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Physikalisch-Technische Reichsanstalt

[849] Physikalisch-Technische Reichsanstalt, ein dem Reichsamt des Innern nachgeordnetes Institut, wurde 1887 in Charlottenburg errichtet, nachdem Werner Siemens 1884 ein passendes Grundstück gestiftet hatte. Die Anstalt zerfällt in zwei Abteilungen. Die Aufgabe der ersten (physikalischen) Abteilung ist die Ausführung physikalischer Untersuchungen und Messungen, die in erster Linie die Lösung wissenschaftlicher Probleme von großer Tragweite und Wichtigkeit in theoretischer und technischer Richtung bezwecken und einen größern Aufwand an instrumenteller Ausrüstung, Materialverbrauch und Arbeitszeit erfordern, als der Regel nach von Privatleuten oder Unterrichtsanstalten aufgeboten werden kann. Dahin gehören Messung sämtlicher realisierbarer Temperaturen, Studium der physikalischen Eigenschaften der wichtigsten [849] Körper, Studium der Strahlungsgesetze, Verkörperung und Reproduktion der elektrischen Einheiten etc. Der zweiten (technischen) Abteilung fällt die Durchführung physikalischer und physikalisch-technischer Untersuchungen zu, die geeignet sind, die deutsche Technik und Präzisionsmechanik in ihren Arbeiten zu fördern, besonders Prüfung und Beglaubigung aller Arten von Meßapparaten und Kontrollinstrumenten, soweit sie nicht in den Bereich der Maß- und Gewichtsordnung fallen, auch die Prüfung von Materialien, aus denen die zu wissenschaftlichen und technischen Zwecken dienenden Apparate hergestellt werden. Die Abteilung stellt auch Instrumente, deren Anschaffung für einzelne Werkstätten unmöglich ist (Kreisteilmaschine), zur allgemeinen Benutzung bereit. Die sachverständige Aufsicht über die Tätigkeit der Anstalt führt ein Kuratorium, dessen Mitglieder der Kaiser auf fünf Jahre ernennt. Die Leitung der Anstalt liegt in der Hand eines Präsidenten, der zugleich Direktor der ersten Abteilung ist, während die zweite Abteilung einem besondern Direktor untersteht. Das weitere Personal umfaßt 14 Mitglieder, 11 Hilfsarbeiter, 15 Assistenten und etwa 70 Bureaubeamte, Mechaniker etc. Auf Beschluß des Kuratoriums können bewährten Forschern zur Durchführung schwieriger Untersuchungen Räume und Instrumente zur Verfügung gestellt werden. Die Veröffentlichungen der Anstalt erfolgen teils in der Fachpresse, teils seit 1894 in den »Wissenschaftlichen Abhandlungen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt« (Berlin), auch in den jährlich an das Kuratorium erstatteten Tätigkeitsberichten, die in der »Zeitschrift für Instrumentenkunde« zum Abdruck gelangen. Auch erschien »Verzeichnis der Veröffentlichungen aus der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt« (Berl. 1901) und »Die bisherige Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt« (Braunschw. 1904). Die Anstalt führt die technische Kontrolle über die großherzoglich sächsische Prüfungsanstalt für Glasinstrumente in Ilmenau und über die Gothaische Prüfungsstelle für ärztliche Thermometer in Gehlberg sowie über die an verschiedenen Stellen des Reiches gegründeten elektrischen Prüfämter.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 849-850.
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