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Grafen

[258] Grafen heißt gegenwärtig ein Theil des hohen Adels in Deutschland und in andern Ländern. Ursprünglich bezeichnet das Wort aber einen Richter, der in einem gewissen District (s. Gau), anfänglich vom Volke, später vom Könige eingesetzt, Recht sprach. Man leitet das Wort von Grau ab, weil durch Erfahrung und Alter ehrwürdige Männer zu dem Amte eines Richters berufen worden wären, richtiger aber von Gerefa, d.h. Einnehmer, Richter. Die Grafen waren seit Karl dem Großen kön. Beamte, welchen sowol die Rechtspflege, als die Aufrechthaltung der kön. Gerechtsame, und die Einziehung der kön. Gefälle anvertraut war. Je nach dem ihnen vorzugsweise überwiesenen Wirkungskreise erhielten sie verschiedene Namen. Die Pfalzgrafen hatten zu entscheiden, ob sich ein Rechtshandel eigne, dem Könige selbst zur Entscheidung vorgelegt zu werden; sie bewohnten die kön. Schlösser, Pfalzen genannt; die Markgrafen hüteten die Grenzen (Marken); Landgrafen waren größern Gebieten im Innern des Reichs vorgesetzt. Sonst gab es noch Burggrafen, Zentgrafen, Dinggrafen (von Ding, Gericht), Wicgrafen (von vicus, Dorf), Holz-, Stall-, Lehn-, Deich-, Salzgrafen. Sendgrafen wurden von den Königen außerordentlich abgeschickt, um an ihrer Stelle Gericht zu halten und darauf zu sehen, daß die Grafen ihres Amtes nach Gerechtigkeit walteten. Die Macht der Grafen wurde allmälig erblich und ihre Amtspflichten wurden endlich nicht mehr als Aufträge des Königs, sondern als Gerechtsame von ihnen verwaltet; und als im 12. Jahrh. die Gauverfassung abkam, behielten die Grafen ihre Titel und die Gerichtsbarkeit in ihren Besitzungen. Auch die kön. Gerechtsame auf Zoll- und Geleitseinnahme, namentlich die Forst- und Jagdgerechtigkeit (Wildbann) und das Recht über Leben und Tod (Blutbann oder Cent) gingen auf sie über und wurden daher Grafenbanne genannt. So wurden viele Grafen zu selbständigen Herren, einzelne unter ihnen erhielten den Fürsten- und Herzogstitel und die übrigen nahmen als Reichsgrafen Theil am Reichstage. Im Fürstenrathe stimmten sie jedoch nicht einzeln (Virilstimme), sondern zu Classen oder Körperschaft (Curialstimme). Zuerst entstanden zwei Grafenbänke auf den Reichsversammlungen: die wetterausche und die schwäb., zu denen später noch die fränk. und die westfäl. kamen. Mit dem deutschen Reiche hörte die Landeshoheit der Grafen auf und sie behielten nur Titel und Ehrenvorrechte. (Vergl. Großbritannien.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 258.
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