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Exterritorialität

[229] Exterritorialität (lat.), der durch die völkerrechtliche Übung begründete Zustand, daß gewisse Personen und Sachen innerhalb eines fremden Staatsgebietes der Zwangsgewalt und, soweit nötig, dem Rechte des letztern nicht unterworfen sind (vgl. Exemtion). Das Rechtsinstitut der E. beruht auf der Achtung der Souveränität des fremden Staates und der wichtigen Aufgabe seiner Repräsentanten und findet daher auf folgende Personen und Sachen Anwendung, die demzufolge gegebenen Falles rechtlich so behandelt werden, als ob sie sich noch in dem Gebiet ihres Staates und außerhalb des Territoriums (extra territorium) des fremden befänden: 1) Die Souveräne auswärtiger Staaten genießen dieses Privilegium in jedem fremden Staatsgebiet, in dem sie sich zeitweilig aufhalten, ebenso ihr Gefolge und ihre Effekten, z. B. Equipagen. Gleiches gilt von dem Regenten oder Reichsverweser, nicht aber von den übrigen Mitgliedern eines regierenden Hauses, wofern sie sich nicht gerade im Gefolge des Souveräns befinden. Ebenso haben 2) die Gesandten (s.d.) samt ihrem Geschäftspersonal, der Dienerschaft, ihrer Wohnung und ihrem Mobiliar das Recht der E., wogegen den Konsuln dasselbe nicht zusteht, wenn es ihnen nicht durch Herkommen oder besondere Staatsverträge ausdrücklich gesichert ist, wie z. B. in der Levante, an der Nordküste Afrikas, in China, Persien etc. Für das Deutsche Reich insbes. ist durch das Gerichtsverfassungsgesetz (§ 18ff.) bestimmt, daß die Chefs und Mitglieder der bei dem Deutschen Reich oder bei einem Bundesstaat beglaubigten Missionen samt ihrer Familie, ihrem Geschäftspersonal und ihren Bediensteten, die nicht Deutsche sind, der inländischen Gerichtsbarkeit nicht unterstellt sind. Dasselbe gilt von den Mitgliedern des Bundesrats, die nicht von demjenigen Staat abgeordnet sind, in dessen Gebiet der Bundesrat seinen Sitz hat. Dagegen erstreckt sich die E. auf Konsuln innerhalb des Reichsgebietes nicht, wofern nicht in dieser Beziehung besondere Vereinbarungen mit auswärtigen Mächten bestehen. Ferner genießen das Recht der E. 3) fremde Truppenkörper, die in friedlicher Weise und mit Genehmigung der Regierung des diesseitigen Staates das Gebiet des letztern passieren. Das feindliche Heer dagegen wird in Feindesland nach Kriegsrecht behandelt, während Truppenteile einer kriegführenden Macht, die auf neutrales Gebiet gedrängt werden, dort zu entwaffnen und des Rechtes der E. nicht teilhaftig sind. Endlich steht das Recht der E. 4) Kriegsschiffen in fremdem Seegebiet und Schiffen zu, die zur Beförderung von Souveränen oder von Gesandten dienen. Diese müssen sich jedoch dem Seezeremoniell und den polizeilichen Hafenordnungen fügen. Für Österreich, wo ähnliche Bestimmungen gelten, vgl. § 61 der österreichischen Strafprozeßordnung und die zahlreichen (1903 waren es[229] deren 24) Konsularkonventionen (s.d.). Vgl. die Lehrbücher des Völkerrechts (s.d.) und Hübler, Die Magistraturen des völkerrechtlichen Verkehrs und die E. (Berl. 1900); Beling, Die strafrechtliche Bedeutung der E. (Bresl. 1896); v. Heyking, De l'exterritorialité (Berl. 1889); Vercamer, Des franchises diplomatiques et spécialement de l'exterritorialité (Par. 1891); Pietri, Étude critique sur la fiction d'exterritorialité (das. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 229-230.
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