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Graphische Ausgleichungen

[609] Graphische Ausgleichungen beim trigonometrischen Einschneiden. Bei den Punktbestimmungen der Kleintriangulierung (s. Triangulierung) kann in manchen Fällen an Stelle der Ausgleichung der Richtungsfehler nach der Methode der kleinsten Quadrate mit Vorteil eine graphische Ausgleichung zur Anwendung kommen. Das Prinzip dieser Ausgleichungen ist das folgende: Wegen der unvermeidlichen Fehler der besti mm enden Richtungen und gegebenen Punkte schneiden sich die zur Bestimmung eines trigonometrischen Punktes gemessenen Richtungen nicht in einem einzigen Punkte, sondern verfehlen denselben um gewisse Beträge, so daß an Stelle eines Schnittpunktes eine durch die Richtungslinien gebildete »Schnittfigur«, eine »fehlerzeigende Figur«, entsteht (vgl. die Figur).

Die Aufgabe besteht nun darin: 1. die fehlerzeigende Figur graphisch darzustellen, 2. in derselben die endgültige Punktlage so zu bestimmen, daß die Quadratsumme der Richtungsverbesserungen wie bei der Ausgleichung nach der Methode der kleinsten Quadrate ein Minimum wird.

1. Die Konstruktion der fehlerzeigenden Figur. Der einfachste Fall liegt vor bei der Punktbestimmung durch Vorwärtseinschneiden (s.d.) aus »äußeren« Richtungen φ (s.d.). Je zwei Schnitte dieser Richtungen mit passend gewählten Koordinatenlinien (sogenannte Achsenschnitte) bestimmen die Lage einer jeden Richtung. Je nach der Richtung des Strahles können Schnittpunkte mit zwei Abszissen- oder zwei Ordinaten- oder je einer Abszissen- und Ordinatenlinie gewählt werden. Zur Bestimmung solcher Schnittpunkte, z.B. 1–1'' für den Strahl 1, 2–2' für den Strahl 2, dient die Gleichung tg φ = (ηyn) : (y – Xn), worin yx die in der Nähe des Punktortes auf Grund einer vorläufigen Berechnung (sogenannter »genäherter« Koordinaten) passend angenommenen Koordinatenwerte und yn xn die Koordinaten der gegebenen Punkte bedeuten.

Wird von einem bestimmten sogenannten genäherten Punktort η0 η0 ausgegangen, z.B. 0, so können die beobachteten Richtungen, z.B. 3, von diesem Punkte aus mit Hilfe eines geteilten Kreises (welcher auf dem für die Herstellung der Schnittzeichnung benutzten Schema gleich aufgezeichnet sein kann [1]) aufgetragen werden, so daß zur Auszeichnung der Richtung die Berechnung des Schnittpunktes mit einer Achsenrichtung y oder x, z.B. 3, genügt. Die Richtung wird dann durch diesen Schnittpunkt 3 parallel zu der vom Kreis entnommenen Richtung ausgezogen, wodurch die Konstruktion erleichtert wird. Vgl. [1] und [2], ebenda zweckmäßige Schnittformulare.

Man kann bei der Konstruktion auch ausgehen von den Abweichungen f des beobachteten Richtungssystems y von dem auf den genäherten Koordinatenort y0x0 bezogenen n, wobei f = n – φ ist. Dabei werden zunächst vom Zentrum y0 x0 aus die Richtungen φ nach der Kreisteilung aufgezeichnet, sodann nach Absetzen der rechtwinkligen Abstände h = fs : ρ oder deren auf die Achsen yx bezogenen Projektionen h : cos φ bezw. h : sin φ die Strahlen gezogen, z.B. 4 (s bedeutet die Strahlenlänge). Dieses letztere Verfahren ist einzuschlagen, wenn nur »innere« Richtungen (s.d.) vorhanden sind, d.h. der Fall des »Rückwärtseinschneidens« (s.d.) vorliegt, wobei zunächst die Abweichungen f von dem gemeinschaftlichen Orientierungsfehler des Systems zu befreien sind, das graphische Verfahren aber weniger korrekt und nur für untergeordnete Punkte empfehlenswert ist. Nach [1] ist hierfür die graphische Ausgleichung nicht zulässig. Bei der Ableitung der Querabstände h oder den entsprechenden d y und d x können wieder tabellarische oder graphische Hilfsmittel verwendet, wie sie z.B. auch für die Richtungskoeffizienten bei der Ausgleichung nach der Methode der kleinsten Quadrate benutzt werden, vgl. [3], Bd. 1, 5. Aufl., 1904, § 88.[609]

Beim »kombinierten Einschneiden« (s. Triangulierung) aus »inneren« und äußeren, Richtungen ist es am bellen, die »inneren« Richtungen durch die »äußeren« im Koordinatensystem zu orientieren, wozu erforderlich wird, daß die Anzahl der doppelt beobachteten Richtungen eine genügende ist [1] und [2 a].

Ein älteres Verfahren, schon etwa um 1815 in Baden von dem Obersten Tulla eingeführt und seitdem angewendet (sogenannter Badischer Ausgleich), geht bei der Konstruktion der Schnittfigur aus von den Unterschieden der aus verschiedenen Dreiecken berechneten Seitenlängen, wobei dann die Schnittfigur nicht von vornherein im Koordinatensystem orientiert ist [3]. Die Austragung der Schnittfigur nach gemessenen Winkeln wird gezeigt in [3], 6. Aufl., 1904, S. 373.

2. Die Ableitung der endgültigen Punktlage P in der Schnittfigur geschieht am einfachsten durch Schätzung (eine Erleichterung gewährt dabei die Zusammenfassung annähernd gleichlaufender Richtungen zu einer). Wenn, wie es in einem rationell angelegten trigonometrischen Netze der Fall sein soll, die Strahlenlängen ungefähr gleich oder doch die Abweichungen nicht zu erheblich sind, können alle Richtungen als gleichgewichtig behandelt werden; wenn dies nicht der Fall ist, müssen die Strahlengewichte entsprechend berücksichtigt werden, vgl. [1]–[3]. (Es genügt übrigens eine ganz summarische Berücksichtigung der Gewichtsverhältnisse.) An Stelle der unmittelbaren Schätzung kann auch eine analytische Ableitung der Punktlage treten, für welche verschiedene Verfahren zur Anwendung kommen.

Man kann ausgehen von einem aus der Schnittfigur ohne weiteres zu entnehmenden (oder durch arithmetische Mittelbildung gewonnenen) Punktort, dann in diesem Punkte Parallele (x) (y) zu den Koordinatenachsen ziehen und das arithmetische Mittel der Achsenschnitte unter Berücksichtigung der Strahlen- und Achsenschnittpunktgewichte ableiten [4]; oder man kann ausgehen von den durch die Strahlenschnitte bestimmten Punktorten (z.B. S1 2 = Schnitt von Richtung 1 und 2) und das arithmetische Mittel aller Schnitte mit oder eventuell ohne Berücksichtigung der Gewichte der Strahlenschnitte (Schnittwinkel und Strahlenlänge) bestimmen [2]. – Ein sehr elegantes Verfahren ist das von Bertot angegebene [5], auf das Helmert [6] aufmerksam macht und welches in der preußischen Vermessungsanweisung [1] eingeführt wurde. Das Verfahren beruht auf der Theorie der Trägheitsmomente und bestimmt den Punktort P in Uebereinstimmung mit der Methode der kleinsten Quadrate als Schwerpunkt des Systems der Fußpunkte der auf die Strahlen bezogenen Normalen (n) [1], [2 a], [3], 3. Aufl., 1888, vgl. a. [7]–[14]. Ueber graphische Ausgleichung bei Meßtischaufnahmen s.d. Eine neue Methode der mechanischen Ausgleichung, bei der die Richtungen durch elastische Nadeln dargestellt werden, behandelt Fischer in [15], vgl. a. [16].


Literatur: [1] IX. Anweisung für die trigonometrischen und polygonometrischen Arbeiten bei Erneuerung der Karten und Bücher des Grundsteuerkatasters, Berlin 1894. – [2] Gauß, F.G., Die trigonometrischen und polygonometrischen Rechnungen in der Feldmeßkunst, 1. Aufl., Berlin 1876, und [2a], 2. Aufl., Halle 1893. – [3] Jordan, Handbuch der Vermessungskunde, Stuttgart 1877, 2. Aufl., Bd. 1, S. 385, vgl. a. 3. Aufl., 1888, Bd. 2, S. 268, und 6. Aufl., 1904, Bd. 2, S. 366. – [4] Franke, Die Grundlehren der trigonometrischen Vermessung, Leipzig 1879, S. 242. – [5] Compt. rend. des séances de l'acad. des sciences, Bd. 82, 1876. – [6] Zeitschr. f. Vermessungsw. 1877, S. 53. – [7] Helmert, Zeitschr. f. Mathem. u. Physik 1868. – [8] Klingatsch, Die graphische Ausgleichung bei der trigonometrischen Punktbestimmung, Wien 1894. – [9] Gengl, Beiträge zur graphischen Ausgleichung, Vierteljahrsschrift der Naturforsch. Gesellschaft, Zürich 1886. – [10] Puller, Zeitschr. f. Vermessungsw. 1895, S. 553. – [11] Ebend. 1892, S. 618, Notiz über D'Ocagne, Compt. rend., Bd. 111. – [12] Hammer, Zeitschr. f. Vermessungsw. 1896, S. 611. – [13] Runge, ebend. 1900, S. 581. – [14] Instruktion zur Ausführung der trigonometrischen und polygonometrischen Vermessungen behufs Herstellung neuer Pläne für die Zwecke des Grundsteuerkatasters, Wien 1896, S. 126. – [15] Zeitschr. f. Vermessungsw. 1899, S. 55, Verfahren zur Ausgleichung von Beobachtungsgrößen auf mechanischem Wege und Anwendung auf Ausgleichung nach der Methode der kleinsten Quadrate, und ebend., S. 655, Fehlerausgleichung auf mechanischem Wege. – [16] Hohenner, Graphischmechanische Ausgleichung trigonometrisch eingeschalteter Punkte, Stuttgart 1904.

Reinhertz.

Graphische Ausgleichungen
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 609-610.
Lizenz:
Faksimiles:
609 | 610
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