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Jan Stamer
Jan Stamer

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Wir schreiben Code

Wir Software Entwickler lesen und schreiben viel. Aber unser Genre ist nicht Belletristik und nicht Liebesromane. Wir lesen Code. In vielen Sprachen. Wir lesen und schreiben XML, SQL, Java oder JavaScript. Der eine bevorzugt Java, die andere PHP. Wenn wir schreiben sind wir genau und präzise, das müssen wir. Jedes Wort ist wichtig. Auch einzelne Zeichen können entscheiden über Gewinn oder Verlust, manchmal auch über Tod oder Leben. Deswegen müssen wir genau sein, genau schreiben ohne Missverständnisse oder Kompromisse zuzulassen.

Wie ein Richter in seiner Urteilsbegründung müssen wir eine Aufgabe auseinandernehmen, zerpflücken, und von allen Seiten betrachten. Was für den Richter Verordnungen und Paragraphen sind, sind für uns Anforderungen und technische Rahmenbedingungen. Der Richter stützt sich auf Gesetze, wo es keine Gesetze gibt, kann er nicht richten. Wir stützen uns auf Anforderungen und technische Rahmenbedingungen. Wir können keinen Code schreiben, wenn nicht klar ist, was der Code tun soll. Wir können keinen Code schreiben, der technische Unmöglichkeiten überwindet. Unseren Code schreiben wir wie Anwälte und Richter — klar, präzise und ohne Kompromisse zuzulassen. Aber das ist nicht immer so.

Manchmal müssen wir wie Schriftsteller weit ausholen und viel Fantasie zulassen. Dann müssen wir einfach anfangen zu schreiben. Mit Idee aber ohne Plan. Wir beginnen zu schreiben, aber wir kennen das Ende noch nicht. Erst im Laufe des Schreibens merken wir, was wir schreiben wollen. Am Anfang haben wir nur den leeren Bildschirm vor uns, mit einem Anfang aber ohne Ende. In einem Punkt sind wir schlechter dran als der Schriftsteller. Unsere Geschichte wird nie fertig. Sie geht immer weiter und weiter. Und nicht nur das. Nicht mal auf den Anfang können wir uns verlassen. Jederzeit kann der Anfang über den Haufen geworfen werden, ein Mittelteil kommt hinzu oder eine neue Hauptfigur wird eingefügt. Je besser und erfolgreicher unsere Geschichte ist desto schneller passiert das.

Manchmal müssen wir exakt und präzise sein. Manchmal müssen wir einfach drauflos schreiben, vorpreschen ohne genau zu Wissen wohin. Wir müssen erkennen wann es Zeit ist exakt und präzise zu sein und wann es Zeit ist draufloszuschreiben. Das sagt uns keiner.

Wir schreiben nie alleine. Immer schreiben wir unsere Geschichte mit anderen zusammen. Mal mit vielen, mal mit wenigen. Wenn wir es gut machen merkt das niemand. Keiner der die Software nutzt soll erkennen wer einen Paragraphen, ein Kapitel oder einen Band geschrieben hat. Dann sind wir erfolgreich.

Doch schreiben wir anders als der Schriftsteller oder der Jurist. Was wir schreiben sind Anweisungen an die Maschine. Die müssen korrekt sein, sie müssen der Maschine exakte Befehle geben. Die Maschine hat keine Intelligenz, alles was sie tut haben wir für sie aufgeschrieben. Aber noch mehr als das.

Was wir schreiben muss lesbar sein. Jederzeit müssen andere an jedem Punkt die Geschichte weiterschreiben können. Dazu müssen sie rasch verstehen worum es geht, sie müssen den Plot und die Hauptpersonen erkennen können. Ja sie müssen auch in der Lage sein, die Geschichte in der Art und Weise weiterzuschreiben, wie es andere zuvor getan haben. Nur dann wird es eine Geschichte und nicht viele kurze Geschichten aneinander gereiht.

Unter keiner unserer Geschichten steht unser Name. Vom Pophit kennt jeder die Band, vom Bestseller den Autor. Uns kennt keiner. Das ist auch gut so. Wir wollen nicht bekannt sein, nicht gefeiert werden. Wenn unsere Arbeit ankommt, unsere Software ihren Dienst gut verrichtet sind wir glücklich. Meistens.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf medium.

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