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Schritt

[1056] Schritt. (Tanzkunst)

Die Schritte sind die Elemente des Tanzens, aus denen der Tänzer, wie der Redner aus Redensarten, sein Werk zusammen sezt. Sie sind entweder einfach, oder aus zwey und mehr einfachen zusammengesezt, wie der Pas de Menuet, der aus vier Fortschreitungen besteht, der Pas de Courante u.s.f. Es wär ein völlig unnüzes Unternehmen die Tanzschritte mit Worten zu beschreiben. Also wollen wir uns gar nicht in solche Beschreibungen einlassen, sondern blos bey einigen allgemeinen, aber zum wesentlichen der Kunst gehörigen Anmerkungen, stehen bleiben.

Man muß das Tanzen überhaupt, um die wahre Theorie desselben zu geben, als eine Bewegung ansehen, die schon durch das Metrische und Rhythmische etwas Sittliches oder Leidenschaftliches ausdrükt. Um nun deutlich zu begreifen wie dieses zugehe, muß man das, was von uns über die Natur des Rhythmus gesagt worden, deutlich vor Augen haben. Hierauf muß man sich den einfachen Schritt, als einen Takt in einem Tonstük vorstellen. Alles was wir von der Natur und Würkung des Taktes, und der damit verbundenen Bewegung in dem besondern Artikel hierüber anmerken, kann leicht auf den einfachen Schritt angewendet werden, der, so wie der Takt ernsthaft, fröhlich, mit Würde begleitet, leicht u.s.f. seyn kann. Der zusammengesezte Schritt, pas de Menuet; pas de Gavotte u.s.f. kommt mit den kleinen Einschnitten der Melodie, oder den aus zwey, drey und vier Takten bestehenden einzeln Gliedern überein. Aus mehrern zusammengesezten Schritten, wird im Tanz wie im Gesang eine Periode, und aus zwey, oder drey Perioden eine Strophe zusammengesezt.

Diese vollkommene Aehnlichkeit zwischen Musik und Tanz muß man genau vor Augen haben, wenn man zur Theorie des Tanzes etwas gründliches entdeken will. Was nun durch die metrische und rhythmische Einrichtung eines Tonstüks kann ausgedrükt werden, gerade das wird auch durch einfache und zusammengesezte Schritte, Cadenzen und Perioden des Tanzes ausgedrükt. [1056] Hier bemerken wir nun in Vergleichung dessen, was über Musik und Tanz geschrieben worden, daß in jener, die Kunstsprach bestimmter, und ausführlicher ist, als für diese. In der Musik kann ein Takt auf sehr vielerley Weise von andern unterschieden werden, und alles, was zu diesem Unterschied gehöret, kann auf das deutlichste, bis auf die geringste Kleinigkeit durch Worte, oder durch Zeichen angedeutet werden. Man unterscheidet nicht nur die Takte von zwey, vier, acht; und von drey, sechs, zwölf Zeiten u.s.f. sondern auch jede Zeit wird bald durch einen bald mehrere Töne, oder mehrere Zeiten nur durch einen Ton angefüllt u.s.f. Beym Tanz hingegen hat man erstlich für die kleinern Bewegungen, woraus ein einfacher Schritt besteht, bey weitem nicht alle hinlängliche Namen, und diese einzelen Schritte selbst haben noch bey weitem nicht die Mannigfaltigkeit, wodurch ein Takt sich von einem andern unterscheiden kann. Es giebt nur sehr wenig einfache Schritte, nämlich die so genannten pas mignardés, die so genau charakterisirt sind, als die Takte.

Deswegen würde der, welcher das Tanzen so genau beschreiben und zergliedern wollte, wie man ein Tonstük beschreiben und zergliedern kann, noch sehr viel Namen zu erfinden, und sehr viel einzele kleine Bewegungen besonders zu unterscheiden haben. Denn eigentlich sollte es so vielerley einfache Schritte zum Tanzen geben, so vielerley einzele Takte es in der Musik giebt, diejenigen ausgenommen, die blos von der Höhe und Tiefe der Töne herkommen. Aber daran fehlet noch unendlich viel.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1056-1057.
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