[go: up one dir, main page]

Seite:Badisches Sagenbuch 380.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Die Todtenglocke.

In Freiburg wüthete einst eine pestartige Krankheit so fürchterlich, und der Opfer dieser Seuche wurden täglich so Viele, daß die Todtenglocken, besonders die zu St. Nikolai in der Neuenburg, nur in kurzen Zwischenräumen schwiegen. Dies fiel den Bewohnern eines benachbarten Klosters so beschwerlich, daß sie bei dem Stadtrathe Klage darob erhuben und um Einstellung des unaufhörlichen Läutens baten. Man beschloß, zuvor die Kirchenpfleger zu hören und diese erklärten: „Sie müßten sich höchlich darob wundern, daß Herren, welche der Welt entsagt hätten, so sehr über den Klang der Todtenglocken erschrecken könnten.“

Julius Leichtlin.


Der Fliegenwedel.

In Freiburg gab es in früheren Zeiten kein Gewerbe, das seine Arbeiter so reichlich nährte und dem Stadtsäckel so große Summen einbrachte, aber auch den Vätern der Stadt so viel zu schaffen machte, als die Zunft der Granatenbohrer und Polierer. Diese Zunft war lange Zeit die reichste und angesehenste. Es konnte nicht fehlen: Ein gemüthlicher Leichtsinn und üppige Lebenslust mußte sich der Gesellen bemeistern, und der Neckereien gegen andere Leute wurden so vielerlei, daß im Frevelregister die Namen der Bohrer und Polierer die Hauptrolle spielten. Es ist sogar Thatsache, daß sich die Zunftmeister der Granaten-Polierer aus billiger Rücksicht zu einem Beitrage zur Erweiterung des Blockhauses freiwillig erboten.

In ausgelassenen munteren Streichen zeichnete sich aber durch Erfindungsgabe kein Geselle mehr aus, als ein junger Mann, der wegen seiner schlanken, hohen Gestalt gemeinhin „der lange Balierer“ (Polierer) hieß. Die Zielscheibe seines Witzes und seiner Neckereien war vornehmlich ein kleines schwarzes Männchen, das man um seines aufbrausenden, aber feigen Benehmens willen, mit dem Spitznamen „Mucke“ (Mücke) beehrt hatte. Diesem Vielgeneckten ging endlich die Geduld aus und er klagte. Der Stadtrath lud den Beklagten vor Gericht,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Karlsruhe: Kreuzbauer und Kasper, 1846, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_380.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)