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Weltraummüll

künstliche Objekte ohne Gebrauchswert in der Erdumlaufbahn
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Weltraummüll, auch Weltraumschrott, besteht aus anthropogenen Weltraumgegenständen ohne Gebrauchswert, welche sich in Umlaufbahnen um die Erde[1] befinden und nicht nur eine Gefahr für die bemannte und Unbemannte Raumfahrt darstellen, sondern auch auf der Erdeoberfläche aufschlagen, wenn sie nicht in der Atmosphäre verglühen. Von sämtlichen Satelliten im Erdorbit funktioniert (nach Schätzungen) nur etwa die Hälfte.[2]

Verteilung des Weltraummülls. Jeder Punkt markiert ein Objekt im Katalog, typ. > 5 cm. (nicht maßstabsgerecht)
Einschlag in den Solarzellenflügel des SMM-Satelliten. Das Loch hat 0,5 mm Durchmesser, der Impaktor deutlich weniger.

Laut Modellen des Space Debris Office der ESA befanden sich im November 2021 rund 36.500 Objekte größer als 10 cm, eine Million Objekte in der Größe von 1 cm bis 10 cm und 330 Millionen Objekte in der Größe von 1 mm bis 1 cm im Erdorbit.[3] Objekte ab 5 cm werden mithilfe des US-amerikanischen Space Surveillance Systems kontinuierlich beobachtet.

Die ESA sieht dringenden Handlungsbedarf, bei der Eindämmung der aktuell ungebremst voranschreitende Vermüllung des Weltraumes. Gemeinsam mit dem Europäischen Raumflugkontrollzentrum hat die ESA schon 1984 die erste internationale Fachkonferenz zu dem Thema einberufen, in denen es um die Vermeidung, Entfernung und Umgang mit dem wachsenden Berg menschlichen Mülls im Weltall geht.[4][5]

Verteilung

 
Höhenabhängigkeit der Anzahldichte von Teilchen größer als 1 mm. Daten von 2001

Die Teilchenzahl variiert mit der Höhe. Unterhalb 400 km verglühen sie innerhalb weniger Jahre. In den von Satelliten bevorzugt genutzten Umlaufbahnen von 600 km bis 1500 km (sonnensynchroner Orbit) und 36.000 km (geostationärer Orbit) reichern sie sich an.

 
Anzahl pro m² und Jahr in Abhängigkeit von der Teilchengröße

Der Teilchenfluss (Anzahl von Teilchen, die eine Fläche von einem Quadratmeter pro Jahr passieren) variiert mit der Größe. Über mehrere Größenordnungen folgt die gemessene Verteilung (rote Kurve im Diagramm) einem Potenzgesetz mit Exponent 4 (blaue Gerade). Diese Teilchen sind Meteoroide natürlichen Ursprungs. Die Abweichung für Teilchen kleiner als 0,1 mm verursacht der Sonnenwind. Oberhalb von 10 mm dominiert der Weltraummüll.

Eine weitere Quelle für Informationen über die Verteilung von Weltraummüll sind zurückgeführte Satellitenoberflächen. Dazu zählen unter anderem die Solarzellen des Hubble-Weltraumteleskops. Auf letzteren wurde eine Vielzahl an Einschlagkratern erfasst und ausgewertet. Spektroskopische Analysen ermöglichten Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und somit mögliche Quellen der eingeschlagenen Objekte.

Mengen

Im Rahmen von Messkampagnen, zur Erfassung der Mengen, werden mit Radaranlagen und Teleskopen sporadische Messungen durchgeführt, um kleinere Objekte wenigstens statistisch zu erfassen und Weltraummüllmodelle wie MASTER zu validieren. Das gelingt per bistatischem Radar mit dem Goldstone-Radioteleskop bis zu 2 mm Durchmesser für Objekte im erdnahen Orbit (LEO). Für den geostationären Orbit (GEO) haben optische Teleskope die geringere Grenzgröße: 10 cm erreicht das ESA Space Debris Telescope am Teide-Observatorium auf Teneriffa.

Bis zum Frühjahr 2010 erfolgten in 50 Jahren Raumfahrt etwa 4700 Raketenstarts mit gut 6100 Satelliten. Davon verblieben 15.000 Bruchteile von Raketen und Satelliten, bis zu kompletten Oberstufen. Nach dem USA-Katalog sind das 15.000 Objekte von mindestens zehn Zentimeter Größe, vermutlich kommen noch 7000 geheimgehaltene Objekte hinzu. Wird die Mindestgröße auf einen Zentimeter gesenkt, werden 600.000 Objekte geschätzt, zu denen noch etwa eine Million kleinere Teilchen hinzukommen. Daraus ergibt sich die Gesamtmasse an Weltraummüll von etwa 6300 Tonnen,[6] wovon 73 % der Objekte sich im erdnahen Orbit (LEO) befinden, allerdings sind dies von der Gesamtmasse nur 40 %, also etwa 2700 Tonnen.[7] Besonders betroffen ist die Höhe von 800 Kilometern, die bevorzugte Flugbahn der Aufklärungssatelliten. Die ISS fliegt zwischen 350 und 400 Kilometern; sie musste bislang mehrmals[8][9][10] Objekten ausweichen, die größer als ein Zentimeter sind. Im geostationären Orbit (GEO) in 36.000 Kilometer Höhe um die Erde befinden sich zwar nur 8 % der Bruchstücke, aber hier kreisen die großen tonnenschweren Telekommunikationssatelliten mit einem geschätzten Gesamtgewicht von 33 %, also etwa 2000 Tonnen. Die restlichen 19 % der Objekte mit 27 % der Masse befinden sich auf anderen Bahnen.[11]

„Selbst wenn man heute mit der Raumfahrt aufhörte, würde die derzeitige Trümmermasse im Orbit ausreichen, [auf Grund des Kaskadeneffektes …] um immer neue Trümmer entstehen zu lassen. […] Die Zunahme des Weltraummülls kann langfristig dazu führen, dass bestimmte Orbits für die Raumfahrt sonst nicht mehr genutzt werden können.“

Heiner Klinkrad (Leiter des Space Debris Office der ESA in Darmstadt.)

Gefahren und Risiken

Kollisionsgefahr im All

Die Relativgeschwindigkeit zwischen Weltraummüll und einem erdnahen Satelliten mit hoher Inklination der Bahn beträgt größenordnungsmäßig zehn Kilometer pro Sekunde. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit besitzt ein Teilchen mit 1 g Masse eine Energie von 50 kJ, was der Sprengkraft von etwa 12 g TNT entspricht, sodass sowohl das Teilchen als auch das unmittelbar getroffene Material explodieren.

Die bemannten Module der Internationalen Raumstation (ISS) sind mit doppelwandigen Meteoroidenschutzschilden (Whipple-Schild) ausgestattet und können aufgrund der durch den Einschlag in die erste Wand erzeugten Streuwirkung Einschlägen von Weltraummüll von mehreren Zentimeter Durchmesser widerstehen.

Bereits jetzt ist auf einigen Umlaufbahnen die durch Einschläge von Weltraummüll hervorgerufene Ausfallwahrscheinlichkeit operationeller Satelliten nicht mehr vernachlässigbar. Selbst Einschläge kleinerer Partikel bis in den Submillimeterbereich können empfindliche Nutzlasten beschädigen oder Raumanzüge perforieren.

Im Jahr 2007 schoss die Volksrepublik China vom Boden aus bewusst ihren Wettersatelliten Fengyun-1C ab, um ihre Fähigkeit von Anti-Satellitenraketen zu demonstrieren. Allerdings führte dies zu einer Wolke von mindestens 40.000 Trümmerteilen im All.[12] Die bislang größte zufällige Kollision im All war die Satellitenkollision am 10. Februar 2009. Ein deaktivierter russischer Kommunikationssatellit und ein Iridium-Satellit kollidierten in 789 km Höhe über Nordsibirien. Beide Satelliten wurden dabei zerstört. Die Kollision setzte eine erhebliche Menge weiteren Weltraummülls frei.[13]

Die Kollisionsrate von Objekten der Größenordnung 10 cm mit einem der vielen Satelliten wird auf ein Ereignis alle 10 Jahre geschätzt.[14]

Die bemannte Internationale Raumstation, aber auch viele der Satelliten sind in der Lage, Ausweichmanöver durchzuführen, um eine als nicht unwahrscheinlich eingestufte Kollision (Wahrscheinlichkeit p = 1/10.000) mit einem der etwa 13.000 Objekte, deren Bahnen kontinuierlich verfolgt werden, zu vermeiden. Bereits im Jahr 2004 führte der Erdbeobachtungssatellit Envisat zwei solcher Manöver durch. Raumfähren wie zum Beispiel die Discovery mussten insgesamt sechs Ausweichmanöver fliegen. Die ISS hat bis 2009 acht Ausweichmanöver erfolgreich durchgeführt.(Beleg fehlt)

Weltraummüll als Umweltproblem in den Ozeanen

 
Die russische Raumstation MIR wurde 2001 über dem Raumschifffriedhof im Südpazifik zum Absturz gebracht und liegt seitdem auf dem Meeresgrund.[15]

In der Raumfahrt gehen die Risiken durch Weltraummüll insbesondere mit Wiederbeschaffungskosten für zerstörte, technische Einrichtungen einher, sowie Zeitverlusten und erhöhten Kosten für Personal und Technik, um Kollisionen präventiv zu verhindern. Von den jährlich auf der Erde aufschlagenden 100 Tonnen Weltraumschrott, landet der Hauptteil in den Weltmeeren und trägt dort zur Verschmutzung der Ozeane bei.[16]

Bisher wird nur ein sehr kleiner Teil des Materials geborgen und wiederverwertet oder fachgerecht entsorgt. Oft wird ein gezielter Absturz über dem Raumschifffriedhof im Südpazifik praktiziert. Er befindet sich zwischen Chile und Neuseeland, am sogenannten Point Nemo und gilt, aufgrund seiner abgelegenen Lage, als geeigneter Ort für das Versenken von ausgedienter Raumfahrttechnik.[17]

Hunderte von Raketen und anderen größeren Objekten brachten Raumfahrtbehörden der ganzen Welt hier gezielt zum Absturz, darunter auch die riesige, russische Raumstation MIR, die im März 2001 hier versank.[15]

Prognosen gehen davon aus, dass gezielte Versenkungen in Zukunft zunehmen werden, auch um ungeplante Einschläge an von Menschen besiedelten Orten präventiv zu verhindern.[18]

Quellen und Senken

Entstehung von neuem Weltraummüll

Neben nicht mehr gebrauchten Satelliten gibt es eine Vielzahl an Ereignissen und Mechanismen, die zur Entstehung von Weltraummüll führen.

 
Abgetrennte zweite Stufe einer Delta-II-Rakete im Orbit, aufgenommen vom Experimentalsatelliten XSS 10
Missionsbedingte Objekte

Im Rahmen von Weltraummissionen freigesetzte Objekte (engl. mission-related objects, MRO), wie zum Beispiel Sprengbolzen und Abdeckungen. Ebenfalls ganze Raketenoberstufen und Doppelstartvorrichtungen, die mit Satelliten oder Raumsonden in Umlaufbahnen gelangen und dort verbleiben.

Einen ungewöhnlichen Fall stellt die obere Raketenstufe der Raumsondenmission Surveyor 2 dar: Sie kehrte im Jahr 2020 vorübergehend in eine Erdumlaufbahn zurück und machte Schlagzeilen, weil sie zunächst für einen „eingefangenen“ Hauptgürtel-Asteroiden gehalten wurde.[19]

 
Ein Stück Aluminiumoxid aus einem Test eines Space-Shuttle-Boosters
Explosionen

von Satelliten oder Oberstufen – diese werden hervorgerufen durch absichtliche Sprengungen, durch die Entzündung von Resttreibstoffen von Oberstufen und durch das Verdampfen von kryogenen Treibstoffkomponenten in Oberstufen, in denen noch Treibstoffreste zurückgeblieben sind. Durch die Ausdehnung dieser Treibstoffe während des Verdampfens können die Oberstufen gesprengt werden. Explosionen können auch von Entladungen in Batterien der Satelliten ausgelöst werden. Es wird angenommen, dass sich seit Beginn der Raumfahrt etwa 200 Explosionen im Orbit ereignet haben.

Killersatelliten

Satelliten, die während des Kalten Krieges – wahrscheinlich auch noch heute – eigens zur Neutralisierung von Spionagesatelliten des Gegners eingesetzt werden. Die meisten führen selbstzerstörerisch eine beabsichtigte Kollision mit dem Ziel herbei, mitunter einhergehend mit einer Explosion. Weder ihre Zahl noch die ihrer Opfer sind öffentlich bekannt, da sowohl sie selbst als auch ihre Ziele unter strengster militärischer Geheimhaltung stehen.

 
die Bahnen katalogisierter Fengyun-1C-Fragmente einen Monat nach dem ASAT-Test
 
Höhenverteilung von Fragmenten im LEO nach Fengyun-1C und der Kollision 2009[20]
Antisatellitenraketen (ASAT)

Der Einsatz dieser Waffen kann die Trümmer, die bei der Zerstörung von Satelliten entstehen auf sehr viele verschiedene Bahnen schleudern – auch solche, die große Höhen erreichen.[21] Der Erste Abschuss, der zugleich für viele Trümmer sorgte, war der des Satelliten Fengyun-1C. Im November 2021 wurde der sowjetische Satellit Kosmos 1408 von der russischen ASAT A-235 PL-19 Nudol abgeschossen. Dadurch entstanden hunderttausende Trümmerteile,[22] von denen mindestens 1500 eine Gefährdung für die ISS darstellten.[23] Im Februar 2008 wurde durch die US-Marine der außer Kontrolle geratene Spionagesatellit USA 193 in ca. 240 km Höhe abgeschossen. Die Trümmer verglühten innerhalb eines Jahres bei dem Eintritt in die Erdatmosphäre. Außerdem stellte jener Abschuss keine Gefahr für die Besatzung der ISS dar, weil die ISS in höheren Bahnen schwebt.[24] Das indische Militär schoss am 27. März 2019 den Aufklärungssatelliten Microsat-R in einer Höhe von etwa 300 km ab.[25]

Kollisionen von Raumflugkörpern

Dabei geht es nicht um Schrammen bei missglückten Andockmanövern, sondern um zufällige Zusammentreffen mit hoher Relativgeschwindigkeit, im GEO meist mit 100 bis 1000 m/s, aber womöglich auch mit 1,5 km/s (Satellit gegen Hohmann-Transfer-Stufe), im LEO mit typisch 10 km/s, was beide Flugkörper zerlegt. Beispiele sind die Abtrennung des Stabilisierungsmastes des Cerise-Satelliten (ausfahrbarer Mast) durch eine ältere Ariane-Raketenoberstufe[26] und die spektakuläre Satellitenkollision am 10. Februar 2009, bei der über 2000 katalogisierte Trümmerteile und grob geschätzt eine halbe Million Partikel über 1 mm entstanden.

Fortgesetzte Kollisionen

Der NASA-Berater Donald J. Kessler prognostizierte 1978 das als Kessler-Syndrom bekannt gewordene Szenario, nach dem bei Einschlägen kleiner Fragmente und Meteoroide jeweils viele größere Fragmente entstehen würden und so das Müllproblem beschleunigt wachsen würde, selbst wenn keine weiteren Satelliten mehr gestartet würden.[27]

Oberflächendegradation

Das ESA Space Debris Teleskop fand öfter helle Objekte, deren schnelles Absinken in der Hochatmosphäre auf ein sehr hohes Flächen- zu Massenverhältnis hindeutet, bis zu 30 m²/kg. Es könnte sich um Wärmeschutzfolie von Satelliten handeln.

West Ford Dipole

Zu Beginn der 1960er Jahre sollte eine diffuse Sphäre aus vielen Millionen feiner Drähtchen (18 mm × 0,018 mm) einen Reflektor für den Funkverkehr bilden. Die Vereinzelung bei der Freisetzung gelang nur teilweise; es bildeten sich Flocken, von denen noch eine überschaubare Zahl in über 2500 km Höhe vagabundiert.[28][29]

Feststofftriebwerke

erzeugen während des Abbrandes mikrometergroße Aluminiumoxid-Partikel.[30] Am Ende des Abbrandes können auch größere Schlackeobjekte austreten, deren Durchmesser mehrere Zentimeter erreichen kann.

Reaktorkühlmittel

aus weltraumgestützten Buk-Kernreaktoren von sowjetischen Spionagesatelliten der im Westen als RORSAT bekannten Serie. Bei 16 solcher Satelliten wurde nach Beendigung der Mission eine Abstoßung des Reaktorkerns durchgeführt, dabei wurde das Kühlmittel des primären Kühlkreislaufs NaK-78 freigesetzt (jeweils ca. 8 kg). Das NaK verteilte sich dabei in Tropfen verschiedener Größe auf den Umlaufbahnen der RORSAT-Satelliten. Durch verschiedene Bahnstörungen und die Drehung der Knotenlinie verteilt sich das NaK jedoch auch zunehmend auf anderen Bahnen.

Verglühen von Weltraummüll aus niedrigen Umlaufbahnen

 
Lebensdauer in verschiedenen Höhen

Die Teile in niedrigen Umlaufbahnen werden durch einen Rest an Luftwiderstand abgebremst und verglühen irgendwann in der Atmosphäre. In größeren Höhen wird die Luftreibung immer geringer, so dass größere Objekte aus einer Höhe von 800 km Jahrzehnte, aus einer Höhe von 1500 km aber einige tausend Jahre brauchen, um zu verglühen. Die feinen Drähtchen des West-Ford-Projekts sind allerdings, soweit sie unverklumpt unterwegs waren, wie berechnet mit Unterstützung des Strahlungsdrucks der Sonne innerhalb weniger Jahre aus über 3500 km Höhe zurückgekehrt.[28]

Da die Höhen von 800 km und 1500 km als Umlaufbahnen bevorzugt genutzt werden, wächst die Bedrohung für die kommerzielle und wissenschaftliche Raumfahrt. Konzepte, wie dieses Problem zu lösen ist, scheitern zurzeit an den damit verbundenen Kosten.

Beispiele für teilweises Verglühen

Bei sehr großen Satelliten und besonders bei hitzebeständigen Bestandteilen kann es vorkommen, dass diese den Wiedereintritt teilweise überstehen und einige mitunter sehr schwere Bruchstücke die Erde erreichen. Als Beispiele können hier ROSAT mit hitzebeständigen Spiegeln aus Glaskeramik oder der 5,9 Tonnen schwere Upper Atmosphere Research Satellite gelten.

Maßnahmen

Vorbeugende Maßnahmen

Zur Vermeidung von Kollisionen mit Teilen des Weltraummülls werden von zuständigen Observatorien der NASA und des Militärs sämtliche größere Teilchen (ab 1 cm Größe) permanent verfolgt. Wird ein Kollisionskurs mit der ISS oder einem anderen manövrierbaren Raumfahrzeug erkannt, so erfolgt das typischerweise früh genug (mehrere Tage im Voraus), dass dieses Raumfahrzeug ein Ausweichmanöver einleiten kann. Da die ISS ohnehin immer wieder auf eine etwas höhere Umlaufbahn zurückgebracht werden muss, kostet das keinen zusätzlichen Treibstoff.

Zur Vermeidung von Weltraummüll werden bei allen modernen Raketen die in die Umlaufbahn gelangenden Stufen mit Hilfe einer zusätzlichen Triebwerkzündung wieder abgebremst, um sie über kurz oder lang in der Atmosphäre verglühen zu lassen. Die ESA schlägt vor, die Dauer bis zum Wiedereintritt missionsbedingter Objekte (MROs, siehe oben) in Abhängigkeit von der Querschnittsfläche zu beschränken:

 
  • A – Querschnittsfläche
  • t – Einsatzdauer

Bei Oberstufen, die in hohe Umlaufbahnen gelangen und keinen ausreichenden Bremsimpuls erzeugen können, werden zumindest die Reste des Treibstoffs verbraucht oder abgelassen, um eine mögliche Explosion zu verhindern. Im Februar 2021 wurde dies von der Internationalen Organisation für Normung nach fast achtjährigen Verhandlungen in der Norm ISO 20893 verbindlich geregelt.[31][32] Geostationäre Satelliten selbst werden inzwischen nicht mehr bis zum vollständigen Erschöpfen der Treibstoffvorräte genutzt, sondern mit einem gewissen Rest in einen Friedhofsorbit gebracht.

Um den lawinenartigen Anstieg der Zahl kleiner Objekte durch Kollisionen mit größeren zu bremsen, wurde vorgeschlagen, wenigstens größere inaktive Objekte zu beseitigen.[33] Verschiedene Ideen wurden vorgeschlagen, wie man in einer einzigen, längeren Mission mehrere Objekte entsorgen könnte. Problematische Aspekte sind die Interaktion mit unkontrolliert rotierenden Objekten und der große Bedarf an Stützmasse für zahlreiche Bahnwechsel.

Maßnahmen zur Beseitigung von Weltraumschrott

Das Unternehmen ClearSpace.today wurde 2018 von Ingenieur Luc Piguet als Spin-Off der ETH Lausanne gegründet.[34] Im Dezember 2019 beschloss der Ministerrat der ESA mit der Mission ClearSpace-1 die Beseitigung von Weltraummüll ab 2025 zu erproben und durchzuführen. Hierbei soll ein „Jagdsatellit“ mit vier mechanischen Armen ein Stück Weltraumschrott von geeigneter Größe packen und sich dann gemeinsam mit dem Objekt in die Erdatmosphäre stürzen, wo beide verglühen.[35] Dazu beteiligte sich die ESA mit 90 Mio. CHF am Projekt, welches insgesamt rund 120 Mio. CHF kosten soll – um ein einziges Müllteil zu entsorgen.[34]

Nach Beobachtungen verbrachte am 19. Januar 2022 der chinesische Satellit Shijian 21 den ausgefallenen chinesischen Satellit Beidou-2 G2 aus einem geostationären Orbit in einen Friedhofsorbit. Das genaue Verfahren ist allerdings unbekannt, da die Aktion stattfand, als die Satelliten vor der Sonne standen, und so die irdischen Beobachter geblendet waren. Es wird vermutet, dass dieses Manöver nicht nur Weltraummüll beseitigen kann, sondern auch als Antisatellitenwaffe benutzt werden kann, um unbequeme fremde Satelliten zu "entführen".[36][37]

Messungen

Die Detektion von Weltraummüll kann vom Erdboden aus mittels optischer Teleskope oder Radar erfolgen. Einige Radare können dabei in niedrigen Umlaufbahnen Partikel im Millimeterbereich nachweisen. Die genaue Messung der Bahnparameter und das kontinuierliche Verfolgen der Objekte ist jedoch nur bei Durchmessern ab 5 cm in LEO und 50 cm in GEO möglich. Die Bahnen dieser Objekte werden durch das amerikanische Space Surveillance System kontinuierlich verfolgt und ihre Bahnelemente in einem Objektkatalog veröffentlicht. Derzeit enthält dieser Katalog ca. 13.000 Objekte, allerdings sind lediglich die Bahndaten für etwa 9600 Objekte der Öffentlichkeit zugänglich. Als einzige Möglichkeit, Population und Bahnparameter von kleineren Partikeln zu ermitteln, bleiben damit in-situ-Messungen. Zu diesem Zweck wurden bereits mehrere Detektorkonzepte erprobt. Die bekanntesten europäischen Detektorkonzepte sind der DEBIE-Detektor und der GORID-Detektor (identisch mit Galileo- und Ulysses-Detektoren). Beide Detektoren bestimmen die Einschlagsenergie eines Hochgeschwindigkeitspartikels über die Zusammensetzung des durch den Einschlag entstehenden Plasmas. Mit elektrischen Feldern werden die Elektronen und Ionen im Plasma voneinander getrennt und mit geladenen Gittern die jeweilige Spannung gemessen. Aus der Form und dem zeitlichen Verlauf der Spannungspulse lassen sich über am Erdboden aufgenommene Kalibrierungskurven Masse und Geschwindigkeit des eingeschlagenen Partikels bestimmen. Zur reinen Plasmamessung kommt beim DEBIE-Sensor die Messung des Einschlagsimpulses über Piezoelemente hinzu, so dass es ein Vergleichssignal zur Plasmamessung gibt. Ein Plan, mit dem Large Area Debris Collector (LAD-C) an der ISS Weltraummüll einzufangen und zu analysieren, wurde 2007 aufgegeben.[38]

German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar (GESTRA)

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat das Weltraumüberwachungsradar GESTRA entwickeln lassen, um Weltraumobjekte im erdnahen Orbit zu überwachen. Die gewonnenen Messdaten werden im gemeinsam vom DLR Raumfahrtmanagement und der Luftwaffe in Uedem (Niederrhein) betriebenen Weltraumlagezentrum verarbeitet. Das System soll Anfang 2021 den operativen Betrieb aufnehmen.[39]

Long Duration Exposure Facility (LDEF)

Bei dem LDEF-Satelliten handelte es sich um ein Experiment, bei dem die Langzeitauswirkungen einer Weltraumumgebung erforscht werden sollten. Obwohl wesentlich kürzer geplant, blieb der Satellit fast sechs Jahre im Orbit, bevor er von Mission STS-32 geborgen und zurück zur Erde gebracht werden konnte. Abgesehen von vielen nur mikroskopisch sichtbaren Beschädigungen war auch eine mit bloßem Auge erkennbare vorhanden. Die Untersuchung des Satelliten brachte sehr viel Informationen über Weltraummüll und Mikrometeoriten.[40]

Kataloge

Die Kataloge über künstliche Satelliten, beispielsweise NORAD, beschränken sich auf intakte Objekte. Die Trümmer, die bei einem Auseinanderbrechen entstehen, werden in gesonderten Datenbanken für Weltraummüll erfasst. Eine wird, wie NORAD, von USSTRATCOM gepflegt.[41] Sie ist auch die Grundlage für die Sammlung DISCOS (Database and Information System Characterizing Objects in Space) der ESA.[42]

Weltraummüll in der Popkultur

Siehe auch

Literatur

  • Carsten Wiedemann, Peter Vörsmann, Heiner Klinkrad: Ein Modell für den Weltraummüll. In: Sterne und Weltraum. Oktober 2005, S. 30–36.
  • Paula H. Krisko: The Predicted Growth of the Low Earth Orbit Space Debris Environment: An Assessment of Future Risk for Spacecraft. Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers, Part G: Journal of Aerospace Engineering, Vol. 221, 2007, doi:10.1243/09544100JAERO192 (online).
  • Wolfgang Rathgeber, Kai-Uwe Schrogl, Ray A. Williamson (Hrsg.): The Fair and Responsible Use of Space: An International Perspective. Springer, Wien 2010, ISBN 978-3-211-99652-2, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  • Michael W. Taylor: Orbital Debris - Technical and Legal Issues and Solutions. McGill University, Montreal 2006, Abstract online (pdf, S. 121, abgerufen am 2. November 2009; 669 kB)
  • P. Eichler, A. Bade: Removal of debris from orbit. American Institute of Aeronautics and Astronautics 1990-1366, aiaa.org
  • Orbital Debris Program Office (NASA): History of ON-Orbit Satellite Fragmentation 14th Edition June 2008 History of ON-Orbit Satellite Fragmentation (pdf, englisch)
  • Daniel Hampf, Leif Humbert, Thomas Dekorsy und Wolfgang Riede: Kosmische Müllhalde. Physik Journal (DPG) 01/2018, S. 31.
Commons: Weltraummüll – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Weltraummüll – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. D. Spencer u. a.: Space Debris Research in the U. S. Department of Defense. Second European Conference on Space Debris, 1997, ESOC, Darmstadt, Germany (1997), ESA-SP 393., S. 9, @adsabs.harvard.edu
  2. Space Debris: ESA Weltraummüll-Konferenz Weltraumschrott: Die Gefahr im All ist real mdr, aufgerufen am 23. Februar 2022
  3. Space debris by the numbers. Abgerufen am 24. November 2021 (englisch).
  4. Europäische Konferenz über die Gefahren von Weltraumschrott. ESA, 12. April 2013, abgerufen am 24. Februar 2022.
  5. Presseeinladung zur Europäischen Konferenz über die Gefahren von Weltraumtrümmern und deren Eindämmung. ESA, 23. März 2017, abgerufen am 24. Februar 2022.
  6. Joseph N.Pelton: Space debris and other threats from outer space. Springer, New York 2013, ISBN 978-1-4614-6713-7.
  7. Orbital Debris and Future Environment Remediation nasa.gov, abgerufen am 7. März 2015.
  8. Raumstation muss Weltraumschrott ausweichen. spiegel.de, 28. Januar 2012, abgerufen am 29. Januar 2012.
  9. Raumstation flüchtet vor Satellitentrümmern. spiegel.de, 13. Januar 2012, abgerufen am 29. Januar 2012.
  10. Raumstation umschifft Weltraumschrott. spiegel.de, 27. Oktober 2011, abgerufen am 29. Januar 2012.
  11. ESA-Angaben nach vdi-n vom 2. Juli 2010, S. 3.
  12. Gerhard Hegmann: Beinahe-Unfall: Ausgediente Satelliten in Trümmerwolke auf Kollisionskurs. In: DIE WELT. 8. Januar 2017 (welt.de [abgerufen am 9. März 2020]).
  13. spaceweather.com
  14. ESA: Weltraummüll: Wie hoch ist das Risiko einzuschätzen? 22. März 2005.
  15. a b Die „Mir“ vor 20 Jahren. Gezielter Absturz einer Raumstation von Dirk Lorenzen, 23. März 2021 Deutschlandfunk, aufgerufen am 24. Februar 2022
  16. Chinas Weltraumschrott 21-Tonnen-Raketenteil stürzt zur Erde – Aufprallort unbekannt Der Spiegel, aufgerufen am 24. Februar 2022
  17. Mitten im Ozean gibt es einen Friedhof für Raumschiffe — das findet man dort von Dave Mosher, 14. Januar 2018 Business Insider, aufgerufen am 24. Februar 2022
  18. In one of the most isolated places on the globe, the 'Spacecraft Cemetery' provides a watery grave von Shannon Stirone, 13. Juni 2016 (engl.) Popular Science, aufgerufen am 24. Februar 2022
  19. 2020 SO ist kein Asteroid, sondern eine Raketenoberstufe. Spektrum.de, 3. Dezember 2020.
  20. USA Space Debris Envinronment, Operations, and Policy Updates. (PDF) In: NASA. UNOOSA, abgerufen am 1. Oktober 2011.
  21. Uwe Reichert: Umweltkatastrophe im Orbit. In: Sterne und Weltraum. 46, Nr. 4, April 2007, S. 24, ISSN 0039-1263
  22. Russian anti-satellite test adds to worsening problem of space debris. In: BBC News. 16. November 2021 (bbc.com [abgerufen am 17. November 2021]).
  23. Christoph Seidler: Russland schießt Satelliten ab – Trümmer gefährden ISS. In: Der Spiegel. 16. November 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. November 2021]).
  24. USA 193 - letztes Trümmerstück verglüht. auf: raumfahrer.net, 21. Oktober 2008.
  25. Jeff Foust: India tests anti-satellite weapon. In: spacenews.com. 27. März 2019, abgerufen am 16. November 2021 (englisch).
  26. http://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/Weltraummuell_Wie_hoch_ist_das_Risiko_einzuschaetzen/(print)
  27. Donald J. Kessler, Burton G. Cour-Palais: Collision Frequency of Artificial Satellites - The Creation of a Debris Belt. (3,4 MB PDF) In: Journal of Geophysical Research Vol 81. No. 46. 1. Juni 1978, S. 2637–2646, archiviert vom Original am 15. Mai 2011; abgerufen am 3. Mai 2010 (englisch).
  28. a b West Ford Needles: Where are They Now? In: NASA: Orbital Debris Quarterly News. Vol. 17, Issue 4, Oktober 2013, S. 3.
  29. C. Wiedemann, H. Krag, P. Wegener, P. Vörsmann: Jahrbuch 2002 der DGLR, Band II, S. 1009–1017. Das orbitale Verhalten von Clustern aus Kupfernadeln der West Ford Experimente (Memento vom 8. Januar 2010 im Internet Archive).
  30. S. Stabroth, P. Wegener, M. Oswald, C. Wiedemann, H. Klinkrad, P. Vörsmann: Introduction of a nozzle throat diameter dependency into the SRM dust size distribution. In: Advances in Space Research. 38, 2006, S. 2117–2121.
  31. 王小月: 重磅!我国制定的航天国际标准正式发布. In: spaceflightfans.cn. 26. Februar 2021, abgerufen am 26. Februar 2021 (chinesisch).
  32. ISO 20893:2021 Space systems — Detailed space debris mitigation requirements for launch vehicle orbital stages. In: iso.org. Abgerufen am 26. Februar 2021 (englisch).
  33. J.-C. Liou, Nicholas L. Johnson: A sensitivity study of the effectiveness of active debris removal in LEO. Acta Astronautica, 2009, doi:10.1016/j.actaastro.2008.07.009 (online).
  34. a b Jo Siegler: Frühjahrsputz im Orbit – Schweizer Satellit soll das Weltall aufräumen. Schweizer Radio und Fernsehen, 10. Februar 2021, abgerufen am 11. Februar 2021.
  35. ESA commissions world’s first space debris removal. Abgerufen am 9. Dezember 2019 (englisch).
  36. Guido Meyer: China «entführt» einen eigenen Satelliten aus dem geostationären Orbit. Neue Zürcher Zeitung, 22. März 2022, abgerufen am 1. April 2022.
  37. Andrew Jones: China’s Shijian-21 towed dead satellite to a high graveyard orbit. spacenews.com, 27. Januar 2022, abgerufen am 1. April 2022 (englisch).
  38. Maggie McKee: World's only space dust detector binned. 12. Februar 2007, abgerufen am 9. Oktober 2013 (englisch).
  39. Mehr Sicherheit im All – Weltraumradar GESTRA ist startklar. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, 13. Oktober 2020, abgerufen am 25. Oktober 2020.
  40. Seite der NASA über LDEF (englisch mit Bildern)
  41. Situation of Space debris in 1995
  42. DISCOS of ESA