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Tanne

[310] Tanne (Abies Juss., Picea Don., hierzu Tafel »Tanne I u. II«), Gattung der Abietineen, meist hohe Bäume, deren Hauptäste in unregelmäßigen Quirlen und deren Nebenäste meist zweireihig stehen, mit einzeln stehenden, meist zweizeiligen, flachen, unterseits längs des Mittelnervs bläulichweiß gestreiften Nadeln, aufrechten Zapfen und nach der Reise abfallenden Zapfenschuppen. Etwa 20 Arten in Europa, Asien (mit Ausnahme der Tropen) und Nordamerika. Die europäische Edeltanne (Weißtanne, Silbertanne, Abies pectinata D. C., A. excelsa Lk., P. Abies Dur., P. pectinata Lam., s. Tafel), einer der schönsten Waldbäume mit in der Jugend pyramidaler, im Alter fast walzenförmiger, unregelmäßiger, am Wipfel storchnestartig abgeplatteter Krone, wird im Schluß über 65 m hoch, hat zuerst olivenbraune, später weißgraue Rinde und behaarte, rauhe Zweige, an denen die Nadeln nach zwei Seiten flach gestellt sind. Sie werden 2–3 cm lang und sind am obern Ende abgerundet und ausgerandet; die Blüten stehen fast nur in den obersten Verzweigungen des Wipfels an vorjährigen Trieben, die männlichen Blütenkätzchen sind viel länger als die der Fichte, die senkrecht ausgerichteten, 4–6 cm langen weiblichen Blütenzäpfchen gelbgrün, die aufrecht stehenden, 12–15 cm langen Zapfen länglich walzenförmig, hell grünlichbraun, ihre Deckschuppen lineal zungenförmig mit dem zwischen den Fruchtschuppen hervorragenden Teil rückwärts gebogen. Nach der Samenreife im Oktober, oft erst im April des folgenden Jahres, löst sich der Zapfen ganz auf, und nur die spindelähnliche Achse bleibt am Trieb stehen. Die Samen sind dreikantig, geflügelt. Die T. hat eine ziemlich tiefgehende Pfahlwurzel und unter der Oberfläche des Bodens verlaufende zahlreiche Nebenwurzeln. Die Keimpflanze besitzt gewöhnlich 5–7 sehr große Keimnadeln; in der Jugend wächst die T. viel langsamer als die Fichte, vom 25. oder 30. Lebensjahr an beginnt aber ein fördersameres Wachstum, das wohl 200 Jahre anhält. Sie erreicht ein sehr hohes Alter (500 Jahre), blüht vom 60. Jahr an und trägt alle 2–5 Jahre Samen, aber nie so reichlich wie die Fichte. Sie wächst als Waldbaum in den Gebirgen des mittlern und südlichen Europa von den Pyrenäen bis zum Kaukasus, nordwärts bis zum Harz, Schlesien, Galizien, südwärts bis Korsika, Sizilien, Mazedonien, Bithynien, steigt in den Pyrenäen bis 2000 m, in den Alpen bis 1300 m ü. M. empor, meidet die aufgeschwemmten Bodenarten des Flachlandes und liebt vor allen den Verwitterungsböden des Urgebirges. Ausgedehnte Bestände bildet sie mit der Rotbuche zusammen, auch mit der Fichte; ihr ganzes Wuchsverhalten aber stempelt sie zum Betrieb in reinen Beständen mit höherm Umtrieb (140–150 Jahre). Die T. ist sturmfest und dem Schneebruch und Insektenschäden wenig unterworfen, Wildbeschädigungen aber sehr ausgesetzt. Man verjüngt die Tannenbestände am besten in dunkeln Samenschlägen; zur Neubegründung von solchen Beständen wendet man Schirmschläge an. Man pflückt die Zapfen im September, 1 hl wiegt 45 kg und ergibt etwa 3 kg gereinigten Samen von je 16,000 [310] Körnern auf 1 Hektar. Der Same wird höchstens 0,8 cm tief mit Erde bedeckt. Frühjahrssaat ist wegen der Frostgefahr und des Mäusefraßes vorzuziehen. Die zweijährigen Pflänzlinge werden umgepflanzt (verschult), im sechsjährigen Alter in die Bestände gepflanzt. Vielfach werden auch Wildlinge mit Ballen, fünf- bis sechsjährig, zur Vervollständigung der Kulturen verwendet. Man benutzt das sehr gleichmäßige und spaltbare Tannenholz wie Fichtenholz, außerdem namentlich zu Resonanzböden musikalischer Instrumente, die Rinde zum Gerben (s. Fichtenrinde). Die T. liefert auch Harz und Terpentinöl. Sie wird in mehreren Varietäten wie die folgenden Arten als Ziergehölz kultiviert. A. sibirica Ledeb. (Sibirische Weißtanne, Chadsura der Mongolen), in Nord- und dem mittlern Ostrußland, Nordasien bis zum Amur, besonders im Altai bis 1700 m, über 30 m hoch, mit schwärzlichgrauer Rinde, sehr dicht stehenden Zweigen, von denen die untern überhängen, und weichen, 15–27 mm langen Nadeln. Sie wächst langsam, ist bei uns völlig hart und durch schlanken Wuchs ausgezeichnet. A. venusta Dougl., in Kalifornien, über 30 m hoch, mit brauner Rinde, weit herabhängenden untern und unregelmäßig abstehenden obern Ästen und zugespitzten Nadeln. A. amabilis Forb. (Purpurtanne), an der Westseite Nordamerikas, über 60 m hoch, mit brauner Rinde, in der Jugend auf beiden Seiten bläulich gestreiften, zuletzt gleichmäßig grünen, an der Spitze oft ausgerandeten Nadeln und 11–14 cm langen, dunkelpurpurnen Nadeln. A. balsamea Mill. (Balsamtanne), im östlichen Nordamerika, südlich bis Virginia, sehr verbreitet, mit schwärzlichgrauer Rinde, dichtern, kürzern Nadeln als die europäische Edeltanne, violetten Zapfen, wird 15 m hoch und bildet eine pyramidale Krone; ihre Nadeln und Zweige riechen gerieben sehr angenehm; sie liefert den Kanadabalsam, der aber auch von der nächst verwandten, nur in allen Teilen kleinern A. Fraseri Lindl. gewonnen wird. A. Nordmanniana Link., in der Krim, im Kaukasus und in dem den Kaukasus mit dem armenischen Hochlande verbindenden Gebirge, 30 m hoher, meist vom Grund an regelmäßig mit Ästen besetzter Baum mit schwärzlichgrauer Rinde, dunkelgrünen, denen der Edeltanne ähnlichen Nadeln und sehr großen, meist mit Harz stark bedeckten Zapfen, zählt zu den schönsten und höchsten Edeltannen, ist raschwüchsig und vollständig hart. Sie kam etwa 1848 nach Europa. A. Pinsapo Boiss. (spanische Weiß- oder Edeltanne), in der spanischen Provinz Malaga in der Gebirgsgruppe der Serrania de Ronda, ein 20–25 m hoher Baum mit grauschwärzlicher Rinde, ringsum stehenden, harten, zugespitzten, gleichfarbigen oder unterseits schwach bläulichweiß gestreiften Nadeln und ziemlich großen Zapfen (s. Tafel »Koniferen III«, Fig. 7), hält in Norddeutschland in geschützten Lagen ziemlich gut aus. Edle Weißtanne (amerikanische Edeltanne, A. nobilis Lindl.), 70 m hoher Baum in Oregon und Kalifornien, mit kastanienbraunem Stamm, fast ringsum gestellten, nach oben gekrümmten Nadeln und 16–18 cm langen Zapfen (s. Tafel »Koniferen III«, Fig. 6), eine der schönsten Edeltannen, bildet in ihrem Vaterland große Wälder und ist in Norddeutschland vollkommen hart. A. magnifica Murr. (s. Tafel »Koniferen I«, Fig. 14), in Kalifornien im Shastagebirge, im Kaskadengebirge bis zum Columbiafluß, über 60 m hoch, mit rotbrauner Rinde, steifen, dicken, stumpfgespitzten, meist sichelförmig gebogenen Nadeln und 20 cm langen, rötlichbraunen, zylindrisch abgestumpften Zapfen. In Norddeutschland versteht man unter T. häufig die Kiefer. Vgl. Schuberg, Die Weißtanne (Tübing. 1888); Lorey, Ertragstafeln für die Weißtanne (2. Aufl., Frankf. 1897); Eichhorn, Desgl. (Berl. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 310-311.
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