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Wiener-Neustadt

[613] Wiener-Neustadt, Stadt mit eignem Statut in Niederösterreich, 270 m ü. M., nahe der ungarischen Grenze, an der Fischa, an den Linien Wien-Triest und W.-Groß-Kanizsa-Barcs der Südbahn, den Eisenbahnen Wien-Pottendorf-W. und Wien-Aspang sowie den Lokalbahnen W.-Puchberg-Schneeberg und W.-Fischau-Wöllersdorf gelegen, ist nach dem Brande vom 8. Sept. 1834 großenteils neu gebaut.

Wappen von Wiener-Neustadt.
Wappen von Wiener-Neustadt.

Unter den Gebäuden steht obenan die 1168 erbaute, im 15. und 18. Jahrh. umgestaltete Burg der Babenberger, in der seit 1752 die von Maria Theresia gestiftete Militärakademie (400 Zöglinge) untergebracht ist, mit der gotischen St. Georgskapelle (schöne Glasmalereien), in der Kaiser Maximilian I. beigesetzt ist, der Statue Kaiser Friedrichs III. und dessen Wappentafel im Burghof, großem Park mit dem Standbilde der Kaiserin Maria Theresia (von Gaffer) und einem Denkmal für die gefallenen Zöglinge der Akademie. Nennenswerte Gebäude sind ferner die romanische Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt aus dem 13.–15. Jahrh. mit zwei 1892 neu erbauten Türmen, die Cistercienserabtei Neukloster (1444 gestiftet) mit spätgotischer Kirche (enthaltend das Grabmal der Gemahlin Friedrichs III., Eleonore von Portugal), einer Bibliothek und Kunstsammlung, das Rathaus, das städtische Archiv und Museum (darin der »Corvinusbecher« aus vergoldetem Silber, emailliert, von) 467), mehrere Kasernen und ein Theater. An der Wiener Straße steht eine zu Ende des 14. Jahrh. errichtete gotische Denksäule (wie die bei Wien befindliche »Spinnerin am Kreuz« genannt). Die Stadt zählt (1900) mit dem Militär (1991 Mann) 28,700 Einw. und hat lebhafte Industrie, namentlich eine große Lokomotivfabrik, Fabriken für Maschinen, Motorwagen, Drahtstifte, Glocken, Tonwaren, Zündschnüre und Zündhölzer, Spitzen, Harz- und Teerprodukte, Kerzen, Papier, Leder und Watte, eine Bierbrauerei, Dampfsäge, Klenganstalten für Waldsamen, Gasanstalt und bedeutenden Handel, insbes. mit Vieh und landwirtschaftlichen Produkten. W. ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft (W.-Umgebung) und eines Kreisgerichts und besitzt an Unterrichtsanstalten außer der genannten Militärakademie: ein Staatsobergymnasium, eine Landesoberrealschule, ein Landeslehrerseminar, eine Landesgewerbeschule, eine Handelsschule, einen Militär-Fecht- und Turnlehrerkurs und eine Mädchenerziehungsanstalt; an Wohltätigkeitsanstalten: ein allgemeines Krankenhaus, ein Armen-, ein Bürgerversorgungs-, ein Waisenhaus und eine Taubstummenanstalt; ferner eine Sparkasse. Die Umgebung von W. bildet das früher unkultivierte, jetzt mit Föhrenwaldungen bepflanzte Steinfeld. Von W. führt der 61 km lange, 11 m breite, 1804 vollendete Wiener-Neustädter Kanal nach Wien; er diente bis 1879 als Schiffahrts-, seither nur als Werkkanal. Westlich von W. liegt am Abhang des Größenberges (606 m), aus dem die Fischa mittels einer Grotte mächtig hervortritt, das Dorf Fischau mit Schloß des Erzherzogs Rainer, Militärunterrealschule, Badeanstalt und 1222 Einw.; nordwestlich an der Piesting und der Staatsbahnlinie Leobersdorf-Gutenstein das Dorf Wöllersdorf mit Munitionsfabrik, Artilleriezeugsdepot, Fabriken für Blech und chemische Produkte, Steinbrüchen und Steinwerkstätten und 1833 Einw. – Die Stadt wurde 1192 von Herzog Leopold VI. (VII.), dem Glorreichen, gegründet und führt den Titel: »Die allezeit getreue«. Am 21. Ang. 1467 gebot daselbst Kaiser Friedrich III. einen fünfjährigen Landfrieden. Am 13. Juni 1486 wurde W. vom König Matthias Corvinus von Ungarn erobert, aber 1490 an Maximilian wieder übergeben, 1529 und 1683 von den Türken belagert. Am 5. Juli 1609 erlangten hier die evangelischen Stände Österreichs von Kaiser Rudolf II. den Majestätsbrief. Vgl. Böheim, Chronik von W. (neue Ausg., Wien 1863, 2 Bde.); Hinner, Wandelbilder aus der Geschichte Wiener-Neustadts (Wiener-Neustadt 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 613.
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