Die Bandscheibe oder Zwischenwirbelscheibe (lateinisch Discus intervertebralis) ist eine flexible, faserknorplige Bildung, die jeweils die Wirbelkörper zweier benachbarter Wirbel im Bereich zwischen zweitem Halswirbel und Kreuzbein verbindet. Sie bilden damit eine Knorpelhaft (Synchondrose) zwischen den Wirbelkörpern.[1] Zwischen dem Schädel und dem ersten Halswirbel sowie zwischen dem ersten und dem zweiten Halswirbel gibt es keine Bandscheiben. Die Wirbelsäule des Menschen besitzt 23 Bandscheiben. Sie machen etwa 25 Prozent der Gesamtlänge der Wirbelsäule aus. Ihre Höhe und Grundfläche wird zum Kreuzbein hin immer größer.[2] Die Anzahl der Zwischenwirbelscheiben bei den übrigen Säugetieren variiert mit der Anzahl der Wirbel.
Aufbau
Die Bandscheiben sind beim Menschen in der Halswirbelsäule im Mittel etwa 3 mm, in der Brustwirbelsäule etwa 5 mm und in der Lendenwirbelsäule etwa 7 mm hoch. Sie sind keilförmig, entsprechend der Krümmung der menschlichen Wirbelsäule sind sie im Bereich der Hals- und Lendenlordose vorn, im Bereich der Brustkyphose hinten dicker.[2]
Bandscheiben bestehen aus zwei Teilen:
- Anulus fibrosus (äußerer Faserring)
- Nucleus pulposus (innerer Gallertkern)
Der Anulus fibrosus, der Faserring der Bandscheibe, besteht aus konzentrischen Schichten von kollagenen Bindegewebsfasern (Außenzone), die nach innen allmählich in Faserknorpel (Innenzone) übergehen. Die vorwiegend aus Kollagen Typ 1 bestehenden Fasern weisen gegenläufige Steigungswinkel auf. Die sich überkreuzenden Bindegewebsfasern der äußeren Zone heften sich an den Randleisten der Wirbelkörper an.[2]
Der Nucleus pulposus ist ein zellarmes gallertiges Gewebe, das 80–85 % Wasser enthält. Es enthält wenige Fibroblasten und Typ-2-Kollagen. Aufgrund des hohen Anteils an Glykosaminoglykanen (Chondroitinsulfat, Keratansulfat) wird Wasser reversibel gebunden, so dass der Nucleus wie ein Wasserkissen nicht kompressibel aber verformbar ist. Der Gallertkern liegt an der Position des ursprünglichen Segments der Chorda dorsalis, das Gewebe leitet sich aber nicht direkt davon ab.[3] Nach anderer Auffassung stellt der Gallertkern einen Überrest der Chorda dorsalis dar.[4]
Unter Dauerbelastung verlieren die Gallertkerne reversibel Flüssigkeit und damit an Höhe. Dadurch kann ein Mensch bis zu 1 bis 2 cm an Körperhöhe abnehmen, unter Einbeziehung des Fußgewölbes sogar bis zu 3 cm.[3] Im entlasteten Zustand nehmen die Gallertkerne wieder Flüssigkeit auf.[2] Diese Wasserauf- und -abnahme ist auch der einzige Weg, über den die Bandscheiben mit Nährstoffen versorgt werden, da sie ab dem 20. Lebensjahr mit Abschluss des Wachstums keine Blutgefäße mehr besitzen. Der Druckwechsel zwischen Be- und Entlastung ist also eine Grundvoraussetzung für den Stoffwechsel der Bandscheiben.[5]
Funktion
Die Bandscheibe dient als elastisches Druckpolster und ermöglicht die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Die Wirbelsäulenabschnitte sind um so beweglicher je größer das Verhältnis von Bandscheiben- zu Wirbelkörperhöhe ist. Im Bereich der Halswirbelsäule ist das Verhältnis mit 2:5 am höchsten, im Bereich der Lendenwirbelsäule mit 1:3 im mittleren Bereich und im Bereich der Brustwirbelsäule mit 1:5 am geringsten. Die Zwischenwirbelscheiben verteilen die auf die Wirbelsäule einwirkenden Kräfte gleichmäßig auf die gesamte Wirbelendplatte. Der Gallertkern fängt dabei etwa 75 %, der Faserring 25 % der Kräfte auf.[2] Die Bandscheibe eines jungen Menschen kann Kräften bis zu 800 N/m2 standhalten.[6] Durch exzentrische Belastung wird die Bandscheibe elastisch verformt, wobei sich der Gallertkern zur weniger belasteten Seite verlagert. Die Faserarchitektur des Faserrings begrenzt den Umgebungsumfang zwischen den Wirbeln und wirkt insbesondere Verdrehungen entgegen. Der Quellungsdruck der Gallertkerne hält auch das vordere und hintere Längsband unter Spannung und unterstützt dadurch deren Bremswirkung.[3]
Klinische Aspekte
Bei einer Aufbaustörung der Deckplatten während des Wachstums kann Material der Bandscheibe in die Spongiosa des Wirbelkörpers eindringen (Schmorl-Knötchen bei der Scheuermann-Krankheit). Ab einem Alter von 30 Jahren kommt es durch degenerative Prozesse zu einer veränderten Zusammensetzung der Matrix und damit zu einer verminderten Wasserbindung. Dabei entstehen Risse und Spalten, die bei Druckbelastung zur Vorwölbung oder gar zum Durchtreten von Material des Gallertkerns durch den Anulus fibrosus führen können. Dies wird als Bandscheibenprotrusion beziehungsweise Bandscheibenvorfall bezeichnet.[3] Der Verschleiß der Bandscheibe führt zu reaktiven Veränderungen des Knochengewebes der angrenzenden Wirbel (Osteochondrosis intervertebralis, Spondylosis deformans).[2]
Die operative Entfernung eines Bandscheibenvorfalls wird als Nukleotomie bezeichnet, die Entfernung der gesamten Bandscheibe mit knöcherner Versteifung und Fusion der benachbarten Wirbelkörper ist die Spondylodese. Daneben gibt es an der Hals- und Lendenwirbelsäule die Möglichkeit des Bandscheibenersatzes durch eine Bandscheibenprothese.
Evolutionäre Entwicklung
Ursprünglich waren Bandscheiben nur bei Säugetieren bekannt; Forscher gingen also davon aus, dass sich diese anatomische Besonderheit auch erst mit dem Aufkommen der Säugetiere entwickelt habe. Neuere Forschungen zeigten aber, dass bereits sehr frühe Wirbeltiere unterschiedlicher Arten Bandscheiben besessen haben. Die Säugetiere haben also die Bandscheiben nicht neu entwickelt, sondern sind die einzige Gruppe von Lebewesen, die die Bandscheiben bis heute behalten hat.[7]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Theodor H. Schiebler, Walter Schmidt: Anatomie: Zytologie, Histologie, Entwicklungsgeschichte, makroskopische und mikroskopische Anatomie des Menschen. 5. Auflage. Springer, Berlin 2013, ISBN 978-3-662-05733-9, S. 143.
- ↑ a b c d e f Michael Schünke: Anatomie - Topographie und Funktion des Bewegungssystems. Georg Thieme, Stuttgart 2000, ISBN 978-3-13-118571-6, S. 134–136.
- ↑ a b c d Walther Graumann: CompactLehrbuch Anatomie. Band 2. Schattauer, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-7945-2062-6, S. 10–11.
- ↑ Theodor H. Schiebler, Walter Schmidt: Anatomie: Zytologie, Histologie, Entwicklungsgeschichte, makroskopische und mikroskopische Anatomie des Menschen. 5. Auflage. Springer, Berlin 2013, ISBN 978-3-662-05733-9, S. 215.
- ↑ Techniker Krankenkasse: Ein gesunder Rücken braucht gut funktionierende Bandscheiben
- ↑ Rolf Wirhed: Sportanatomie und Bewegungslehre. Schattauer, Stuttgart 2001, ISBN 978-3-7945-2081-7, S. 72.
- ↑ Lars Fischer: Anatomie: Skelettanalysen korrigieren Dinosaurier-Irrtum auf www.spektrum.de, 25. August 2020