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Retorsion

[66] Retorsion (v. lat.), Zurückbeugung, Zurückwendung, Erwiderung, Vergeltung, Gleiches mit Gleichem, bes. im schlimmern Sinne; Retorsio facti, jede Erwiderung einerstattgefundenen Rechtsverletzung; Retorsio juris s. legis, im völkerrechtlichen Verkehr die Rückanwendung desselben unbilligen Princips, welches eine Macht in ihrem Rechtskreise angewendet hat gegen die solchergestalt handelnde Macht, um sich in Gleichheit mit derselben zu stellen od. zu erhalten, bis die Ungleichheit gehoben ist. Die R. findet daher ihre Anwendung nicht sowohl bei wirklichen Ungerechtigkeiten, welche die andere Macht sich zu Schulden gebracht hat (in welchem Falle vielmehr Repressalien [s.d.] nothwendig werden), als bei einer Unbilligkeit, d.h. einer ungleichen Behandlung fremder Staaten od. denselben angehörender Personen u. Sachen, wodurch dieselben entweder von gewissen, den eigenen Unterthanen gewährten Vortheilen ganz ausgeschlossen, od. doch zu Gunsten der letzteren od. auch gegen andere bevorzugte Nationen zurückgestellt werden. Die R. findet daher namentlich in den Zollsystemen häufig Anwendung, indem der Grundsatz festgehalten wird, daß die Hinfuhr von Waaren in einen fremden Staat nicht mehr erschwert werden dürfe, als die Einfuhr aus dem fremden Staate in den eigenen belastet ist (Retorsionssystem). Die Anwendung der R. ist dagegen da ungerechtfertigt, wo es sich etwa blos um eine Verschiedenheit der Gesetze handelt, welche an sich nicht darauf berechnet ist, die Fremden gegen die Einheimischen zurückzustellen, wenn auch das fremde Gesetz vielleicht factisch gewissen Klassen der fremden Staatsangehörigen ungünstiger ist, als das im eigenen Staate geltende Gesetz. Auch ist die R. nicht ein Recht für einzelne Staatsangehörige od. Behörden, sondern es bedarf zu ihrer Ausübung stets erst eines legislativen Beschlusses der Staatsgewalt u. einer Auctorisation an die Einzelnen u. resp. die Behörden, welche zugleich das Nähere über die Form u. die Grenzen der R. zu bestimmen hat.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 66.
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