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Landschaftsmalerei

[123] Landschaftsmalerei, die malerische Darstellung der Natur in ihrer äußern Erscheinung, die je nach dem Standpunkt und der persönlichen Anschauung des Künstlers verschieden ist. Ursprünglich war die künstlerische Darstellung der Landschaft wohl auf die möglichst getreue Wiedergabe des von der Natur gegebenen Objekts gerichtet (Vedute), die sich erhalten hat, bis sie von der Photographie verdrängt wurde. Erst später trat die persönliche Gestaltungskraft des Künstlers bestimmend und modelnd hinzu, indem einerseits das gegebene Naturbild vom Künstler durch Betonung der Hauptmomente vereinfacht, in den Einzelformen veredelt und dadurch in seiner Wirkung gesteigert wurde (stilisierte Landschaft), anderseits die jeweilig vom Künstler empfundene oder auch vorübergehend durch gewisse atmosphärische Erscheinungen (Sonnenlicht, bedeckter Himmel, Regen, Schnee, Wind, Frost etc.) erzeugte Stimmung die Gestalt des Naturbildes in der mannigfachsten Weise veränderte (Stimmungslandschaft). Bei der stilisierten oder stilistischen Landschaft, der gewöhnlich eine bedeutungsvolle Staffage beigegeben wird, unterscheidet man je nach deren Bedeutung zwischen heroischer (mythologischer) und historischer Landschaft. Beide Begriffe werden jedoch auch gleichbedeutend gebraucht. Die Stimmungslandschaft begreift das weite Gebiet der Landschaft mit romantischer Beleuchtung (Alpenlandschaften, italienische Landschaften) bis zur modernen impressionistischen Landschaft in sich.

In der geschichtlichen Entwickelung der Künste tritt die L. im eigentlichen Sinne des Wortes, d.h. als besondere Kunstgattung, erst spät auf. Der antiken Welt war das moderne sentimentale Naturgefühl fremd, und ihre Kunst war in erster Linie auf die Durchbildung der menschlichen Gestalt gerichtet; Landschaften erscheinen daher geraume Zeit nur als Hintergründe[123] oder auch als Dekorationen. Erst in der alexandrinischen Zeit, die auf dem Gebiete der Dichtung das Idyll schuf, trat ein merklicher Umschlag ein, ein lebhafteres Interesse für die Schönheit der Natur (auch in der Pflege der Gartenkunst namentlich in römischer Zeit sich äußernd) erwachte und damit die Neigung, der Landschaft selbständigen Charakter zu geben. Die bedeutendste uns erhaltene Leistung, die etwa dem Gebiete der historischen Landschaft zuzuweisen ist, sind die auf dem Esquilin in Rom gefundenen, jetzt im Vatikan befindlichen Odysseelandschaften, Wandbilder, die Homerische Szenen in breitester landschaftlicher Umgebung schildern. Sie sind herausgegeben von Woermann (»Die antiken Odysseelandschaften«, Münch. 1876). Außerdem finden sich in Pompeji und Herculaneum häufig kleinere Park-, Hafen- und Gartenansichten von selbständigem Wert (vgl. Woermann, Die Landschaft in der Kunst der alten Völker, Münch. 1876). Auch im Mittelalter tritt die L. zunächst sehr in den Hintergrund, weil religiöse Stoffe vorherrschen. Erst Jan van Eyck (gest. 1441) gab in der ersten Hälfte des 15. Jahrh., durch glänzende Öltechnik und perspektivisches Wissen unterstützt, der Landschaft ein naturgemäßes Äußere. Er widmete ihr ein tiefes Studium, verstand sich bereits auf die Effekte der Sonnenbeleuchtung, des Helldunkels etc., behandelte die L. jedoch noch nicht selbständig, sondern als Hintergrund seiner historischen Bilder. Die ersten reinen Landschaften finden sich unter den Zeichnungen und Wasserfarbenmalereien A. Dürers, der auf seinen Wanderungen zuerst das Porträt der Landschaft fixierte. Sein Nachahmer Altdorfer, der auch der erste Landschaftsradierer ist, wich wieder von der Natur ab und gab seinen Landschaften einen phantastischen Anstrich. In Italien waren Tizian und sein Schüler Andrea Schiavone die ersten Landschaftsmaler. Sie verliehen ihren Bildern einen idealen, heroischen Charakter, den dann Domenichino, die Carracci, besonders aber G. Poussin, Salvator Rosa und Claude Lorrain, die der spätern Entwickelung der idealistischen L. die Wege wiesen, weiter ausbildeten. Einen realistischern Weg schlug die niederländische Malerei ein. Lange kam man allerdings nicht viel über die van Eyck hinaus, und man staffierte die Landschaft mit Gruppen religiöser und mythologischer Bedeutung. Dieser Richtung gehörte noch Jan Brueghel (1569–1625) an, obwohl er auch reine Landschaften malte. Erst das 17. Jahrh. löste der Landschaft in den Niederlanden die Sprache, sowohl in Brabant, wo Rubens, Arthois, Uden, Momper u.a. tätig waren, als ganz besonders in Holland. Hier war der Vorgang J. van Goyens entscheidend; man gelangte dazu, die heimische Landschaft in bezaubernder Feinheit zu malen (Wynants, Wouwerman, der Haarlemsche van der Meer, Koninck, S. van Ruisdael, Rembrandt, der auch hierin großen Einfluß ausübte und seine Landschaftsradierungen lieferte, A. van Everdingen u. v. a.). Die größten sind J. van Ruisdael (gest. 1682), der meist Waldlandschaften mit ernster Stimmung und Wasserfälle malte, und Hobbema, dessen Spezialität ebenfalls in Waldlandschaften liegt. Die holländische L. bezeichnet einen Höhepunkt. Sie gipfelte in der Wiedergabe der verschiedensten Stimmungen und hat einen entscheidenden Einfluß auf die moderne französische und deutsche L. geübt. Viele Holländer wandten sich nach Italien und stellten, von Claude Lorrain mehr oder weniger beeinflußt, südliche Gegenden dar; die Hauptmeister sind Both und Berchem. Berchem, Potter, A. van de Velde, J. H. Roos pflegten ihre Landschaften meist mit reicher Tierstaffage auszustatten, daher »Tierlandschaft«; Porcellis, W. van de Velde, Bakhuizen malten Marinen. Im 18. Jahrh. wurde die L. glatt, geleckt, entweder zierliche Feinmalerei oder oberflächliche Dekoration. Unter den Franzosen ist J. Vernet, unter den Engländern sind T. Gainsborough, der jedoch schon den Übergang zu der modernen Stimmungslandschaft bezeichnet, sowie Bonington und Constable zu erwähnen, die eigentlichen Begründer der modernen Stimmungslandschaft, die diese den Franzosen vermittelt haben. Hervorragend sind ferner der treffliche Maler venezianischer Prospekte A. Canale und sein Schüler und Neffe B. Bellotto. Das angehende 19. Jahrh. zeigt die L. in kläglichem Zustand (Hackert u.a.); das Erfreulichste wurde noch im Anschluß an die alten Holländer geliefert (Wagenbauer, Kuntz). Turners geniale Effekte gingen in Formlosigkeit unter. Eine neue Periode der deutschen L. hub mit J. A. Kochan, der im Anschluß an Poussin und Claude Lorrain die stilisierte (historische) Landschaft wieder belebte. J. Schnorr, Preller, Rottmann, Franz-Dreber, Kanoldt, Hertel, Fr. Preller der Jüngere u.a. haben diese Richtung bis auf die Gegenwart fortgesetzt. Eine andre neue Bahn eröffneten die Düsseldorfer, voran Lessing; die Sentimentalität dieser Schule fand gerade in der Landschaft, durch die Versenkung der subjektiven Stimmung in die Natur, einen angemessenen Ausdruck. Neben ihm wirkte J. W. Schirmer, der sich auch der stilisierten L. zuwandte. Immer vielseitiger gestaltete sich die L.: die Stimmungslandschaft, die Vedutenmalerei, die romantische L. etc. wurden zu Spezialitäten, denen sich zahllose Künstler widmeten. Wichtig wurde namentlich das Vorgehender modernen Franzosen, die den Hauptwert auf die malerische Stimmung legen (paysage intime) und die unscheinbarsten Vorwürfe behandeln (Huet, Corot, Rousseau, Dupré, Daubigny, Courbet, Millet, Diaz, Troyon, Français u.a.). Zugunsten der »malerischen« Stimmung vernachlässigte man jedoch ungebührlich das Formenstudium, und die ungeahnte Erweiterung des Kreises der L., die vom Pol bis zum Äquator, von Australien bis Amerika alles in ihren Bereich zog (E. Hildebrandt), trug zunächst mehr zur Effektlandschaft als zur künstlerischen Vertiefung bei; doch haben sich jetzt die Gegensätze ausgeglichen, und die L. bildet den erfreulichsten Teil der modernen Malerei. Einen großen Einfluß auf ihre weitere Entwickelung haben die französischen Impressionisten (s. d.) und die von ihnen angeregten Schotten (Schule von Glasgow) geübt. Ausgezeichnete Landschafts- und Marinemaler der neuern Zeit sind: die Deutschen Andreas und Oswald Achenbach, Albert Zimmermann, Leu, Metzener, E. Schleich, Hoguet, H. Eschke, Graf Kalckreuth der Ältere, M. Schmidt, Gude, Lier, Dücker, Kröner, Körner, Ludwig, v. Kameke, Bracht, Douzette, Willroider, Wenglein, Baisch, Dill, Schönleber, Österley, Chr. Wilberg, Saltzmann, H. Herrmann, H. v. Bartels, Gauermann, Waldmüller, Schindler, Ruß, Darnaut u.a., die Schweizer Calame und Diday, die Holländer Koekkoek, Mesdag und Roelofs, die Belgier Schampheleer, Lamorinière, Courtois, Courtens u.a. Die neueste Richtung der L. pflegt fast ausschließlich die Stimmungslandschaft, wobei sie oft die Formen völlig preisgibt und nur auf den Gesamteindruck, auf die möglichst schlichte Wiedergabe eines Naturausschnittes sieht. Diese neuere Richtung,[124] welche die Malerei als ein Ganzes auffaßt, erkennt die L. auch nicht mehr als ein besonderes Fach der Malerei an. Trotzdem hat sich die Zahl der eigentlichen Landschaftsmaler ins Unübersehbare gesteigert. Vgl. Schnaase, Niederländische Briefe (Stuttg. 1834); Carus, Briefe über die L. (2. Ausg., Leipz. 1835); Gilbert, Landscape in art, before the days of Claude and Salvator (Lond. 1885); Kaemmerer, Die Landschaft in der deutschen Kunst (Leipz. 1886); R. v. Lichtenberg, Zur Entwickelungsgeschichte der L. bei den Niederländern und Deutschen im 16. Jahrhundert (das. 1892); Zimmermann, Die Landschaft in der venezianischen Malerei bis zum Tode Tizians (das. 1893); Leitschuh, Das Wesen der modernen L. (Straßb. 1898); Guthmann, Die L. in der toskanischen und umbrischen Kunst von Giotto bis Rafael (das. 1903); M. Haushofer, Die Landschaft (Leipz. 1903, s. oben, Artikel »Landschaft«); Lanoë und Brice, Histoire de l'école française de paysage (2 Bde., Par. 1901 u. 1905). Weiteres s. Aquarellmalerei.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 123-125.
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