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Virgl

Felskuppe bei Bozen, Südtirol

Der Virgl ([fɪrgl]; italienisch Virgolo) ist eine Felskuppe südlich der Altstadt von Bozen. Sie ist ein 453 m s.l.m. hoher, sich in den Bozner Talkessel vorschiebender Ausläufer des Kohlerer Bergs bzw. Titschen (Stadlegg), der wiederum den nordwestlichen Eckpunkt des Regglbergs darstellt. Der einst zur ehemals selbständigen Landgemeinde Zwölfmalgreien gehörende Virgl wird vom Eisack umflossen und gilt als kleiner Hausberg der Südtiroler Landeshauptstadt. Lithostratigraphisch gehört er zur Etschtaler Vulkanit-Gruppe.

Virgl

Luftbild von Bozen aus nordöstlicher Richtung mit dem in die Stadtsiedlung hineinragenden Virgl

Höhe 453 m s.l.m.
Lage Bozen
Gebirge Fleimstaler Alpen
Koordinaten 46° 29′ 28″ N, 11° 21′ 22″ OKoordinaten: 46° 29′ 28″ N, 11° 21′ 22″ O
Virgl (Südtirol)
Virgl (Südtirol)

Namensherkunft

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Das Ausgangswort des Namens könnte lateinisch verrucula ‚kleine Warze‘ sein, das relativ früh eingedeutscht zu *firgula wurde.[1]

Geschichte

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Der Virgl aus südöstlicher Richtung mit der Heiliggrabkirche, der Brennerautobahn und dem Eisack

Der langobardische Mönch Paulus Diaconus erwähnt zum Jahr 679 einen bayerischen Grenzgrafen in Bozen (comes Baioariorum quem illi gravionem dicunt), der über Bauzanum et reliqua castra geboten habe;[2] häufig wird in der Literatur der Virgl als dessen Sitz und als eine Art befestigte Fluchtburg betrachtet.[3] Der Virgl selbst wird im Jahr 1237 im Notarsregister von Jakob Haas mit seinem Bewohner Kunz de Virgile ersturkundlich erwähnt.[4] Im Jahr 1295 ist im Notarsbuch von Jakob Tugehenn mit Pertold, Sohn Jakobs de Firgele, ein weiterer Namensträger bezeugt.[5] Im Jahr 1487 ist für den Virgl auch die Alternativbezeichnung Kofel (auff dem Kofel vnnder Weinegkh in der pharr zu Botzenn) belegt.[6] In einer Bozner Urkunde von 1490 tritt auch die Lagebezeichnung in der awen vnder sand Vigilyen kofel auf.[7]

Die Erhebung ist mit den Resten der hochmittelalterlichen Burg Weineck sowie zwei kirchlichen Gebäuden, der romanischen Kapelle St. Vigil unter Weineck am Virgl und der barocken Heiliggrabkirche, zu der als Kalvarienberg ein Kreuzweg führt, stadtgeschichtlich bedeutsam.

1907 wurde die Kuppe mit der Virglbahn erschlossen, die das Restaurant Virglwarte und das Hotel Schönblick (Ferdinand Mungenast, 1898) erreichte und im Zweiten Weltkrieg bei der Bombardierung der Brennerbahnlinie zerstört wurde (1943). Zwischen 1957 und 1976 verband eine Seilbahn den Virgl mit dem Bozner Boden. Ein schmaler Fahrweg gewährleistet seitdem die Erreichbarkeit des Virgls. Über den sogenannten Schulsteig ist der Virgl zudem für Wanderer mit dem über dem Bozner Talkessel erhöht gelegenen Weiler Kampenn verbunden.

Der Virgl wird von mehreren Tunneln durchstoßen, die überregional bedeutsamen Verkehrsinfrastrukturen der Brenner-Transitroute dienen. Der erste Virgltunnel wurde 1940 eröffnet und ist Teil der innerstädtischen Route der Brennerstaatsstraße. In den Kriegsjahren 1944/45 befand sich in diesem 700 Meter langen Tunnel eine unterirdische Produktionsanlage für Kugellager (Deckname Kuckuck), in der mehrere Dutzend Zwangsarbeiter des Durchgangslagers Bozen eingesetzt wurden.[8][9] 1974 erfolgte die Inbetriebnahme des zweiten Virgltunnels für die Brennerautobahn; dieser besteht aus zwei 887 Meter langen Röhren. Im Jahre 2024 begannen die Bauarbeiten für den dritten Virgltunnel, der nach seiner Fertigstellung zwei Gleise der Brennerbahn und ein Gleis der Bahnstrecke Bozen–Meran in sich aufnehmen wird.

Literatur

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  • Richard Staffler: Die Hofnamen von Zwölfmalgreien und Leifers. Bozner Jahrbuch für Geschichte, Kultur und Kunst 1952, Innsbruck, Wagner 1952, S. 98–101 (online)
  • Der Virgl. Aufstieg und Verfall eines Bozner Hausbergs. Dokumentation, 2022, 29:30 min. Produktion: Rai Südtirol. Regie: Günther Neumair und Markus Frings.[10]
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Commons: Virgolo/Virgl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Diether Schürr: Zum Ursprung von Tramin – Termeno. In: Archivio per l’Alto Adige, Band 99–100, 2005–2006, S. 405–424.
  2. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum (= Monumenta Germaniae Historica. Scriptores 48, ed. Georg Waitz), § V 35 f.
  3. Hannes Obermair: Bozner Urkundenwesen des Mittelalters und die Gründung der städtischen Siedlung Bozen. In: Bozen von den Anfängen bis zur Schleifung der Stadtmauer. Berichte der internationalen Studientagung in Schloß Maretsch. Verlagsanstalt Athesia, Bozen 1991, ISBN 88-7014-559-X, S. 159–190, Bezug S. 179 Anm. 6.
  4. Hans von Voltelini: Die Südtiroler Notariats-Imbreviaturen des 13. Jahrhunderts. Teil 1 (= Acta Tirolensia. Band 2). Innsbruck: Wagner 1899, S. 365, Nr. 729b.
  5. Hans von Voltelini, Franz Huter: Die Südtiroler Notariats-Imbreviaturen des 13. Jahrhunderts. Teil 2 (= Acta Tirolensia. Band 4). Innsbruck: Wagner 1951, S. 375, Nr. 596.
  6. Hannes Obermair: Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500. Band 2. Stadtgemeinde Bozen, Bozen 2008, ISBN 978-88-901870-1-8, S. 196, Nr. 1238.
  7. Hannes Obermair, Heinz Noflatscher, Evi Pechlaner: Archiv Payrsberg (Oberpayrsberg). Südtiroler Landesarchiv, 1. März 2014, S. 95, Pos. 340, abgerufen am 21. Juli 2020.
  8. Giorgio Danilo Cocconcelli: Tunnel factories. Le officine aeronautiche Caproni e FIAT nell’Alto Garda 1943–1945. Apostolo Giorgio, Mailand 2002, ISBN 978-88-87261-11-0. S. 65–67
  9. Juliane Wetzel: Italien. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors: Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 9, C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-57238-8. S. 300.
  10. RAI Südtirol: Der Virgl – Aufstieg und Verfall eines Bozner Hausbergs