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Kein rechtsmissbräuchliches Verhalten durch Aufenthalt im Kirchenasyl
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Sucht ein Asylsuchender in Räumlichkeiten einer Kirchengemeinde Schutz, verhält er sich mit Blick auf ihm zustehende Leistungen nicht rechtsmissbräuchlich. Laut einer aktuellen Entscheidung des Bundessozialgerichts wird die Umsetzung der Ausreiseverpflichtung weder durch das Verhalten der Kirche noch des Ausländers unmöglich. Faktisch verzichte der Staat auf die Durchsetzung der Ausreisepflicht.

Äthiopierin verlangt höhere Asylbewerberleistungen

Eine äthiopische Staatsangehörige verlangte nach 15-monatigem Aufenthalt in Deutschland höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (so genannte Analogleistungen, § 2 AsylbLG). Nachdem sie im Sommer 2016 über Italien nach Deutschland eingereist war, wurde ihr Asylantrag Anfang 2017 abgelehnt. Um einer Abschiebung nach Italien zu entgehen, begab sie sich kurz darauf in die Räumlichkeiten einer Kirchengemeinde. Zeitgleich informierte der Pfarrer die Ausländerbehörde von ihrem Aufenthalt (sogenanntes offenes Kirchenasyl). Nach Ablauf der Überstellungsfrist im September 2017 wurde das Asylverfahren in Deutschland fortgesetzt. Die Stadt Bayreuth bewilligte der Asylsuchenden ab Oktober 2017 zwar Leistungen nach § 3 AsylbLG, lehnte aber ihren Antrag auf Erbringung von Leistungen in besonderen Fällen nach § 2 AsylbLG ab. Sowohl beim Sozialgericht Bayreuth als auch beim Landessozialgericht in München scheiterte sie mit ihrem Anliegen, da sie durch das Kirchenasyl die Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet rechtsmissbräuchlich verlängert habe.

BSG: Umsetzung der Ausreiseverpflichtung nicht per se unmöglich

Das BSG war anderer Meinung. Aus seiner Sicht liegt rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinn von § 2 AsylbLG nur dann vor, wenn es unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls, der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar im Sinn von Sozialwidrigkeit ist. Auch nach umfassender Umgestaltung des AsylbLG sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber seit 2015 eine andere, restriktivere Auslegung normativ habe vorgeben wollen. Den Kasseler Richtern zufolge genüge es für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nicht, wenn ein Ausländer, der Inhaber einer Duldung ist, trotz Ausreisepflicht sowie bei Möglichkeit und Zumutbarkeit der Ausreise im Inland verbleibt. Nicht anders stelle sich der faktische Verzicht des Staats auf die Durchsetzung der Ausreisepflicht beim offenen Kirchenasyl dar. Weder das Verhalten der Kirche noch der Afrikanerin habe die Umsetzung der Ausreiseverpflichtung rechtlich oder tatsächlich unmöglich gemacht.

BSG, Urteil vom 24.06.2021 - B 7 AY 4/20 R

Redaktion beck-aktuell, 25. Juni 2021.