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Idee

[278] Idee (gr. idea, eidos) heißt eigtl. Bild, Gestalt, Anblick, dann Art, Gattung. Platon (427-347), welcher diesen Begriff zuerst in die Philosophie eingeführt hat, versteht darunter das bestimmte Wesen oder das Was der Dinge oder das, was jedes Ding an sich ist, also das Allgemeine und wahrhaft Wirkliche im Gegensatz zu dem sinnlich erscheinenden Einzelnen, das Eine, sich selbst Gleichbleibende im Mannigfaltigen. In der Idee Platons liegt zweierlei verbunden: 1. der Allgemeinbegriff, 2. das substanzielle Dasein, und diese zwei Bestandteile erschöpfen, consequent ausgedacht, den Begriff der Idee Platons. Als einfaches, für sich seiendes, selbständiges, vollkommenes, unkörperliches und unräumliches Wesen beharrt jede Idee unveränderlich im Wechsel der Erscheinungen. Als lebendige Kräfte sind die Ideen die ewigen Musterbilder, deren Abbilder die sinnlichen Einzeldinge sind. Es gibt so viele Ideen, als es Gattungen und Arten von Dingen gibt, die unscheinbarsten, ja schlechtesten nicht ausgenommen. Alle aber werden durch die Idee des Guten beherrscht. Wie die Sonne in der sichtbaren Welt, so ist in der übersinnlichen das Gute die Quelle alles Seins und Wissens, des Erkennbaren wie des Erkennens selbst; und wie die Sonne höher ist als Licht und Auge, so ist das Gute höher als Sein und Wissen, die Idee des Guten ist Ursache alles Seins und Wissens, ist die göttliche Vernunft selbst. Zu seiner Ideenlehre ist Platon außer durch den Einfluß der orphischen Mysterien und der pythagoreischen Philosophie dadurch gekommen, daß er die Lehre des Herakleitos vom Wechsel der Dinge und die Lehre der Eleaten vom unveränderlichen Sein miteinander verband (Theaetet). Die Gegenstände der Erfahrung zeigen stetige Veränderung, Verwirrung und beständiges Schwanken. Während wir noch von einer Erfahrungsvorstellung sprechen, verschwindet sie und weicht einer anderen entgegengesetzten; die Dinge der Wahrnehmung besitzen also keine Realität. Dagegen sind die allgemeinen Begriffe, durch die wir das Wahrgenommene denken, nicht der Veränderung und Verwirrung unterworfen. Diese allgemeinen Begriffe sind also das Reale. – Andrerseits ist Platon auch von der Sokratischen Philosophie aus zur Ideenlehre gekommen. Sokrates hatte die Frage angeregt: »Wie ist das [278] Wissen möglich?« (Parmenides, Republik.) Er antwortete: »Nur durch allgemeine Begriffe.« Platon steigt nun die Frage auf: »Ist durch das Wissen eine Beziehung zum Sein gegeben? Wie verhält sich der allgemeine Begriff zur Realität?« Darauf antwortet Platon: »Es kann der allgemeine Begriff kein Wissen enthalten, wenn sein Gegenstand nicht etwas Reales wäre. Er muß ein noêma tou ontos und nicht tou mê ontos (des Seienden und nicht des Nicht-Seienden) sein. Die Ideen (eidê) sind also real.« Eidos (allgemeiner Begriff) und Ousia (substanzielles Dasein) sind hiernach der Kern der Ideen. Vgl. Th. Achelis, Platons Metaphysik, 1873. S. Ribbing, Genet. Darst. d. platon. Ideenlehre, 1863. Vgl. Nous.

In der englischen und französischen Philosophie bedeutet Idee nur s. a. Vorstellung oder Begriff im Gegensatz zur Wahrnehmung. Die Wahrnehmungen sind das Erste Ursprüngliche, die Ideen haben nur eine sekundäre, abgeleitete Existenz. – In der deutschen Philosophie dagegen bedeutet Idee seit Kant Gedanke, abschließender, metaphysischer Vernunftbegriff, im Unterschied von den sinnlichen Anschauungen und Verstandesbegriffen (Kategorien). Eine Idee ist nach Kant (1724-1804) ein notwendiger Vernunftbegriff von der durchgängigen Einheit der Verstanderbegriffe, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt, dem also »kein kongruierender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann«. (Krit. d. r. Vom. S. 327.) Da die Vernunft nach Kant sowohl theoretisch als praktisch ist, so unterscheidet er den theoretischen und praktischen Gebrauch der Ideen. In jenem sollen die Ideen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit sich nicht rechtfertigen lassen, in diesem aber ihre Rechtfertigung finden. – J. G. Fichte (1762-1814) definiert die Idee als einen selbständigen, in sich lebendigen und die Materie belebenden Gedanken, als dessen Ausflüsse er die schöne Kunst, die soziale Tugend, die Wissenschaft und die Religion betrachtet. – Bei Hegel (1770-1831) ist die logische Idee oder der adäquate Begriff, in welchem die Objektivität der Subjektivität gleich ist, oder das Dasein dem Begriff als solchen entspricht, der Grundgedanke des gesamten Systems. Aus ihrer Selbstentwicklung geht das ganze Dasein, Gedanke, Natur und Geist hervor. Hegel nähert sich daher am meisten Platon, hat aber den ethischen Gesichtspunkt der Ideenlehre Kants aufgegeben. – Über fixe Ideen, s. d. und Monomanie.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 278-279.
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