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Nationalgarde

[706] Nationalgarde, die zur Vertheidigung der Landesgrenzen u. zum innern Dienst bestimmte Bürgerwehr. Sie wurde zuerst in Frankreich durch Beschluß der Nationalversammlung vom 12. Juni[706] 1790 hervorgerufen zunächst zum innern Dienst, um das Heer auswärts verwenden zu können, theils auch zu Besatzungen von Festungen u. zur wirklichen Landesvertheidigung. Jeder waffenfähige Mann war zum Eintritt in die N. vom 25._– 50. Jahr verpflichtet. Nach den Departements war die N. in 1260 Bataillone geordnet. Nach 1798 trat die N. in die Linie od. kehrte in ihre Heimath zurück, wo sie ferner Wache u. den Dienst bei Convoys that. 1812 befahl Napoleon die bes. waffenfähige Mannschaft der N. in Cohorten zu organisiren, gab ihnen gediente Offiziere, führte sie als mobile N. nach Deutschland gegen die Alliirten u. brauchte sie zu Besatzungen. 1814 u. 1815 bot Napoleon sämmtliche N. zu Festungsbesatzungen u., um im Rücken des Feindes ein Aufgebot in Masse zu bewerkstelligen, auf. Einige Divisionen der Armee bestanden 1811 aus N. Seitdem hat die N. unter verschiedenen Veränderungen fortbestanden u. zur Erhaltung der Ordnung beigetragen. In einigen Städten ließ sie sich zur Zeit der ältern Bourbons Ausschweifungen, welche die Reaction u. der Religionsfanatismus erregte, gegen die Bonapartisten u. die Protestanten zu Schulden kommen. Die N. von Paris wurde 1827 wegen eines beleidigenden Russ eines Theils derselben vom Ministerium Villèle aufgelöst, u. dies mehrte die Mißstimmung des bessern Theils von Paris gegen Karl X. u. seine Regierung. 1830, als die Julirevolution ausbrach, stellte sich die N. von selbst wieder her u. kämpfte gegen Karl X. Die Regierung Ludwig Philipps schmeichelte der N. von Paris fortwährend, trotzdem hatte er an ihr keine Stütze beim Ausbruch der Revolution 1848. Die von der Republik neu gestaltete N. diente auch ferner dem neuen Kaiserreich u. ihre Bestimmung ist durch das Gesetz vom 11. Januar 1852 genau bezeichnet u. schließt den mobilen Dienst im Kriege aus. Die Organisation mobiler N. bleibt besonderen Gesetzen vorbehalten. Frankreich kann jetzt 300 kriegsfähige Nationalgarden-Bataillone aufbringen u. außerdem noch 100 Bataillon Nationalgarden-Bataillone der Linien- u. leichten Infanterie-Regimenter. Auch in Gegenden, wohin die Franzosen 1805–1812 kamen, organisirte sich die N., so in den großen Städten Österreichs, Preußens, Italiens, aber lediglich zum innern Dienst, zu Wachen u. höchstens zu Convoys. Auch in Baiern war die N. völlig organisirt, aber mehr der Landwehr ähnlich, deren Namen sie 1813 auch erhielt. Nach dem Abzug der Franzosen wurden diese N-n meist wieder aufgelöst, od. blieben auch, wie die Bürgergarde in Berlin, Dresden etc. bestehen. Der Ausbruch von Revolutionen u. Insurrectionen rief später an vielen Orten, so in Neapel, Warschau, Bologna, Madrid, Mailand, die N. wieder ins Leben, auch mit der Bestimmung, gegen den Feind zu ziehen. Die innern Unruhen der Jahre 1830 u. 1848 in einem Theile Deutschlands haben die Communal- od. Bürgergarden geschaffen, welche militärisch, etwa nach dem Vorbild der französischen N. in Compagnien u. Bataillone organisirt u. bewaffnet waren, ihre Offiziere selbst wählten u. nur gegen den innern Feind, gegen Proletarier- u. Straßenlärm gerichtet sein sollen. In mehrern deutschen Staaten völlig organisirt, sind sie im Königreich Sachsen u. in Kurhessen am weitesten ausgebildet, thun auch außer der Zeit der Noth allnächtlich in kleinen Abtheilungen Wache u. patrouilliren. Die N-n in Spanien u. Portugal glichen in ihren Einrichtungen mehr den deutschen Landwehren als den N-n u. fochten in den Carlistenkriegen auch außerhalb ihrer Provinz. Ähnliche Einrichtungen fanden schon früher in den freien Städten Hamburg, Lübeck u. Bremen Statt, nur näherte sich diese Bürgerwehr mehr der eigentlichen Landwehr u. ist uniformirt. Die Kämpfe Italiens im Jahr 1859 u. 60 haben der N. dort eine weitere Ausdehnung gegeben, Anfangs bestimmt zum inneren Dienst in den Städten, nahm ein Theil der N. später an den Kämpfen Theil. Zur Verstärkung des Heeres ist ein Theil der N. zur mobilen N. ernannt, welcher in gleicher Weise mit dem Heere Verwendung findet.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 706-707.
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