[1283] Hören, verb. reg. act. welches in einer doppelten Hauptbedeutung gebraucht wird.
I. Einen Schall zu empfinden suchen, vermittelst des Gehöres zu empfinden bemühet seyn; wo es oft absolute steht und die Gestalt eines Neutrius hat. 1. Eigentlich. Es donnert, hören sie einmahl, d.i. hören sie auf. An der Thüre stehen und hören, wo doch zuhören, oder horchen üblicher sind. Wenn die Sache ausgedruckt wird, so bekommt sie das Vorwort auf. Ich habe nicht darauf gehört. Keine Schmeicheleyen, ich höre nicht darauf, Weiße. 2. In weiterer Bedeutung, 1) Durch das Gehör, vermittelst der gehörten Worte eine Vorstellung, einen deutlichen Begriff zu erhalten suchen. Man höre nur, was das für eine boßhafte Antwort ist. Je nu, hören sie nur, die Sache ist wahr, Weiße. Wo es in der vertraulichen Sprechart oft eine bloße Formel ist, die Aufmerksamkeit eines andern zu erregen. 2) Durch das Gehör zu erfahren suchen, in der vertraulichen Sprechart. Ich will hören, ob er zu Hause ist, ich will mich erkundigen. Wir wollen hören, was er sagen wird. Ich muß doch hören, wer es ist, Gell.
II. Einen Schall wirklich durch das Gehör empfinden. 1. Eigentlich, wo es gleichfalls oft absolute und in Gestalt eines Neutrius stehet. Er höret gar nicht mehr, kann nicht mehr hören. Hart hören, schwer hören, übel hören, gut hören, scharf hören. Er höret nicht wohl. Du hörst so scharf als sie, Haged. Wenn die Sache, welche man durch das Gehör empfindet, durch ein Nennwort ausgedruckt wird, so stehet dasselbe in der vierten Endung. Hören sie was? Ich höre nichts. Einen schwachen Laut, einen dumpfen Schall, einen Knall hören. Sprichw. Man muß sehr viel hören, ehe ein Ohr abfällt. Ich habe es mit meinen Ohren gehöret, eine im gemeinen Leben übliche nachdrückliche Versicherung. Wird die Sache vermittelst eines Zeitwortes ausgedruckt, so bekommt dasselbe wohl auch zuweilen das Bindewort daß; ich höre, daß[1283] der Wind brauset, wir hörten, daß geschossen wurde. Allein es stehet in dieser eigentlichen Bedeutung doch am häufigsten im Infinitiv, nach dem Muster der Zeitwörter dürfen, heißen, finden, sehen, wollen, müssen, sollen, helfen u.s.f. Ich höre ihn rufen, ich höre daß er rufet. Ich höre niemanden reden. Ich hörte dich singen. Er hörte sich singen. Er hörte mich kommen. Moses hörte die Stimme mit ihm reden, 4 Mos. 7, 89. Wo denn auch dieser thätige Infinitiv stehen bleibet, wenn gleich der Verstand einen leidentlichen erfordert. Ich höre dich rufen, kann heißen, ich höre daß du rufst, und daß du gerufen wirst. Ich höre deinen Nahmen nennen, daß dein Nahme genannt wird. Er hört sich gerne loben. Kannst du dich einen Engel nennen hören, ohne zu erröthen? Dusch. Weil aber diese Art des Ausdruckes oft Zweydeutigkeiten macht, so vermeidet man sie lieber da, wo jene zu besorgen sind. In den zusammen gesetzten Zeiten des Zeitwortes hören, wird das Mittelwort gleichfalls in den Infinitiv verwandelt, der alsdann hinter den andern Infinitiv tritt. Ich habe ihn niemahls lachen hören, für lachen gehört. Wir haben es donnern hören. Wie? sie haben mich reden hören? Gell. Indessen gibt es auch hier Schriftsteller, welche statt hören, gehört gebrauchen, und einige Sprachlehrer halten so gar beydes für richtig. Keinen habe ich singen gehört, Gottsch. der doch in seiner Sprachkunst diese Form für unrichtig erkläret. In der einzigen R.A. etwas sagen hören, tritt hören von den andern Infinitiv, wenn es die Gestalt eines Hauptwortes bekommt; ich habe es von hören sagen, oder von Hörensagen. Oft wird auch der zu hören gehörige Infinitiv verschwiegen. Hören sie mich? nehmlich rufen, reden u.s.f. Man möchte uns hören, nehmlich reden. Ich habe dich gehört, schreyen. Auf eine besondere Art wird dieses Zeitwort, so wie sehen, mit lassen gebraucht, sein Daseyn andern durch das Gehör merklich machen. Was läßt sich da hören? Es läßt sich eine Stimme hören. Dort lässet sich die Taube girrend hören, Haged. Wo es oft allerley Nebenbegriffe bekommt. Sich auf der Violine hören lassen, auf der Violine spielen. Es hat sich ein Sänger hören lassen, hat seine Kunst im Singen gezeiget. Laß hören, laß dich oder deine Gedanken hören, sage her. Er läßt nichts von sich hören, d.i. man erfähret nichts von ihm.
O Thor, läßt Zeus sich zornig hören,
Gell.
d.i. spricht Zeus. Das läßt sich hören, das klingt gut, ist bündig. Die Gründe, welche er anführet, lassen sich hören, scheinen bündig zu seyn.
2. In engerer Bedeutung, durch die gehörten Worte Vorstellungen bekommen. 1) Für anhören. Man muß den andern Theil auch hören. Höre Gott meinen innigen Dank. Wir werden nicht gehöret, man höret uns nicht an. Lose Reden hören müssen. Sie verdammen mich, ohne mich gehöret zu haben. 2) Durch das Gehör erfahren, für sagen hören. Ich habe diese Nachricht schon gehöret. Sein Lob hört er gerne. Was höre ich? Ich habe schon etwas von weiten gehöret. Der Gegenstand, von welchem man etwas höret, bekommt das Vorwort von. Haben sie schon etwas von der Sache gehört? Ich habe noch nichts davon gehört. Das höre ich nicht gern von dir. Muß ich das von dir hören? Ich höre und sehe nichts von ihm. Ich mag nichts mehr von der Sache hören.
Ein Jüngling, welcher viel von einer Stadt gehört,
In der der Segen wohnen soll,
Gell.
Eben dieses Vorwort bekommt auch die Person, welche das Werkzeug dieser Art der Erfahrung ist, welches freylich oft Zweydeutigkeiten macht. Ich habe es schon von vieler gehört. Von[1284] wem hast du das gehört? Wenn die Sache, welche man auf solche Art erfähret, vermittelst eines Zeitwortes ausgedruckt wird, so bekommt selbiges das Bindewort daß. Ich höre, daß er nicht kommen wird, man sagt mir, daß u.s.f. Welches Bindewort auch ausgelassen werden kann. Ich höre, er wird nicht kommen; oder, wie ich höre, wird er nicht kommen; oder, er wird, wie ich höre, nicht kommen. Ich höre, du wirst verreisen. Der Gebrauch des bloßen Infinitivs ist in dieser Bedeutung nicht üblich, die einzige R.A. sage hören ausgenommen, wo aber hören die vorige eigentliche Bedeutung hat. 3. Figürlich. 1) Mit Einfluß auf den Willen hören, seine Handlungen nach eines andern Worten bestimmen. (a) Für erhören; eine in der Deutschen Bibel sehr häufige Bedeutung, welche auch noch in der biblischen Schreibart gebraucht wird. Gott höret das Gebeth, das Flehen der Gerechten. (b) Seine Handlungen nach dem Rathe, nach der Meinung eines andern bestimmen, für folgen. Ich rathe, ich ermahne ihn täglich, aber er will nicht hören. Wer nicht hören will, muß fühlen. In der Deutschen Bibel kommt diese Bedeutung gleichfalls sehr häufig vor. (c) Seine Handlungen nach den Befehlen eines andern bestimmten; noch zuweilen im gemeinen Leben, wofür in der anständigern Sprechart gehorchen üblicher ist, S. dasselbe. 2) * Eines Eigenthum seyn, ein Theil eines Ganzen seyn, in verschiedenen Betrachtungen; Nieders. hören. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung ganz veraltet, weil das verlängerte gehören dafür üblich ist, S. dasselbe. 3) * Erfordert werden, als eine Materie, als ein Mittel nöthig seyn; Nieders. hören. Auch diese Bedeutung ist veraltet, S. Gehören, welches dafür eingeführet worden. 4) * Dem Rechte, der Billigkeit, dem Wohlstande gemäß seyn; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher gehören an die Stelle dieses Zeitwortes getreten ist. Die Niedersachsen gebrauchen hier noch hören.
Anm. Das Hauptwort die Hörung kommt selten vor, vermuthlich weil das Zeitwort eigentlich ein Neutrum ist, welches erst in den spätern Zeiten als ein Activum gebraucht worden. Es lautet bey dem Kero horan, im Isidor chihoran, bey dem Ottfried und andern hören, im Nieders. gleichfalls hören, im Angels. hyran, im Engl. to hear, im Schwed. höra. Es ist mit Ohr, Lat. Auris, auf das genaueste verwandt. Ältere Mundarten haben statt des r ein s, eine sehr gewöhnliche Vertauschung, wie das hausjan bey dem Ulphilas, das Hebr. אוזן, osaen, hören, und das Griech. ους, das Ohr. Die ältesten Lateiner sagten für Auris gleichfalls Ausis, und in ihrem auscultare hat sich das alte s gleichfalls noch erhalten. Das Frequentativum oder vielmehr Intensivum von hören ist horchen. S. Ohr.
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