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Byron

Byron

[357] Byron (Georg Noël Gordon, Lord), der kühnste und berühmteste engl. Dichter der neuesten Zeit, geb. zu Dover am 22 Jan. 1788, ein Enkel des als Weltumsegler bekannten und 1786 gestorbenen engl. Admirals John B., dessen einziger Sohn, John B., mit dem Beinamen »der tolle Jack«, des Dichters Vater war.

Er hatte sich in zweiter Ehe mit der reichen schot. Miß Gordon vermählt, wodurch die seit dem 11. Jahrh. blühende Familie B. mit dem schot. Königshause verwandt wurde und wovon B. den Namen Gordon führte, verließ aber Frau und Kind, nachdem er deren Vermögen verpraßt und starb 1791 im Auslande. Von geringen Einkünften ward der junge B. in Schottland durch seine Mutter bis ins 10. Jahr erzogen, wo er nach seines Großoheims Ableben den Lordstitel und die Stammgüter seines Hauses erbte und nun unter Vormundschaft des Grafen Carlisle auf einer gelehrten Schule, und seit 1805 auf der Universität Cambridge seine weitere Ausbildung empfing. Von da ging er nach London, stürzte sich, von Gram über eine getäuschte Liebe getrieben, in Gesundheit und Vermögen aufreibende Zerstreuungen und lebte später bis zu seiner Mündigkeit (1809) einsam auf seinem Stammsitze Newstead Abbey im Sinne seines Wahlspruchs: »Anders als die Andern«. Begabt mit allen seltenen Eigenschaften, welche den erhabensten Aufschwung des Dichters begünstigen, drängte sein Geist ihn früh zum eignen Schaffen, allein B. vernichtete die meisten dieser Erstlinge und ließ erst 1807 ein Bändchen Gedichte, »Mußestunden«, erscheinen, in denen noch keine Spur jener düstern, menschenfeindlichen Richtung zu finden ist, der später sein Genius nur zu oft huldigte. Eine theilweise ungerechte Beurtheilung in der kritischen Zeitung von Edinburg erwiederte der tief Gekränkte mit der beißenden Satire »engl. Barden und schot. Kritiker« und verließ dann England 1809, um eine Reise durch Spanien, Portugal, Griechenland und die Türkei anzutreten, während der er unter Anderm den Hellespont durchschwamm.

Man fing an ihn zu vergessen, als er 1811 nach England zurückkehrte und durch Herausgabe der ersten Gesänge seines »Childe Harold« sich plötzlich neben die ersten engl. Dichter stellte. Wie überhaupt Leben und Persönlichkeit B.'s mit dem Inhalte und Geiste seiner Dichtungen eng verschmolzen sind, so ist auch in diesem, von ihm selbst als das gedankenreichste und umfassendste seiner Werke bezeichneten Gedicht, jener abenteuerliche Pilger, welcher den Träger der Ansichten und Urtheile abgibt, ein treues Portrait des Verfassers. Rasch hintereinander erschien nun von 1813–15 eine ganze Reihe Gedichte, »Der Giaur«, »Der Corsar«, [357] »Die Belagerung von Korinth«, »Die Braut von Abydos«, »Lara«, alle im morgenländ. Charakter und in dem Geiste des Volkes, mit dem B. auf den Inseln des Mittelmeeres verkehrt hatte. Die Folgen seiner 1815 mit einer ihres beneideten Glückes in jeder Hinsicht würdigen Lady gefeierten Vermählung waren aber nicht so glücklich, wie seine Freunde gehofft hatten, und schon im folgenden Jahre wurde diese Ehe, aus der eine Tochter hervorgegangen war, wieder getrennt, wozu B.'s zerrüttete Vermögensumstände wol viel beitrugen. Seitdem lebte B. außerhalb England, 1816 einige Zeit in der Schweiz, später in Venedig, von wo er täglich nach dem Festlande überschiffte, um wilde Pferde zu reiten, was er leidenschaftlich liebte. Außer andern Orten in Italien hielt sich B. in Rom und Ravenna auf, wo er in vertraute Beziehungen zu der schönen Gräfin Guiccioli trat und als deren Vater und Bruder wegen carbonarischer Umtriebe von dort verbannt wurden, sich der ganzen Familie derselben annahm und mit ihr nach Pisa, endlich nach Genua ging. Von da schiffte er sich im Jul. 1823 mit mehren Freunden nach Griechenland ein, um dem Freiheitskampfe seiner Bewohner Gut und Blut zu widmen. Noch ehe er in Missolunghi anlangte, überschickte er der griech. Regierung 12,000 Pf. Sterl. zur Unterstützung jenes Platzes und nahm nach seiner Ankunft sogleich 500 Sulioten in seinen Sold. Bald aber fand er mit diesen zuchtlosen Söldnern und bei der Uneinigkeit der griech. Häuptlinge, seine schönsten Entwürfe unausführbar und der Kummer darüber warf ihn aufs Krankenlager. Ein Spazierritt, den der kaum Genesene bei Regenwetter unternahm, zog ihm ein Entzündungsfieber zu, das ihn am 19. Apr. 1824 in Missolunghi hinraffte. B. wurde 21 Tage von Griechenland betrauert und sein Herz in Missolunghi aufbewahrt, sein Leichnam aber nach England gebracht und in Newstead Abbey beigesetzt. Ehe ihn aber der Tod ereilte, hatte er noch »Childe Harold« vollendet, in Italien seinen »Don Juan« geschrieben, den man seiner zügellosen Leichtfertigkeit wegen verurtheilt, aber nichtsdestoweniger zu den genialsten Werken des Dichters zählt, und außerdem noch eine Reihe erzählende, dramatische und andere Dichtungen geliefert, von denen mehre deutsche Übersetzungen erschienen. Alle sind in einer hinreißenden, fließenden Sprache geschrieben und beurkunden B.'s unerschöpfliche, außerordentlich kühne Phantasie, der nur unbetretene Wege genügten, freilich ohne zu berücksichtigen, ob sie zum Himmel oder zur Hölle führen; seinen dramatischen Dichtungen aber fehlt das schnelle Fortschreiten der Handlung, daher sie sich nicht zur Aufführung eignen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 357-358.
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