[go: up one dir, main page]

Murillo

[286] Murillo (spr. -illjo), 1) Bartolomé Estéban, span. Maler, geb. Ende Dezember 1617 in Sevilla (getauft 1. Jan. 1618), gest. daselbst 3. April 1682, wurde zuerst von J. del Castillo unterrichtet und begab sich zu seiner weitern Ausbildung 1642 nach Madrid, wo ihm sein Landsmann Velazquez Gelegenheit verschaffte, in der königlichen Sammlung und im Eskorial zu studieren. Dabei sollen namentlich Ribera, Tizian, Rubens, van Dyck und Velazquez ihn beeinflußt haben. 1645 kehrte er nach Sevilla zurück, wo er durch elf jetzt zerstreute Gemälde aus der Geschichte berühmter Franziskaner für den Kreuzgang des Klosters San Francisco schnell seinen Ruf begründete. Die Hauptstücke darunter sind die Armenspeisung durch den heil. Diego (in der Akademie Fernando zu Madrid), die sogen. Engelsküche (im Louvre zu Paris) und der Tod der heil. Klara (in der Dresdener Galerie). In diesen Werken spricht sich trotz einer gewissen Schwerfälligkeit des Tones bereits der nationale, speziell sevillanische Charakter Murillos aus, der die Vorbilder zu seinen Figuren aus dem Volk genommen hatte. Flüssiger bereits ist seine koloristische Behandlung in den Heiligen Leander und Isidor (in der Sakristei der Kathedrale), der Geburt Marias (im Louvre zu Paris, 1655) und der Vision des heil. Antonius (in der Kathedrale zu Sevilla, 1656), den beiden Hauptwerken des Meisters aus seiner mittlern Zeit. Seit 1665 war M. für die Kirche Santa Maria la Blanca tätig, für die er unter anderm vier halbkreisförmige, jetzt zerstreute Darstellungen lieferte, welche die triumphierende Kirche, die unbefleckte Empfängnis (im Louvre zu Paris) und die Gründung der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom (in der Akademie zu Madrid) schildern. Um 1668 malte er die in den Wolken schwebende Jungfrau (la purisima), umgeben von acht Heiligen Sevillas (im Kapitelsaal der Kathedrale zu Sevilla), und um 1670 die heil. Familie mit Elisabeth und dem kleinen Johannes (im Louvre), eines seiner koloristisch reizvollsten Werke. Seine glänzendste Periode umfaßt die Zeit von 1670–80. Im J. 1674 vollendete er acht große Gemälde, welche die Werke der Barmherzigkeit darstellen, für die Kirche des Caridad-Hospitals, ausgezeichnet durch Kolorit, Zeichnung, sprechenden Ausdruck der Gesichter, Komposition und Perspektive; nur drei von diesen Bildern befinden sich noch am Ort (Moses, Wasser aus dem Felsen schlagend; die Vermehrung der Brote; San Juan de Dios als Krankenträger). Ein viertes Bild, die heil. Elisabeth Kranke waschend, besitzt die Akademie in Madrid. In den nächsten Jahren bis 1676 malte M. über 20 Bilder für das Kapuzinerkloster in Sevilla, von denen sich 17 im dortigen Museum befinden, darunter zwei Darstellungen der unbefleckten Empfängnis, des heil. Antonius mit dem Jesuskind und die Vision des heil. Franziskus. Derselben Zeit gehört eine Empfängnis (im Museum zu Sevilla) und eine 1648 für das Hospital Venerables Sacerdotes gemalte Darstellung gleichen Inhalts, das berühmte Bild des Louvre, an, das 1852 aus dem Nachlaß des Marschalls Soult, der es aus Spanien entführt hatte, mit 615,300 Frank angekauft worden ist. Mit der Ausführung der Verlobung der heil. Katharina für den Hauptaltar der Kapuzinerkirche in Cadiz beschäftigt, stürzte M. vom Gerüst und starb an den Folgen dieses Sturzes. Dieses Gemälde wurde von seinem Schüler Osorio vollendet. Bei der Eröffnung einer Malerakademie in Sevilla (1660), worin zuerst das Studium des Nackten öffentlich gelehrt ward, wurde M. ihr Direktor. Von seinen Schülern sind Meneses Osorio (ca. 1630–1705), Villavicencio (1635–1700) und sein Sklave Sebastian Gomez, von seinen spätern Nachahmern Tobar (1678 bis ca. 1729) und Llorente (1685–1757) hervorzuheben. M. hat gegen 400 Bilder hinterlassen, überwiegend Andachtsbilder, unter denen zahlreiche Darstellungen der Unbefleckten Empfängnis, eines von M. geschaffenen Bildertypus, eine besondere Gruppe bilden, in der M. uns als »der unerreichte Darsteller der inbrünstigen Andacht, der göttlichen Wundererscheinungen und der himmlischen Herrlichkeit« entgegentritt. Seine Bedeutung beruht vornehmlich auf der »Kühnheit und Ungezwungenheit, mit denen er die realistischste, spanisch-volkstümlichste[286] Formenauffassung seiner glühendsten seelischen Begeisterung dienstbar zu machen wußte« (Woermann). In seiner mittlern Zeit entfaltete er sein Kolorit zu üppigem Reichtum warmer, lichtumflossener Lokalfarben, die später zu einem duftigen, leichten Gesamtton gestimmt wurden, welcher der vollkommenste Ausdruck seiner spiritualistischen und übernatürlichen Stoffe wurde. Die spanischen Kunsthistoriker haben früher drei Stilperioden in Murillos Entwickelung unterschieden, die sich jedoch nicht bestimmt begrenzen lassen: den estilo frio, calido und vaporoso (den kalten, warmen und duftigen Stil). M. hat auch kräftig realistische Sittenbilder aus dem Sevillaner Volksleben gemalt, die als »Murillosche Gassenjungen« bekannt sind (Hauptbilder in der Münchener Pinakothek, im Louvre zu Paris, in der Nationalgalerie zu London, in der Eremitage zu Petersburg und im Museum zu Madrid). Buben und Mädchen sind beim Essen, Würfeln und Geldzählen oder beim Verkauf von Eßwaren und Blumen dargestellt. Von den übrigen Werken Murillos sind noch zu nennen: Rebekka und Elieser und der Unterricht der kleinen Maria (im Museum zu Madrid), die Madonnen in der Galerie zu Dresden, im Palazzo Pitti zu Florenz, im Palazzo Corsini zu Rom und in den Museen zu Sevilla und Madrid, die heil. Familie und der kleine Jesus und der kleine Johannes im Museum zu Madrid, die Vision des heil. Antonius (im Berliner Museum), der heil. Rodriguez (in der Dresdener Galerie), der heil. Juan de Dios, einen Lahmen heilend (in der Münchener Pinakothek), die Madonna, dem heil. Bernard von Clairvaux in seiner Zelle erscheinend (im Museum zu Madrid). M. hat auch Landschaften und Bildnisse gemalt. Vgl. Tubino, M., su epoca, su vida, sus cuadros (Sevilla 1864); Lücke in Dohmes »Kunst und Künstler«, Bd. 3 (Leipz. 1880); Curtis, Velazquez and M. (Lond. 1883); L. Alfonso, M., el hombre, el artista, las obras (Barcelona 1886); Lefort, M. et ses élèves, suivi du catalogue de ses principaux ouvrages (Par. 1892); Justi, Murillo (Leipz. 1892, 2. Aufl. 1904); Knackfuß, Murillo (2. Aufl., Bielef. 1896).

2) Juan Bravo-M., span. Staatsmann (s. Gonzalez Bravo-Murillo).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 286-287.
Lizenz:
Faksimiles:
286 | 287
Kategorien: