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Zinnchlorid

[944] Zinnchlorid (Zinntetrachlorid, Stannichlorid, Zweifach-Chlorzinn) SnCl4 entsteht bei Einwirkung von Chlor auf Zinn oder Zinnchlorür und bei Destillation von Zinnfeile mit Quecksilberchlorid. Es bildet eine farblose Flüssigkeit, raucht an der Luft sehr stark, spez. Gew. 2,28, wirkt höchst ätzend, ist noch bei -29° flüssig, siedet bei 114°, löst Schwefel, Jod und Phosphor, löst sich leicht in Terpentinöl und Schwefelkohlenstoff, absorbiert begierig Feuchtigkeit, erstarrt mit wenig Wasser zu einer kristallinischen Masse (Zinnbutter) und löst sich in mehr Wasser. Es bildet mit Wasser eine ganze Reihe von Hydraten, mit Salzsäure die kristallisierende Stannichlorwasserstoffsäure H2SnCl6+6H2O, die bei 28° schmilzt. Auch mit Stickstoffsesquioxyd, den Chloriden des Phosphors und Schwefels und mit Cyanwasserstoffsäure bildet Z. kristallisierbare Verbindungen. Die verdünnte wässerige Lösung von Z. zersetzt sich beim Erhitzen unter Abscheidung von Zinnsäure. Die Dämpfe von Z. geben mit Wasserdampf bei Rotglut Zinnsäureanhydrid, mit Schwefelwasserstoff Zinnsulfid. Lösungen von Z. erhält man beim Behandeln von Zinnsäure mit Salzsäure, von Zinnchlorürlösung mit Chlor, beim Behandeln einer mit Salzsäure versetzten Zinnchlorürlösung mit Salpetersäure, beim Lösen von Zinn in Königswasser. Letztere Lösung enthält auch Zinnchlorür und führt in der Färberei den Namen salpetersaures Zinn, Scharlach-, Zinnkomposition, Zinnsolution, Physik, Rosiersalz, Rosasäure. Versetzt man Zinnchlorürlösungen von 60° B. mit Salzsäure und oxydiert sie bei 40° durch Salpetersäure oder mit Chlor, so erstarrt die Flüssigkeit beim Erkalten zu Z. mit 5 Molekülen Kristallwasser. Zur Darstellung von Z. aus Weißblechabfällen, die 3–5 Proz. Zinn enthalten, soll man dieselben mit Chlor behandeln und das verflüchtigte Z. in Schlangenröhren verdichten. Z. dient als Beize in der Färberei und Zeugdruckerei, zur Darstellung von Teerfarben und Farblacken, auch zum Verzinnen. Ammoniumzinnchlorid (das Ammoniumsalz der Stannichlorwasserstoffsäure, Pinksalz) (NH4)2SnCl6 entsteht beim Vermischen konzentrierter Lösungen von Z. und Salmiak als farbloses kristallinisches Pulver, das sich in 3 Teilen Wasser löst, in konzentrierter Lösung Siedetemperatur verträgt, in verdünnter Lösung[944] aber beim Erhitzen Zinnhydroxyd abscheidet. Man benutzt es als Beize in der Zeugdruckerei, wo die freie Säure enthaltende Zinnchloridlösung nicht anwendbar ist. Die erste Erwähnung des Zinnchlorids findet sich 1605 bei Libavius (daher Spiritus fumens Libavii, Libavs rauchender Geist), aber schon 1630 benutzten es die Holländer in der Cochenillefärberei.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 944-945.
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