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Norwegen

Schweden, Norwegen und Dänemark I. (Karten)
Schweden, Norwegen und Dänemark I. (Karten)
1259. Norwegen.
1259. Norwegen.
Flaggen.
Flaggen.

[286] Norwegen, dän., norweg. und schwed. Norge, das westl. Königreich der Skandinavischen Halbinsel [Karte: Schweden, Norwegen und Dänemark I, bei Skandinavien], 321.477 qkm, (1900) 2.240.032 E., große, durch tief eingeschnittene Meeresbuchten (Fjorde) gegliederte Hochgebirgsmasse (Mittelhöhe 490 m, höchste Erhebung der Galdhöpiggen 2560 m) mit zahlreichen Seen (insgesamt 7694 qkm) und Flüssen (Glommen 567 km lg.), voller unbewohnbarer Fels- und Schneewüsten (240.000 qkm); Klima durch die Westwinde und Meeresströmungen feucht und gemäßigt mit milden Wintern und kühlen Sommern. Gewerbe. Der Ackerbau, etwa von der Hälfte der Bevölkerung betrieben, deckt nicht den Bedarf [s. auch Beilage: Getreide]; zunehmende Viehzucht; gewinnreich die Forstwirtschaft (68.200 qkm) und die Jagd auf Pelztiere, Seehunde, Walrosse, Eidergänse u.a.; wichtiger Erwerbszweig die Fischerei, bes. Hochseefischerei auf Kabeljau (Dorsch) und Hering, hauptsächlich zwischen den Lofoten und dem Festlande im Westfjord, dem besten Fischplatz Europas (20-30.000 Fischer); es sind jährlich etwa 100.000 Personen mit der Fischerei auf Kabeljau (Dorsch) und Hering beschäftigt; Fischereiertrag jährlich im ganzen ca. 30 Mill. Kronen. Industrie unbedeutend, erwähnenswert Holz-, Textil- und Metallindustrie, Papiermühlen und Sägewerke; Bergbau (auf Eisen, Silber, Kobalt, Kupfer und Chrom) wenig ergiebig; Handel durch gute Landungsplätze gefördert; s. Beilagen: Europa und Handel und Handelsmarine; Schiffsverkehr im Eingang (1904) 11.966 Schiffe mit 3.951.960 Registertons. Wichtige Handelsstädte: Kristiania, Bergen, Drammen, Stavanger, Kristiansand, Frederiksstad; Eisenbahnen (meist Staatsbahnen) (1905) 2490 km [s. auch Beilage: Eisenbahnen]; Staatstelegraphenlinien (1904) 9735 km. Die Bevölkerung, außer 18.475 seßhaften und 1202 nomadischen Lappen sowie 7777 Kvänen (Finnen), nordgerman. Stammes; größenteils Lutheraner mit bischöfl. Verfassung, 1969 Römisch-Katholische, 642 Israeliten; Universität zu Kristiania; verbreitete Schulbildung, in den entlegenen, dünn bevölkerten Gegenden Wanderschulen. [S. auch Beilagen: Berufs- und Gewerbestatistik und Auswanderung.]

Die Verfassung von Eidsvold (4. Nov. 1814, geändert 7. Juni 1905) trägt unter monarchischer Form demokrat. Charakter mit fast republikanischer Regierungsweise, doch unter faktischer Anerkennung der Aristokratie des bäuerlichen Besitzes; verfassungsgemäß ist N. ein Königreich, das bis 1905 mit Schweden durch Realunion verbunden war. Gesetzgebung durch den Storthing (117 indirekt gewählte Mitglieder) und den König (mit beschränktem Veto), Besteuerung durch den Storthing allein; oberste Regierungsbehörde der Staatsrat, bestehend aus 10 Ministern etc., unter ihm 20 Amtmänner, Vorsteher der 20 Ämter; Einteilung in die beiden Städte Kristiania und Bergen und 18 Ämter; höchstes Gericht in der Hauptstadt Kristiania. Finanzen s. Beilage: Finanzen. Wappen im roten Felde ein goldener aufgerichteter Löwe mit der Hellebarde des heil. Olaf [Abb. 1259]; Flagge rot mit blauem Kreuz [Tafel: Flaggen]. Heerwesen. Seit 1885 besteht allgemeine Wehrpflicht vom 23. Jahre an, in der aktiven Armee und in der Landwehr je 6, im Landsturm 4 Jahre. Die Dienstzeit im ersten Jahre (Rekrutenschule) beträgt 18 (Train), 48 (Infanterie und schwere Artillerie), 60 (Gebirgsartillerie), 72 (Genie), 92 (Feldartillerie) und 102 (Kavallerie) Tage. Jeder waffenfähige Mann gehört vom 18. bis 50. Lebensjahre zum territorialen Landsturm. Gliederung im Frieden: 5 Infanteriebrigaden zu 4 Korps mit 12 Bataillonen der 3 Aufgebote (stehendes Heer, Landwehr, [286] Landsturm), 1 Garde- und 2 Kompanien Radfahrer; 3 Korps leichter Kavallerie (2 Eskadrons), 1 Abteilung Mitrailleusen (4 Geschütze) für jede Brigade, Garde, für die nördl. Gegenden und für das Kavalleriekorps, 3 Feldartilleriekorps mit 27 Batterien und 1 Parkkompanie, 2 Gebirgs-, 1 Positionsbatterie, 6 Festungsartilleriebataillone, Telegraphentruppen, Mineure, Sappeure etc. Die gesamte Friedensstärke der Linie und Landwehr erhöht sich zeitweilig bis auf 25-35.000 Mann; die Kriegsstärke soll 50.000, die des Landsturms wenigstens 20.000 Mann sein. Die Infanterie führt das 6,5 mm-Magazingewehr Krag-Jörgensen, die Artillerie 8,4 cm-Hinterladegeschütze. Die Marine zählt je 4 kleine Panzerschiffe und -monitore, 11 Kanonenboote, 34 Torpedofahrzeuge.

Geschichte. N. s Urgeschichte ist durchaus sagenhaft: die Bewohner (Normannen, s.d.) kamen durch ihre Seezüge (Wikingsfahrten) mit dem übrigen Europa in Berührung. Olaf I. führte gegen Ende des 10. Jahrh. das Christentum ein. Olaf II. wurde 1028 durch Knut von Dänemark vertrieben. Die dän. Herrschaft endete 1035, und N. blieb unter einheimischen Königen bis 1319, wo der Mannsstamm derselben mit Hakon V. ausstarb und dessen Tochtersohn, der schwed. König Magnus Erikssohn, gewählt ward. Derselbe trat N. an seinen Sohn Hakon VI. ab, dem 1380 sein Sohn Olaf V. folgte. Als dieser 1387 starb, vereinigte seine Mutter, die dän. Prinzessin Margarete, in der Kalmarischen Union 1397 die Kronen von N., Dänemark und Schweden. Letzteres trennte sich 1523 für immer, während N. mit Dänemark vereinigt blieb, bis es 1814 an Schweden abgetreten wurde; es unterwarf sich aber nur nach der Gewährung der Verfassung vom 4. Nov. 1814, die es seitdem gegen alle Unionsbestrebungen wahrte. Ein langjähriger Verfassungskonflikt wegen der Teilnahme der Minister an den Storthingsverhandlungen endete 1884 mit Versetzung des gesamten konservativen Ministeriums Selmer in Anklagezustand und Verurteilung zu Amtsentsetzung, worauf der radikale Sverdrup ein Ministerium bildete, das aber 1889 einem konservativen weichen mußte. 1891 erlangte die radikale Partei wieder die Mehrheit, 1897 sogar die Zweidrittelmehrheit, und arbeitete unentwegt auf die Trennung von Schweden hin. Das gemäßigte Ministerium Stang und Hagerup (1892-98) wurde durch den Radikalen Steen (bis 1902) ersetzt. Dieser setzte 1898 die Einführung des allgemeinen direkten Stimmrechts und der reinen Flagge durch. Unter dem Ministerium Hagerup (1903 bis 1. März 1905) neuer Konflikt mit Schweden, der unter dem Ministerium Michelsen 7. Juni 1905 zur Auflösung der Union führte, durch Volksabstimmung 13. Aug. bestätigt. Eine weitere Volksabstimmung entschied 13. Nov. für Beibehaltung der Monarchie; darauf 18. Nov. Prinz Karl von Dänemark (als König von N. Hakon VII.) zum König gewählt. – Vgl. Helland (norweg., 1884 fg. u. 1893), Vibe (norweg., 1893 fg.), Magnus (norweg., Bd. 1, 1898), Ruge (1899; 2. Aufl. von Nielsen 1905), »La Norvège« (1900), Deckert u.a. (Seefischerei; 1901); zur Geschichte Munch (norweg., 8 Bde., 1852-63; deutsch 1853-54), Sars (norweg., 4 Bde., 1873-91), Överland (norweg., 5 Bde., 1888-97).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 286-287.
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