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Batthyány

[448] Batthyány (spr. battjānji), altadlige ungar. Familie, angeblich aus dem Geschlechte des Eörs (Örs), eines Genossen Árpáds. Beglaubigter ist ihre Verwandtschaft mit der alten Familie Rátold. Ihr erster nachweisbarer Ahnherr war Georg Kis de Kövágo-Eörs (um 1400), der den Namen B. annahm. Die Familie B. wurde 1585 in den deutschen Freiherrenstand, 1603 in den Reichsgrafenstand und in ihrer ältern Linie 1764 in den Reichsfürstenstand erhoben und erhielt 1630 die ungarische Grafenwürde. Bemerkenswert: 1) Franz B. von Güssing, geb. 1497, gest. 28. Nov. 1566, königlicher Schatzmeister, Obergespan von Eisenburg, Bau von Slawonien und Kroatien, focht 1514 unter Stephan Báthori gegen die empörten Bauern (Dózsa) und 1526 bei Mohács, schwankte dann zwischen Zápolya und Ferdinand, erhielt aber letzterm 1546–57 das bedrohte Slawonien und Kroatien.

2) Balthasar von, geb. 1538, gest. 1590, Schwiegersohn Nikolaus Zrinys, focht gegen die Türken und wurde 1582 zum Stellvertreter des Palatins erwählt. – Sein Sohn Adam I. von B., kommandierender General in Niederungarn, ward 1603 in den deutschen und 1630 in den ungarischen Grafenstand erhoben. Dessen Söhne Paul (gest. 1689) und Christoph (gest. 1665) wurden die Begründer zweier Linien, von denen die ältere sich nach den Enkeln Pauls in drei Zweige teilte.

3) Karl Joseph, Fürst von, geb. 1697, gest. 15. April 1772 in Wien, focht unter Prinz Eugen 1716 bei Peterwardein, 1717 bei Belgrad und 1734 am Rhein, 1737–39 unter Khevenhüller gegen die Türken und ward General der Kavallerie; 1739–41 war er Gesandter am Berliner Hof. 1742 focht er bei Caslau, wo er den Rückzug der Österreicher deckte. Darauf folgte er dem General Nádasdy und ward Gouverneur von Bayern. Der plötzliche Einfall Friedrichs II. von Preußen 1744 rief ihn nach Böhmen. Nachdem die Preußen nach Schlesien zurückgedrängt waren, wandte sich B., zum Feldmarschall ernannt, wieder nach Bayern und nötigte durch den Sieg bei Pfaffenhofen den Kurfürsten Maximilian zum Frieden von Füssen (22. April 1745). Darauf focht er in den Niederlanden, wurde (trotz seiner Unbildung) Hofmeister des Erzherzogs Joseph und ward 1764 in den Fürstenstand und zum Bau von Kroatien erhoben.

4) Joseph, Graf von, geb. 30. Jan. 1727 in Wien, gest. 23. Okt. 1799 in Preßburg, erhielt 175l[448] die Priesterweihe, wurde 1752 Domherr zu Gran, dann infulierter Propst zu Stein am Anger, später zu Preßburg, 1759 Bischof von Siebenbürgen, 1760 Erzbischof von Kalocsa, 1776 Fürst-Primas von Ungarn und Erzbischof von Gran, 1778 Kardinal. Er hinterließ eine wertvolle Bibliothek (jetzt in Gran).

5) Ignaz, Graf von, geb. 30. Jan. 1741, gest. 17. Nov. 1798, war Bibliothekar im Collegio Apollinare zu Rom, hierauf als Erlauer Domherr und Propst literarisch tätig und förderte seit 1781 als Bischof zu Karlsburg (Weißenburg) die Wissenschaften in Siebenbürgen. Er gab heraus: »Leges ecclesiasticae regni Hungariae« (Karlsburg 1785), die »Acta et scripta« des Bischofs Gerard von Csanád (das. 1790) u. a. Seine Bibliothek (Batthyáneum) befindet sich in Karlsburg.

6) Kasimir, Graf von, geb. 4. Juni 1807, gest. 4. Nov. 1854 in Paris, bereiste nach Beendigung seiner Studien die meisten Länder Europas, namentlich England, schloß sich der liberalen Partei an, die er bereits 1840, noch kräftiger aber im Reichstag von 1843–14 vertrat. Freigebig unterstützte er alle nationalen Unternehmungen, besonders den Druck liberaler ungarischer Schriften im Ausland, und veröffentlichte selbst einige seiner Reden (Leipz. 1847). Im Sommer 1848 wurde er zum Obergespan und Regierungskommissar für das Baranyaer Komitat ernannt; er besetzte Essek und sicherte die Schiffahrt auf der Donau und Drau. Als sich Essek im Februar 1849 den Österreichern ergab, entkam B. nach Debreczin, wurde zum Zivil- und Militärgouverneur für Kleinkumanien, Szegedin, Theresiopol und Zombor ernannt und nahm später an Perczels Feldzug in der Bácska teil. Nach der Unabhängigkeitserklärung 14. April 1849 wurde er Minister des Auswärtigen und folgte Kossuth auf dem Rückzuge. Nach der Katastrophe flüchtete er nach Widdin und wurde dann mit Kossuth und den übrigen Häuptern der Revolution nach Schumla und von da nach Kutahia gebracht, das er im September 1851 mit ihnen verließ. Seine Güter wurden konfisziert.

7) Ludwig, Graf von, geb. 1806 in Preßburg, gest. 6. Okt. 1849 in Pest, diente im Heer, widmete sich dann den Studien, bereiste mit seiner Gemahlin, einer Gräfin Zichy, Europa und den Orient und pflegte seit 1838 mit Stephan Széchenyi die ungarische Sprache und die materiellen Interessen des Vaterlandes. Als Mitglied der Magnatentafel stimmte er für die Reformen, bekämpfte als Sprecher der Opposition auf dem Reichstag 1843–44 die Politik der Regierung und der Konservativen und erklärte sich offen gegen den Reichskanzler Apponyi. 1847 unterstützte er die Wahl Kossuths zum Deputierten des Pester Komitats für den Reichstag. Batthyánys Einfluß wuchs, als Erzherzog Stephan, sein Freund, das ungarische Palatinat erhielt. Als infolge der Märztage 1843 die Forderungen der Ungarn vom Kaiser bestätigt wurden, trat B. 17. März als Präsident ohne Portefeuille an die Spitze des ersten ungarischen Ministeriums. Er bemühte sich, die politische Union zwischen Österreich und Ungarn aufrecht zu erhalten, trat aber 11. Sept. nach dem Einbruch des Banus Jellachich in Ungarn und nach fruchtlosen Unterhandlungen mit dem österreichischen Kabinett zurück. Am 12. Sept. wurde er vom Palatin beauftragt, ein neues Ministerium zu bilden, das aber, obwohl aus gemäßigten Männern bestehend, die königliche Bestätigung nicht erhielt. Nach Auflösung des ungarischen Reichstags infolge der Ermordung des zum Landeskommissar ernannten Grafen Lamberg ging B. nach Wien, um die Folgen der Untat abzuwenden, und zog sich, als dieses Bemühen fruchtlos blieb, auf sein Gut Ikervár zurück. Inzwischen kam es 6. Okt. in Wien wieder zum Aufstande, dem auch Latour zum Opfer fiel, dessen Ermordung man später ungerechterweise B. zuschrieb. Dann beteiligte er sich am Kampfe gegen die kaiserlichen Truppen (Kroaten) und nahm im November 1848 im Pester Reichstag seinen Sitz ein. Er war im Januar 1849 Mitglied einer Abordnung an den Fürsten Windisch-Grätz, die Schonung für die Hauptstadt erbitten sollte, aber in Bicske keinen Zutritt fand. Während die ungarische Regierung und der Reichstag nach Debreczin eilten, blieb B. in Pest zurück, wo er 8. Jan. 1849 verhaftet und vor ein Kriegsgericht gestellt wurde. Anfangs verweigerte B. jede Antwort und verlangte, als Magnat vor die Septemviraltafel, als Minister vor den Reichstag verwiesen zu werden. Da das Gericht aber mit Erschießen drohte, ließ er den Prozeß beginnen. Zunächst wurde er nach Laibach, dann nach Olmütz geführt und hier zu längerer Kerkerstrafe verurteilt. Als aber Fürst Windisch-Grätz durch Haynau ersetzt wurde, ward der Prozeß in Pest von neuem aufgenommen, und der Spruch des Kriegsgerichts vom 5. Okt. lautete auf Tod durch den Strang. Seine Gattin sandte ihm einen Dolch, womit er sich in der Nacht auf den 6. Okt. mehrere Halswunden beibrachte, so daß das Todesurteil am Abend nur durch Erschießen vollstreckt werden konnte. Seine Gattin und drei Kinder gingen ins Ausland. Batthyánys Vermögen (4 Mill. Gulden) fiel dem Staat anheim. 1870 wurde sein Leichnam, den Freunde heimlich beerdigt hatten, unter großer Feierlichkeit im Mausoleum am Kerepescher Friedhof von neuem bestattet. Vgl. »Aufzeichnungen eines Honvéd; Beiträge zur ungarischen Revolutionsgeschichte« (Leipz. 1850, 2 Bde.) und M. Horváth, Graf Ludwig B., ein politischer Märtyrer (Hamb. 1850).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 448-449.
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