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Marschall

[351] Marschall (früher Marschalk, mittellat. marescalcus, vom althochd. marah, »Mähre, Pferd«, und scalc, »Diener«), ursprünglich der Hüter einer Koppel Pferde oder der Aufseher über die Pferde und über den Stall, wie denn noch jetzt Maréchal im Französischen der Hufschmied, auch der Stallmeister heißt. Schon in den frühesten Zeiten der fränkischen Könige stieg der M. zum höhern Hofbeamten (comes stabuli, vgl. Connétable) empor, dessen Funktion im Deutschen Reiche seit der Zeit Kaiser Ottos I. eins der großen Erzämter (s. d.) ward. Erblicher Inhaber des Erzmarschallamts (Reichserzmarschall) war der Kurfürst von Sachsen, der, wie die andern Inhaber der Reichserzämter, den damit verbundenen Dienst durch den Erbmarschall verrichten ließ, dessen Würde in der Familie der Grafen von Pappenheim erblich war. Dieser Dienst bestand bei der Kaiserkrönung darin, daß der M. in einen mächtigen Haferberg hineinritt, um dem neugekrönten Herrn ein silbernes Maß voll Hafer in den Stall zu bringen. Außerdem hatte er bei Reichstagen und bei sonstigen feierlichen Gelegenheiten die Ordnung und das Zeremoniell zu überwachen. Die vormaligen Landerbmarschälle führten bei Versammlungen der Landstände den Vorsitz. Jetzt ist Hofmarschall der Titel eines höhern Hofbeamten, der als Vorsteher des Hofmarschallamts die Aussicht über die Haushaltung des Hofes, der Küche, Keller, Baulichkeiten etc. sowie das niedere Hofpersonal führt und bei Hoffestlichkeiten die nötigen Anordnungen zu treffen hat (s. Hofmarschall). Endlich kommen auch bei andern als Hoffestlichkeiten, bei Aufzügen, größern Leichenbegängnissen u. dgl., Marschälle (Festmarschälle) vor, die entweder für die Ordnung zu sorgen haben, oder bloß in feierlichem Kostüm dem Zuge vorangehen. Der Deutsche Orden erweiterte zuerst die alte Hofcharge des Marschalls zur vornehmsten Feldherrnstelle; der Titel Feldmarschall (s. d.) kommt jedoch erst zur Zeit der »deutschen Reiter« für den Obersten eines Kavallerieregiments vor. In Frankreich nahm das Wort Maréchal, das anfangs den unter den Befehlen des Connétable stehenden Intendanten des königlichen Marstalls bezeichnete, sehr bald andre Bedeutung an. Schon unter Philipp August (1180–1223) führte der Oberbefehlshaber der königlichen Truppen zeitweilig jenen Titel. Zur Zeit Ludwigs IX. gab es zwei, später drei, vier und mehr solcher Marschälle, die zum Unterschied von den Marschällen andrer Lehnsherren Maréchaux de France (Marschälle von Frankreich) genannt wurden und besonders nach der Aufhebung[351] der Connétablewürde 1627 zum höchsten Ansehen gelangten. Unter Heinrich III. ward durch die Etats-Généraux ihre Zahl auf vier herabgesetzt; doch ward diese Zahl schon von Heinrich IV. und noch mehr von deisen Nachfolgern überschritten, so daß es 1703 unter Ludwig XIV. nicht weniger als 20 Marschälle gab, unter denen auch Seeleute waren. Seitdem schwankte ihre Zahl, bis 20. Juni 1790 der Titel »M. von Frankreich« ganz aufgehoben wurde. Napoleon I. stellte die Marschallswürde wieder her, indem er Reichsmarschälle (Maréchaux d'Empire) ernannte. Unter der Restauration wurde der Titel eines Maréchal de camp (Generalmajor) wieder aus der Vergessenheit hervorgezogen, und unter dem Julikönigtum ward durch ein Gesetz vom 4. Aug. 1839 die Zahl der Marschälle von Frankreich in Friedenszeiten auf sechs herabgesetzt, während sie in Kriegszeiten bis auf zwölf vermehrt werden durfte. Napoleon III. stellte das Verhältnis, wie es unter Napoleon I. bestand, wieder her. Das Zeichen der französischen Marschallswürde ist ein azurblauer, mit goldenen Sternen verzierter Stab (s. Kommandostab). Zurzeit hat Frankreich seit dem Tode Canroberts (1895) keine Marschälle mehr. Mit dem Namen M. werden in Frankreich auch noch andre militärische Chargen bezeichnet, wie z. B. bei der Kavallerie Maréchal des logis derjenige Unteroffizier heißt, der die Einquartierung seiner Eskadron zu besorgen hat. Vgl. v. Wretschko, Das österreichische Marschallamt im Mittelalter (Wien 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 351-352.
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