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Verruf

[99] Verruf, Ehrloserklärung, gesellschaftliche Ächtung einer Person. V. wurde schon früher von Handwerker- oder Gesellenvereinen gegen mißliebige Genossen oder Meister ausgesprochen; in jüngster Zeit wird er bei Arbeitseinstellungen seitens der Streikenden gegen diejenigen Arbeiter geübt, die sich der Bewegung nicht anschließen. In Deutschland bestimmt § 153 der Gewerbeordnung, daß, wer andre durch körperlichen Zwang, Drohungen, Ehrverletzung oder Verrufserklärung bestimmt oder zu bestimmen versucht, an Verabredungen zum Behuf der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbes. mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter teilzunehmen, oder andre durch gleiche Mittel hindert oder zu hindern versucht, von solchen Verabredungen zurückzutreten, mit Gefängnis bis zu drei Monaten, unter Umständen auch höher, bestraft werden soll. Nach § 15-la finden diese Bestimmungen auch auf Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen oder Gruben Anwendung. Vgl. Boycott. – In der Studentensprache die von einer Verbindung oder einem Kartell verhängte Acht über Studenten, die der Burschenrechte sich unwert bewiesen haben, oder auch über Philister (Bürger), die wegen ihres Verhaltens gegen Studenten Strafe verdienen. Diese in Burschenkreisen altherkömmliche Strafe, deren Verhängung die akademische Obrigkeit als straffällig ansieht, hat verschiedene Stufen: vom harmlosen Bierverruf bis zur endgültigen Ehrloserklärung. Auch bei den Philistern besteht der Unterschied, ob der V. nur das Verbot persönlichen Verkehrs (im Gasthaus, Mieten einer Wohnung etc.) bedeutet oder den Betroffenen im studentischen Sinne für geradezu rechtlos erklärt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 99.
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