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Die Nacktmaus, auch thymusaplastische Maus oder athymische Maus genannt, ist ein genetischer Mutant der Hausmaus mit fehlendem Thymus. Der Phänotyp (das Aussehen) der Maus äußert sich durch ein Fehlen der Körperbehaarung, woraus sich ihr Name herleitet. Die Nacktmaus ist für die Forschung ein außerordentlich wichtiger Modellorganismus.

Eine Nacktmaus
Nacktmaus von oben
Nacktmaus von vorne
Athymische Maus mit implantiertem humanem Prostatakarzinom (LNCaP-Zelllinie).

Eigenschaften und Verwendung

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Der zugrunde liegende Gendefekt bewirkt nicht nur das Ausbleiben der Körperbehaarung, sondern auch eine fehlende Entwicklung des Thymus verbunden mit einer starken Verringerung der Anzahl an T-Lymphozyten. Im Thymus findet die Umwandlung von Thymozyten (Prä-T-Lymphozyten) in T-Lymphozyten (T-Zellen) statt. Die Anzahl an B-Zellen bei den Lymphozyten ist in der Nacktmaus normal, während reife T-Lymphozyten fehlen.[1] Durch den erheblichen Mangel an T-Lymphozyten hat die Nacktmaus ein stark eingeschränktes Immunsystem, was sie zu einem idealen Wirt für homologe und xenogene (sogenannte Xenografts) Transplantationen macht.[2] Gegen Xenografts, beispielsweise Gewebeteile maligner Tumoren von anderen Lebewesen (meist humanen Ursprungs), gibt es bei der Nacktmaus keine vom Immunsystem induzierte Abstoßungsreaktion.

Xenotransplantationen bei der Nacktmaus werden allgemein in der Forschung genutzt, um beispielsweise neue Methoden in der Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen zu entwickeln.

Das Fehlen des Thymus bewirkt bei der Nacktmaus einen Ausfall:

  1. der Produktion von Antikörpern (dazu werden CD4+-T-Helferzellen benötigt)
  2. der zellvermittelten Immunantwort (erfordert CD4+-T-Helferzellen und/oder Cytotoxische T-Zellen)
  3. der verzögerten Überempfindlichkeit (benötigt CD4+-T-Leukozyten)
  4. der Beseitigung von virulenten oder malignen Zellen (erfordert Cytotoxische T-Zellen)
  5. der Abstoßung von Fremdgewebe (benötigt CD4+-T-Helferzellen und Cytotoxische T-Zellen)

Das schwache Immunsystem der Nacktmäuse erfordert besondere Bedingungen bei der Haltung der Tiere. So sind neben einer speziellen Nahrung eine staubfreie Einstreu in möglichst keimfreier Umgebung (Laminar-Flow-Käfige), Temperaturen um 25 °C und eine Luftfeuchtigkeit von 65 % zur Haltung der Tiere notwendig.[3][4]

Nacktmäuse haben eine spontane Deletion im FOXN1-Gen. Menschen mit Mutationen in FOXN1 sind ebenfalls athymisch und haben ein Immundefizit. Knockout-Mäuse mit einer Deletion in FOXN1 zeigen den gleichen Phänotyp. Nacktmaus-Weibchen haben unterentwickelte Brustdrüsen und sind deshalb nicht in der Lage, ihre Jungen ausreichend zu stillen. Nacktmaus-Männchen werden deshalb mit heterozygoten Weibchen gepaart.

Geschichte

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1961 entstanden in Glasgow infolge einer Spontanmutation bei Albino-Mäusen athymische Mäuse. Die Mutation unterliegt einem autosomal rezessiven Erbgang. Haarlosigkeit und Thymusaplasie (das Fehlen des Thymus) sind dabei untrennbare Eigenschaften.[5][2][6] 1971 führten Rygaard und Povlsen erstmals eine erfolgreiche Transplantation eines humanen Kolonkarzinoms in die Nacktmaus durch.[7][8] 1972 konnten in einer Zellkultur gewachsene Tumorzelllinien in die Nacktmaus transplantiert werden.[9] Mit der Behandlung des bei der Nacktmaus transplantierten Burkitt-Lymphoms wurde 1974 erstmals ein neuer Weg in der präklinischen Entwicklung von Zytostatika beschritten.[10]

Einzelnachweise

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  1. J. Sprent: Migration and Lifespan of Circulating B-Lymphocytes of Nude (nu/nu) Mice. In: Proc. First Intern. Workshop Nude Mice G. Fischer Verlag, New York, Stuttgart, 1974, S. 11–12.
  2. a b J. Schueler: Entwicklung und Charakterisierung humaner Tumormodelle durch orthotope Implantation. Dissertation, FU Berlin, 1999.
  3. H. P. Fortmeyer: Thymusaplastische Maus- (nu/nu) Thymusaplastische Ratte (rnu/rnu)- Haltung, Zucht, Versuchsmodelle. In: Schriftenreihe Versuchstierkunde 8, Verlag P. Parey, Berlin, Hamburg, 1981.
  4. H. P. Fortmeyer, G. Bastert: Breeding and Keeping of nu/nu mice. In: Z. Versuchstierk. 19/1977, S. 339.
  5. E. M. Panterlouris: Absence of the thymus in a mouse mutant. In: Nature 217/1968, S. 370.
  6. S. P. Flanagan: "Nude", a new hairless gene with pleiotropic effects in the mouse. In: Genet Res 8/1966, S. 295–309. PMID 5980117
  7. C. O. Povlsen, J. Rygaard: Heterotransplantation of human adenocarcinoma of the colon and rectum to the mouse of the mutant nude. A study of nine consecutive transplantations. In: Acta Pathol Microbiol Scand 79/1971, S. 159–69.
  8. J. Rygaard: Immunobiology of the mouse mutant "Nude". Preliminary investigations. In: Acta Pathol Microbiol Scand 77/1969, S. 761–2. PMID 4911130
  9. B. C. Giovanella u. a.: Development of invasive tumors in the nude mouse after injection of cultured human melanoma cells. In: J Natl Cancer Inst. 48/1972, S. 1531–33.
  10. C. O. Povlsen, J. Rygaard: Effects of Cyclophosphamide (Endoxan R) on a Burkitt´s Lymphoma serially grown in nude mice. In: Proceedings of the first international workshop on nude mice. Verlag Gustav Fischer, Stuttgart, New York, 1974, S. 285–92.

Literatur

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  • J. Fogh, B. C. Giovanella (Editors): The Nude Mouse in Experimental and Clinical Research (Vol.1). Academic Press, 1978, ISBN 0-12-261860-2
  • J. Fogh, B. C. Giovanella (Editors): The Nude Mouse in Experimental and Clinical Research (Vol.2). Academic Press, 1982, ISBN 0-12-261862-9
  • Laboratory Animals: Origin of Nude Mouse. In: Nature 224/1969, S. 114–5.
  • B. J. Braakhuis u. a.: The potential of the nude mouse xenograft model for the study of head and neck cancer. In: Archives of oto-rhino-laryngology 239/1984, S. 69–79. PMID 6691837
  • T. Devos u. a.: Occurrence of autoimmunity after xenothymus transplantation in T-cell-deficient mice depends on the thymus transplant technique. In: Transplantation, 85/2008, S. 640–4. PMID 18347545
  • D. Kong u. a.: Establishment and characterization of human pancreatic adenocarcinoma cell line in tissue culture and the nude mouse. In: Tissue & Cell 39/2007, S. 217–223. PMID 17560620
  • S. Loisel u. a.: Establishment of a novel human B-CLL-like xenograft model in nude mouse. In: Leukemia Research 29/2005, S. 1347–52.
  • L. Miers u. a.: Implantation of different malignant human cell lines in an athymic mouse does not alter success and growth rates of either xenograft. In: Cancer Biotherapy and Radiopharmaceuticals 20/2005, S. 614–619. PMID 16398613
  • S. C. Yeung u. a.: Combination chemotherapy including combretastatin A4 phosphate and paclitaxel is effective against anaplastic thyroid cancer in a nude mouse xenograft model. In: J Clin Endocrinol Metab 92/2007, S. 2902–9. PMID 17550961
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