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Eule [1]

[947] Eule (Strix L.), Gattung aus der Ordnung der Raubvögel u. der Unterordnung der Nachtraubvögel od. Eulenartigen Raubvögel (Nocturnae s. Strigidae); Schnabel zusammengedrückt, vom Grunde an gebogen u. borstig, Nasenlöcher rundlich, Zunge gespalten, Kopf groß, rund, dicht befiedert, Augen groß, vorwärts gerichtet, mit steifen Federn, strahlenförmig (Schleier) umgeben, Ohröffnungen groß u. durch eine Ohrklappe verschließbar, die mit der äußeren Hälfte des Schleiers besetzt ist, Gefieder mehr od. weniger locker u. weich, Beine stark u. befiedert, 4 Zehen, deren eine sich nach vorn u. hinten wenden kann; die Augen sind wegen der Größe der Pupille gegen das Tageslicht sehr empfindlich, daher sind die E-n nächtliche Raubvögel; wegen ihres weichen Gefieders u. ihrer breiten Flügel fliegen sie ohne Geräusch; am Tage verbergen sie sich an einsamen Orten in Ruinen, Thürmen od. Baumhöhlen, wo sie auch nisten; sie sind meist Strichvögel u. in der Dämmerung od. bei Mondenschein fangen sie kleine Vögel u. Säugthiere, vorzüglich Mäuse, aber auch Insecten, u. sind daher mit Ausnahme des Uhus u.a. E-n seiner Größe, welche auch Jagd auf Hafen, Rebhühner u. dergl. machen, als nützliche Vögel zu betrachten; sie haben in ihrem ganzen Wesen etwas Possirliches u. Träumerisches, bes. wenn sie bei Tage aus ihrem Schlupfwinkel aufgejagt werden; ihre starke, weit schallende Stimme, die oft mit krächzenden u. knackenden Tönen abwechselt, hört man oft bei stiller Nacht, u. sie hat schon manchen Wanderer geängstigt. Alle Tagvögel sind Feinde der E., fallen mit Wuth über sie her u. necken sie auf das Unbarmherzigste. Man theilt diese Gattung jetzt gewöhnlich in folgende Untergattungen: A) Tageulen (Habichtseulen, Surnia), Schnabel erst an der Spitze gekrümmt, Schleier klein u. unvollkommen, Kopf u. Ohröffnung weniger groß, Lauf u. Zehen dicht befiedert u. das Gefieder weniger locker, überhaupt den Tagraubvögeln noch sehr nahe stehend; sie rauben in der Dämmerung, aber auch am Tage, u. ihr Flug ist ziemlich geräuschvoll; Arten: die Sperbereule (Strix s. Surnia nisoria), oben braun, weiß gefleckt, unten weißlich, mit braunen Querbändern, Schwanz lang, keilförmig, braun, mit schmalen weißen Querbinden; Länge 14 Zoll; sie lebt auf der ganzen nördlichen Erde, fliegt rasch, gewandt u. hoch u. raubt vorzüglich Schnee- u. Birkhühner, aber auch Mäuse etc.; die Schneeeule (Str. s. Surnia nyctea), ein schöner, großer, 2 Fuß langer, schneeweißer, braungebänderter u. gefleckter, im Alter aber ganz weißer Vogel, mit schwarzen Krallen u. Schnabel u. bis an die Krallen dicht in Federn eingehüllten Füßen; die Schnecente lebt in den nördlichsten Gegenden der Erde u. geht nur bei zu großer Kälte südlicher, selten bis Mitteldeutschland herab; sie jagt Auer- u. Birkhühner, Hafen etc., soll aber auch Aas fressen. Andere europäische Arten sind noch die Lappländische E. (Str. s. S. lapponica s. barbata), 2 Fuß 6–8 Zoll lang, die Südliche E. (Str. s. Surnia meridionalis) u. die Uralische E. (Str. s. S. uralensis), 26 Zoll lang, Schwanz 10–11 Zoll lang: B) Ohreulen (Otus), an der Stirn beiderseits ein mehr od. weniger großer Federbüschel, Lauf u. Zehen meistens befiedert, Schleier u. Ohröffnung klein od. groß, letztere dann halbkreisrund u. bis zum Scheitel reichend; die Große Ohreule od. der Uhu (Str. Bubo s. Otus maximus), s.u. Uhu; Mittele od. Waldohreule (Str. Otus s. Otus verus), 13 bis 14 Zoll lang, mit 11/2 bis 2 Zoll langen Ohrbüscheln, bei uns Zugvogel, häufig in den Waldungen vorkommend u. gehört mehr zu den nützlichen Raubvögeln, wie alle Folgenden; Klein- od. Sumpfohreule (Str. brachyotus s. Otus palustris), 12–13 Zoll lang, mit sehr kurzen, nur aus 2–3 Federn bestehenden Ohrbüscheln, die wenig sichtbar sind; im Norden von Europa, wandert im Herbste nach Mitteleuropa u. lebt in sumpfigen Gegenden zwischen Binsen auf dem Boden sitzend; Zwerg-Ohreule (Str. s. Otus scops), nur 7 Zoll lang, grau, weiß, rostgelb mit zierlichen braunen Flecken u. Streifen u. fast nackten Zehen; in Süd- u. Mitteleuropa; C) die Käuze od. Nachteulen (Strix s. Ulula), sie zeigen den Eulencharakter am vollkommensten, Schleier groß u. deutlich, Ohrmuschel klein, oval od. groß u. halbkreisrund, keine Ohrbüschel, Zehen mehr od. weniger befiedert, [947] Federn, bes. die Schwungfederfahnen, sehr weich, daher der Flug sehr leise; so sehr sie des Nachts Furcht u. Schrecken unter den kleineren Thieren verbreiten, so sehr sind sie am Tage Gegenstand der Neckereien, sogar der kleinsten Vögel; denn das blöde Gesicht u. der langsame Flug hindert sie, sich mit Nachdruck zu vertheidigen; abergläubische Leute meinen, daß die Käuze dem Hause, an od. auf welchem sie ihre Stimme hören lassen, einen nahen Todesfall, vorherverkündigen, weshalb sie auch zuweilen Leichenhühner genannt werden; bes. gilt dies vom Kleinen Kauze (Steinkäuze, Str. noctua s. passerina), s.u. Kauz; der Rauchfüßige Kauz (Str. dasypus), s.u. Kauz; die Spatzeule od. der Zwergkauz (Str. passerina), s.u. Kauz; die Baumeule (Brandeule, Nacht- od. Waldkauz, Str. Aluco), 16–17 Zoll lang, mit großem Schleier, kleiner Ohröffnung u. das Männchen grau, das Weibchen rostbraun, mit schwärzlichen Schaftstrichen, von denen am Bauche Querwellen auslaufen, Schulter mit weißem Flecke; bewohnt die Wälder von ganz Europa u. Nordasien, kommt im Herbst u. Winter in die Baumgärten u. raubt auch nützliche Thiere; der Schleierkauz (Perl- od. Flammeneule, Str. flammea), 13–15 Zoll lang, oben rostfarben, aschgrau gewässert, mit weißen Tropfenflecken, unten rostgelblich mit braunen Tropfenflecken od. ungefleckt; in ganz Europa, mit Ausnahme des Nordens, in Dörfern u. Städten, bes. auf Thürmen der Kirchen, alten Schlössern etc. Andere europäische Arten sind noch: die Große graue E. (Str. nebulosa), im ganzen Norden der Erde, jagt Hasen u. Waldhühner; Länge 22 Zoll; der Zwergkauz (Str. acadia s. pygmaea), s u. Kauz. Alle E-n legen übrigens weiße rundliche Eier u. nisten in Löchern alten Gemäuers, hohler Bäume etc., auf Thürmen, seltener unten auf dem Boden, wie z.B. die Sumpfohreule, die in Sümpfen auf Binsen nistet.

In die E. war nach der Mythe Nyktimene verwandelt worden. Im griechischen Alterthume war die E. (Glaux) der Athene heilig, daher sie stets neben derselben sitzend abgebildet wird; sie galt als Symbol des tiefen, unermüdeten Studiums, weil sie in der Nacht u. an einsamen Orten ihr Wesen treibt. In Athen gab es viel E-n, daher das Sprüchwort eine E. nach Athen tragen (γλαῦϰ εἰς Ἀϑήνας), so v.w. etwas Unnöthiges thun. E-n waren auch auf den Münzen Athens abgebildet, u. eben so kommen sie auf denen von Megara u. Camarino vor. Übrigens galt die E. für einen Unglück verkündigenden Vogel, wie auch im deutschen Alterthum allerhand Unheimliches, Gespenstisches etc. mit dem Erscheinen u. Geschrei der E. verbunden wird. Sie bewachte Schätze in finsteren Klüften, flog mit dem Wilden Jäger u. leuchtete mit ihren großen, funkelnden Augen bei Hexenversammlungen, so wie die Hexen auch E-n zu Botendiensten brauchten, Eulenfedern als Haarschmuck trugen u. mit Eulenfüßen u. Eulenherzen allerhand Unfug trieben. Wenn Wanderer u. Jäger einer E. begegneten, so war dies ein Unglück verkündendes Vorzeichen; die kleine E. (Leichenhuhn) verkündete durch ihr nächtliches Geschrei od. Anschlagen mit den Flügeln an die Fenster baldigen Tod. In der Thierfabel wirb die E. als eine tückische Persönlichkeit dargestellt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 947-948.
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