatican, Diana als Jägerin, mit hochgeschürztem Gewande und Jagdschuhen (Cothurnen), von einem Hunde begleitet. Fig. 93: Diana wird von Amor zu Endymion geführt, der in des bärtigen Morpheus Armen schläft; Basrelief. Fig. 94: Statue der Diana von Ephesus.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 165-166.
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