Tennet TSO
Die Tennet TSO GmbH (eigene Schreibweise: TenneT TSO) mit Sitz in Bayreuth ist ein deutscher Übertragungsnetzbetreiber. Das Unternehmen betreibt in Deutschland ein Höchstspannungs-Stromnetz (220 kV und 380 kV) zwischen Schleswig-Holstein und Bayern mit einer Gesamtlänge von rund 13.559 Kilometern.[2] Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft des niederländischen Stromnetzbetreibers Tennet.
Tennet TSO GmbH
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Rechtsform | Gesellschaft mit beschränkter Haftung |
Gründung | 2009 |
Sitz | Bayreuth, Deutschland |
Leitung |
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Mitarbeiterzahl | 2928 (2021)[1] |
Umsatz | 16,157 Milliarden Euro (2021)[1] |
Branche | Übertragungsnetzbetreiber |
Website | www.tennet.eu/de/ |
Stand: 31. Dezember 2021 |
Geschichte
BearbeitenEntstehung
BearbeitenDas Unternehmen geht auf die 2009 erfolgte Ausgliederung des Übertragungsnetz-Bereiches[3] aus der E.ON Netz GmbH innerhalb des vertikal integrierten Energiekonzerns E.ON und auf die anschließende Desinvestition seitens E.ON zurück. Die in Bayreuth ansässige E.ON Netz war zuvor im Jahr 2000 bei der Fusion von Bayernwerk und PreussenElektra zu E.ON Energie entstanden. Der Verteilnetz-Bereich verblieb nach der Aufspaltung bei der E.ON Netz.
Im Mai 2008 verpflichtete sich der E.ON-Konzern im Zuge eines seit 2007 laufenden Kartellverfahrens – wegen mutmaßlich missbräuchlicher Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung als Übertragungsnetzbetreiber auf dem sekundären Regelenergiemarkt und auch aufgrund rechtlicher Vorgaben zur Entflechtung aus der Energiewirtschaftsgesetz-Novelle von 2005 – gegenüber der Europäischen Kommission, seine deutsche Höchstspannungsnetz-Sparte an einen Wettbewerber zu verkaufen.[4][5] Mit der Verpflichtungszusage erreichte E.ON im November 2008 die Einstellung[6] des Kartellverfahrens durch die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes[5] noch im Vorfeld des Dritten Energiepakets der EU. Der Unternehmensteil sollte gemäß der Verpflichtungszusage spätestens zum 1. Dezember 2010 veräußert werden.[7]
In der Folge wurde am 4. Mai 2009 die von der E.ON Netz abgespaltene aber weiterhin in E.ON-Besitz befindliche Transpower Stromübertragungs-GmbH (TPS) mit Sitz in Bayreuth ins Handelsregister eingetragen.[7][8][9] Transpower beschäftigte zu diesem Zeitpunkt etwa 650 Mitarbeiter.[3]
Eigentumsrechtliche Entflechtung und Umbenennung
BearbeitenIm November 2009 gab E.ON bekannt, sich mit dem niederländischen Stromnetzbetreiber Tennet auf einen Verkauf geeinigt zu haben.[3] Die Übernahme der Transpower Stromübertragungs-GmbH durch Tennet (konkret durch die Tennet GmbH & Co. KG, damals noch Transpower GmbH & Co. KG[10]) für etwa 1,1 Milliarden Euro wurde am 25. Februar 2010 rückwirkend zum 31. Dezember 2009 abgeschlossen.[11] Anfang 2010 beschäftigte Transpower etwa 725 Mitarbeiter.[11]
Wenige Monate später, mit Wirkung zum 5. Oktober 2010, wurde Transpower dem Namen des Mutterkonzerns angeglichen und heißt seitdem Tennet TSO.[12] Die Abkürzung TSO im Namen bedeutet Übertragungsnetzbetreiber (englisch transmission system operator).
Alleingesellschafterin der Tennet TSO ist seit 2010 die deutsche Tennet GmbH & Co. KG, die sich – über mehrere Zwischengesellschaften vermittelt – im Besitz der niederländischen Tennet Holding befindet.[13] Zur Tennet GmbH & Co. KG gehören weitere Beteiligungen und Tochtergesellschaften in Deutschland, u. a. die Tennet Offshore GmbH.[13] Eigentümerin der Tennet Holding ist das Königreich der Niederlande; die Beteiligung wird vom niederländischen Finanzministerium gehalten.[10]
Kauf des deutschen Netzes durch den Bund
BearbeitenDie Tennet Holding hatte 2023 verdeutlicht, den deutschen Teil des Stromnetzes verkaufen zu wollen, da enorme Investitionen in den nächsten Jahren anstehen.[9] Daraufhin wurde mit dem Bund über einen Verkauf verhandelt. Dieser Kauf des deutschen Netzes von Tennet durch die KfW Bank ist im Juni 2024 nach jahrelangen Verhandlungen jedoch gescheitert. Der Bund wollte den deutschen Teil unter anderem wegen des für die Energiewende wichtigen Suedlinks kaufen. Nun erwägt der niederländische Staat beispielsweise einen Teilverkauf oder Börsengang des deutschen Netzes.[8]
Aktivitäten
BearbeitenGesetzlicher Auftrag und Zertifizierung
BearbeitenTennet TSO ist als Übertragungsnetzbetreiber ein Dienstleistungsunternehmen mit gesetzlichem Auftrag. Dieser ergibt sich aus den in § 11 ff. des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) formulierten „Aufgaben der Netzbetreiber“. Im Zentrum stehen dabei der diskriminierungsfreie Betrieb eines sicheren, zuverlässigen und leistungsfähigen Energieversorgungsnetzes sowie dessen Optimierung und Ausbau.
Als Übertragungsnetzbetreiber unterliegt Tennet TSO der wettbewerbspolitischen Regulierung durch die Bundesnetzagentur. Sie erteilte dem Unternehmen 2015, nach anfänglichen Komplikationen wegen fehlender Nachweise über die nötigen finanziellen Mittel, die Zertifizierung als eigentumsrechtlich entflochtener Transportnetzbetreiber gemäß § 8 EnWG.[10]
Netzgebiet und Anlagen
BearbeitenDie Übertragungsleitungen der Tennet TSO sind vorwiegend in den Bundesländern Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie in Teilen von Nordrhein-Westfalen zu finden. Das Unternehmen betreibt 2020 zwölf Umspannwerke in der Höchstspannungsebene[2] und zwei Schaltleitungen in Lehrte-Ahlten und Dachau. Zwei Betriebszentren befinden sich in Lehrte-Ahlten und Bayreuth.
Integration in das europäische Verbundnetz
BearbeitenDas Übertragungsnetz der Tennet TSO ist Teil des europäischen Verbundsystems und nimmt mit der geografischen Lage in Mitteleuropa eine wichtige Transferstellung ein. Übergabestellen bestehen zu den benachbarten Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland und in den Nachbarländern Dänemark zu Energinet.dk, in den Niederlanden zu Tennet, in Tschechien zu ČEPS und in Österreich zu APG.
Die Tennet TSO ist eines der vier deutschen Mitgliedsunternehmen im Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E).[14]
Netzausbau
BearbeitenTennet TSO ist für mehrere Netzausbauvorhaben nach dem Energieleitungsausbaugesetz und dem Bundesbedarfsplangesetz verantwortlich. Dazu zählen u. a. die Westküstenleitung und die Leitung Dörpen/West–Wesel gemeinsam mit Amprion sowie die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Projekte Suedlink gemeinsam mit TransnetBW und Südostlink gemeinsam mit 50Hertz.
Weiteres
Bearbeiten2006 begann E.ON Netz in Schleswig-Holstein auf der 110-kV-Leitung Niebüll–Flensburg einen Feldversuch für Freileitungs-Monitoring und konnte dort die Übertragungskapazität wetterabhängig um zeitweise bis zu 50 Prozent steigern.[15] Mit Stand 2011 hatte Tennet TSO unter Einsatz von 55 Millionen Euro Investitionen mehr als 900 Kilometer Höchstspannungsleitungen und 20 Umspannwerke von Hamburg bis Gießen auf Freileitungs-Monitoring umgerüstet.[16] Laut einer Recherche des Panorama-Magazins im Februar 2023 investierte die Firma keinerlei Eigenkapital in den Netzausbau.[17]
Ähnlich wie NortH2 will Tennet gemeinsam mit dem Fernleitungsnetzbetrieb Thyssengas und Gasunie Deutschland in einem großen Power-to-X-Projekt mehrere große Elektrolyse-Anlagen im niedersächsischen Diele mit insgesamt 100 Megawatt Leistung errichten.[18]
Weblinks
Bearbeiten- Website der Tennet TSO GmbH
- Jürgen Flauger, Klaus Stratmann: Der Einfluss der Niederlande auf den deutschen Netzausbau. In: golem.de, 22. Juli 2019.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b TenneT TSO GmbH, Bayreuth – Jahres- und Tätigkeitsabschluss gemäß EnWG zum Geschäftsjahr vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021. In: Bundesanzeiger. Abgerufen am 12. März 2024.
- ↑ a b Additional CSR data 2021. CSR data linked to Integrated Annual Report 2021. (PDF) Tennet Holding BV, 15. März 2022, abgerufen am 24. April 2022 (englisch).
- ↑ a b c E.ON verkauft Höchstspannungsnetz. Pressemitteilung. E.ON SE, 10. November 2009, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 17. Juni 2015; abgerufen am 1. Februar 2018.
- ↑ Kartellrecht: Kommission begrüßt Vorschläge von E.ON zu strukturellen Abhilfemaßnahmen, um den Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt zu stärken. MEMO/08/132. europa.eu, 28. Februar 2008, abgerufen am 3. Februar 2018.
- ↑ a b Kartellrecht: Kommission öffnet deutschen Strommarkt für den Wettbewerb. IP/08/1774. europa.eu, 26. November 2008, abgerufen am 4. Februar 2018.
- ↑ Entscheidung der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 82 EG-Vertrag und Artikel 54 EWG-Abkommen. (PDF) Sachen COMP 39.388 Deutscher Stromgroßhandelsmarkt und COMP 39.389 Deutscher Regelenergiemarkt. ec.europa.eu, 26. November 2008, abgerufen am 7. Februar 2018 (darin in Abschnitt 6 Zusammenfassung der Verpflichtungen).
- ↑ a b transpower stromübertragungs GmbH – Eigenständige Gesellschaft für Übertragungsnetz der E.ON. Pressemitteilung. transpower stromübertragungs GmbH, 6. Mai 2009, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 26. Juli 2009; abgerufen am 1. Februar 2018.
- ↑ a b Bekanntmachung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 21. April 2009 der E.ON Energie 40. Beteiligungs-GmbH, München (Kapitalerhöhung und Änderung der Firma in transpower stromübertragungs GmbH, GF-Bestellung) beim Amtsgericht München vom 5. Mai 2009, Aktenzeichen: HRB 171458, verfügbar im Elektronischen Bundesanzeiger (Unternehmensregister).
- ↑ a b Bekanntmachung des Eintragung vom 21. Dezember 2007 der E.ON Energie 40. Beteiligungs-GmbH, München beim Amtsgericht München vom 2. Januar 2008, Aktenzeichen: HRB 171458, ebenfalls verfügbar im Elektronischen Bundesanzeiger.
- ↑ a b c Beschluss in dem Verwaltungsverfahren wegen Zertifizierung eines Transportnetzbetreibers (Zertifizierungsverfahren gem. §§ 4a ff. EnWG zum Nachweis der Einhaltung der Entflechtungs- bzw. Organisationsvorgaben durch den Transportnetzbetreiber). (PDF) Az BK6-12-047. Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur, 3. August 2015, abgerufen am 2. Februar 2018.
- ↑ a b E.ON extra-high voltage grid definitively acquired by Tennet. Tennet Holding BV, 25. Februar 2010, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 26. September 2011; abgerufen am 3. Februar 2018 (englisch).
- ↑ Aus transpower wird Tennet. Tennet TSO GmbH, 8. Oktober 2010, abgerufen am 1. Februar 2018.
- ↑ a b Tennet Group legal overview. (PDF) Organigramm. tennet.eu, 31. Dezember 2017, abgerufen am 3. Februar 2018.
- ↑ ENTSO-E Member Companies. entsoe.eu, abgerufen am 1. Februar 2018 (englisch).
- ↑ Freileitungs-Monitoring. (PDF; 306 kB) E.ON Netz GmbH, September 2007, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 17. Juni 2015; abgerufen am 3. Februar 2018.
- ↑ Freileitungs-Monitoring. Optimale Kapazitätsauslastung von Freileitungen. (PDF; 666 kB) Tennet TSO BV, November 2010, abgerufen am 3. Februar 2018.
- ↑ Katrin Kampling, Karen Münster: Hoher Gewinn, keine eigenen Investitionen. In: Tagesschau.de. Das Erste, 28. Februar 2023, abgerufen am 28. Februar 2023.
- ↑ Kathrin Witsch: Shell plant größtes Wasserstoff-Projekt Europas. In: Handelsblatt. 27. Februar 2020, abgerufen am 12. März 2024.