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Flourens

[718] Flourens (spr. flurängs oder -rāng), 1) Marie Jean Pierre, Physiolog, geb. 15. April 1794 in Maurilhan (Hérault), gest. 5. Dez. 1867 in Montgeron bei Paris, studierte in Montpellier, kam 1814 nach Paris und lieferte Arbeiten über die Physiologie des Nervensystems, von denen die wichtigsten sind: »Recherches physiques sur l'irritabilité et la sensibilité« (Par. 1822); »Expériences sur le grand sympathique« (1823); »Notes sur l'effet croisé dans le système nerveux« (1823); »Recherches expérimentales sur les propriétés et les fonctions du système nerveux dans les animaux vertébrés« (1824. 2. Aufl. 1842; deutsch von Becker, Leipz. 1824); »Expériences sur le système nerveux« (1825; deutsch von Becker, das. 1826). Er suchte in denselben, gestützt auf experimentelle Forschungen, nachzuweisen, daß im kleinen Gehirn die Kraft zu suchen sei, welche die Bewegung beherrscht, daß die corpora quadrigemina die Quelle des Gesichtssinns seien, daß das verlängerte Mark die Respirationsbewegungen bestimme. F. wurde 1830 Professor der vergleichenden Anatomie, 1833 beständiger Sekretär der Akademie, 1835 Professor am Collège de France, 1838 Mitglied der Deputiertenkammer und 1846 Pair von Frankreich. Er schrieb noch: »Cours sur la génération, l'ovologie et embryologie« (1836); »Anatomie générale de la peau et des membranes muqueuses« (1843); »Mémoires d'anatomie et de physiologie comparées« (1844); »Recherches sur le développement des os et des dents« (1845); »Théorie experimentale de la formation des os« (1847); »Psychologie comparée« (1854: 3. Aufl. u. d. T.: »Ontologie naturelle«, 1864); »De la longévité humaine« (1854, 5. Aufl. 1872; deutsch, Leipz. 1855). Speziell gegen den Materialismus waren gerichtet: »Examen de la phrénologie« (1841, 3. Aufl. 1851), wiederholt mit einer neuen Arbeit: »De la phrénologie« (1863); »De l'instinct et de l'intelligence des animaux« (1841, 4. Aufl. 1861); »De la vie et de l'intelligence« (1857, 2. Aufl. 1859). Ferner sind erwähnenswert: »Histoire des travaux de G. Cuvier« (1841, 3. Aufl. 1858); »Buffon, histoire de ses travaux et de ses idées« (1844, 2. Aufl. 1850); »Fontenelle, ou de la philosophie moderne relativement aux sciences physiques« (1847); »Histoire de la découverte de la circulation du sang« (2. Aufl. 1857); »Examen du livre de M. Darwin sur l'origine des espèces« (1864, 2. Aufl. 1880); »De l'unité de composition et du débat entre Cuvier et Geoffroy Saint-Hilaire« (1865); »Éloges historiques« (1856–62, 3 Bde.).

2) Gustave, franz. Politiker, Sohn des vorigen, geb. 4. Aug. 1838 in Paris, gest. 3. April 1871, wurde 1863 für ein Jahr als Suppleant auf den Lehrstuhl seines Vaters berufen. Ba ld indes begab er sich nach Kreta, wo er an dem eben ausbrechenden Kampf zwischen den Kandioten und Türken sich zugunsten der erstern beteiligte. Als entschiedener Demokrat kehrte er 1868 nach Frankreich zurück, um sogleich an der Wahl organisation gegen das Kaiserreich teilzunehmen, wurde zu dreimonatigem Gefängnis verurteilt, schlug sich hierauf in einem blutigen Duell mit Paul de Cassagnac und schloß sich endlich der Internationale an. Während der Belagerung von Paris 1870/71 stand er an der Spitze der kommunistischen Partei und bewirkte die Aufstände gegen die provisorische Regierung 31. Okt. 1870 und 22. Jan. 1871. Er war auch der Haupturheber des Aufstandes der Kommune, deren begabtestes und ehrenwertestes Mitglied er war, und fiel bei einem Ausfall gegen Versailles. In seinen politischen Überzeugungen unerbittlich und fanatisch, zeigte er im Privatleben ein sanftes, bescheidenes Wesen; seine wissenschaftlichen Arbeiten berechtigten zu den schönsten Hoffnungen. Außer politischen Flugschriften schrieb er »Science de l'homme« (Brüssel 1865, nur Bd. 1).

3) Emile, franz. Staatsmann, Sohn von F. 1) und jüngerer Bruder des vorigen, geb. 27. April 1841 in Paris, war 1863–68 unter dem zweiten Kaiserreich Auditeur im Staatsrat, wandte sich 1868 der Advokatur in Paris zu und schloß sich 1870 der Republik an. Er ward 1879 zum Direktor im Kultusministerium ernannt und beteiligte sich an der antiklerikalen Gesetzgebung und den Maßregeln gegen die Mönchsorden. 1886–88 war er Minister des Auswärtigen und war hier für Frieden und Ausgleich bemüht. 1894 machte er sich aber durch indiskrete und prahlerische Enthüllungen über seine Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten unangenehm bemerkbar. Er schrieb: »Organisation judiciaire et administrative de la France et de la Belgique 1814–1875« (Par. 1875); »Alexandre III, sa vie, son œuvre« (das. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 718.
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