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Miesmuschel

[776] Miesmuschel (Mytilus L.). Muschelgattung aus der Familie der Miesmuscheln. Die gemeine oder eßbare M. (M. edulis L., s. Tafel »Muscheln«, Fig. 2 u. 3), mit länglicher, fast keilförmiger Schale, bis 8 cm lang, meist einfarbig violettblau oder violett gestreift auf hellerm Grund, findet sich fast in allen Meeren rings um Europa, an den deutschen Küsten auf Sandbänken in unzähliger Menge. Die Muscheln hängen meist mit den Byssusfäden, mittels deren sie sich am Grund festheften, aneinander. Sie dienen als Dünger und Köder und werden auch häufig roh oder gebraten gegessen und vielfach gezüchtet. Bei La Rochelle, gegenüber der Insel Ré, sind Pfähle in Reihen, die paarweise gegen das Meer hinaus sich verengern, eingerammt und durch Flechtwerk zu 200–300 m langen und 2 m hohen Wänden verbunden. Weiter hinaus im Meer sind nur stärkere Pfähle eingerammt. An diese setzt sich die schwärmende Muschelbrut an und erreicht im Juli Bohnengröße. Man löst sie dann mit einem Eisen ab und verpflanzt sie auf das Flechtwerk, wo sie sich alsbald wieder festspinnen. Später bringt man sie noch weiter landeinwärts und im Alter von 10–12 Monaten auf den Markt. Diese Kultur wird dort seit dem 13. Jahrh. betrieben und bringt bedeutenden Gewinn. Ähnlich verfährt man bei Tarent und La Spezia. Bei Venedig sammelt man die Muscheln von den Hafenpfählen, Planken etc. und züchtet sie an schwimmenden Flößen. In der Apenrader und Kieler Bucht werden Bäume von 3–6 m Höhe in den Meeresgrund eingetrieben, so daß sie stets unter Wasser bleiben. Die sich ansetzenden Muscheln sind nach 3–5 Jahren ausgewachsen und werden den ganzen Winter hindurch geerntet. Bisweilen sind Miesmuscheln giftig. Das Gift, Mytilotoxin, wirkt ähnlich wie Curare. Es bildet sich nur in Muscheln, die in stillem Wasser leben, während die in freier See gezüchteten oder gefangenen völlig unschädlich sind. Die giftigen haben einen süßlichen, ekelerregenden Bouillongeruch und geben, mit Alkohol übergossen, eine goldgelbe Flüssigkeit, die beim Erhitzen mit einigen Tropfen Salpetersäure grasgrün wird. Verdächtig sind alle Miesmuscheln mit dünnem, durch scheinendem, brüchigem, strahlenförmig gestreiftem Gehäuse, deren Schalen nicht gleichmäßig dunkelblau, sondern stellenweise hellbraun oder braunblau gefärbt sind. Der Verdacht auf Giftigkeit wird noch erhöht, wenn die Muschel einen widerlichen Fäulnisgeruch nach dem Watt hat, und wenn ihr Körper sowohl zentral als am Mantel orangegelb gefärbt erscheint. Doch kann den strikten Beweis der Giftigkeit nur das Tierexperiment bringen. Vgl. Möbius, Über Austern- und Miesmuschelzucht (Berl. 1870); Sabatier, Études sur la moule commune (Par. 1877); Carazzi, Ostricultura e mitilicultura (Mail. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 776.
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