Sauerstoff
Eigenschaften | |||||||||||||||||||||||||||||||
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Allgemein | |||||||||||||||||||||||||||||||
Name, Symbol, Ordnungszahl | Sauerstoff, O, 8 | ||||||||||||||||||||||||||||||
Elementkategorie | |||||||||||||||||||||||||||||||
Gruppe, Periode, Block | 16, 2, p | ||||||||||||||||||||||||||||||
Aussehen | Farbloses Gas | ||||||||||||||||||||||||||||||
Massenanteil an der Erdhülle | 49,4 | ||||||||||||||||||||||||||||||
Atomar | |||||||||||||||||||||||||||||||
Atommasse | 15,9994 u | ||||||||||||||||||||||||||||||
Atomradius (berechnet) | 60 (48) pm | ||||||||||||||||||||||||||||||
Kovalenter Radius | 73 pm | ||||||||||||||||||||||||||||||
Van-der-Waals-Radius | 152 pm | ||||||||||||||||||||||||||||||
Elektronenkonfiguration | [He]2s22p4 | ||||||||||||||||||||||||||||||
1. Ionisierungsenergie | 1313,9 | ||||||||||||||||||||||||||||||
2. Ionisierungsenergie | 3388,3 | ||||||||||||||||||||||||||||||
3. Ionisierungsenergie | 5300,5 | ||||||||||||||||||||||||||||||
4. Ionisierungsenergie | 7469,2 | ||||||||||||||||||||||||||||||
Physikalisch | |||||||||||||||||||||||||||||||
Aggregatzustand | gasförmig | ||||||||||||||||||||||||||||||
Modifikationen | 2 (O2, Ozon O3) | ||||||||||||||||||||||||||||||
Kristallstruktur | kubisch | ||||||||||||||||||||||||||||||
Dichte | 1,429 bei 273,15[1] K | ||||||||||||||||||||||||||||||
Mohshärte | keine (Gas) | ||||||||||||||||||||||||||||||
Magnetismus | paramagnetisch | ||||||||||||||||||||||||||||||
Schmelzpunkt | 54,40 K (−218,75 [1] °C) | ||||||||||||||||||||||||||||||
Siedepunkt | 90,18 (−182,97 [1] °C) | ||||||||||||||||||||||||||||||
Molares Volumen | 22,42 · 10−3 m3·mol−1 | ||||||||||||||||||||||||||||||
Verdampfungsenthalpie | 3,4099 | ||||||||||||||||||||||||||||||
Schmelzenthalpie | 0,22259 kJ·mol−1 | ||||||||||||||||||||||||||||||
Dampfdruck | 10 · 103 Pa bei 61 K | ||||||||||||||||||||||||||||||
Schallgeschwindigkeit | 317,5 m·s−1 bei 293 K | ||||||||||||||||||||||||||||||
Spezifische Wärmekapazität | 920 J·kg−1·K−1 bei 298 K | ||||||||||||||||||||||||||||||
Wärmeleitfähigkeit | 0,02674 W·m−1·K−1 | ||||||||||||||||||||||||||||||
Chemisch | |||||||||||||||||||||||||||||||
Oxidationszustände | −2, −1, 0, +1, +2 | ||||||||||||||||||||||||||||||
Normalpotential | 1,23 | ||||||||||||||||||||||||||||||
Elektronegativität | 3,44 (Pauling-Skala) | ||||||||||||||||||||||||||||||
Isotope | |||||||||||||||||||||||||||||||
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Weitere Isotope siehe Liste der Isotope | |||||||||||||||||||||||||||||||
NMR-Eigenschaften | |||||||||||||||||||||||||||||||
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Sicherheitshinweise | |||||||||||||||||||||||||||||||
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Sauerstoff (auch Oxygenium; von griech. Vorlage:Polytonisch oxys „scharf, spitz, sauer“ und γεν- gen- „erzeugen“) ist ein chemisches Element. Es ist ein farb- und geruchloses Gas, das in der Luft zu 21 % enthalten ist. Sauerstoff ist das häufigste Element auf der Erde. Es ist für alle Verbrennungs- und Korrosionsvorgänge nötig. Alle Tiere und die meisten Pflanzen benötigen Sauerstoff zum Leben. Sie entnehmen ihn meistens durch Atmung aus der Luft oder durch Resorption aus in Wasser gelöstem Sauerstoff. In hohen Konzentrationen dagegen ist er für die meisten Lebewesen giftig.
Sauerstoff hat das chemische Symbol O und die Ordnungszahl 8. Elementar tritt er überwiegend in Form eines kovalenten Homodimers auf, also einer chemischen Verbindung aus zwei Sauerstoff-Atomen und mit der Summenformel O2 (molekularer Sauerstoff, Dioxygen oder Disauerstoff). Die weniger stabile, energiereiche und reaktive allotrope Form aus drei Sauerstoffatomen (O3) wird Ozon genannt. Atomarer Sauerstoff, das heißt Sauerstoff in Form freier, einzelner Sauerstoffatome, kommt nur unter extremen Bedingungen vor, beispielsweise im Vakuum des Weltalls oder in heißen Sternatmosphären.
Geschichte
Carl Wilhelm Scheele (1772) und Joseph Priestley (1774) haben unabhängig voneinander den Sauerstoff entdeckt, im Zusammenhang mit der Erforschung von Verbrennungsvorgängen.
Von der Steinzeit bis über das Mittelalter hinaus war das Feuer für den Menschen eine unerklärliche Erscheinung und wurde als Gabe des Himmels hingenommen. Sowohl die Naturphilosophen der Antike als auch die Chemiker des Mittelalters, die so genannten Alchimisten, machten sich über das Wesen des Feuers Gedanken. Sie kamen dabei zu der Ansicht, das Feuer sei ein Grundstoff (siehe Vier-Elemente-Lehre). Im 17. Jahrhundert vermuteten die Forscher einen „leichten geheimnisvollen Stoff“ (Phlogiston), der aus dem brennenden Stoff entweichen würde. Bei dieser Annahme blieb es, bis der deutsch-schwedische Apotheker Carl Wilhelm Scheele 1772 den Sauerstoff entdeckte. Beim Erhitzen von Braunstein (Mangandioxid) oder Kaliumpermanganat mit konzentrierter Schwefelsäure (Vitriol) erhielt er ein farbloses Gas. Da dieses Verbrennungen förderte, nannte es Scheele zuerst „Feuerluft“ oder „Vitriolluft“. Er fand heraus, dass auch Luft aus Sauerstoff und Stickstoff („verdorbene Luft“, die Feuer erstickt) besteht. Scheele konnte sich jedoch nicht erklären, in welchen genauen Zusammenhang Verbrennung und Sauerstoff stehen. Völlig unabhängig davon konnte der Engländer Joseph Priestley zwei Jahre später durch Erhitzen von Quecksilberoxid Sauerstoffgas herstellen. Der Brite veröffentlichte seine Erkenntnisse im Jahr 1774, Scheele jedoch publizierte sein Buch Chemische Abhandlung von der Luft und dem Feuer erst 1777.
Nach der Entdeckung des Sauerstoffs war seine Bedeutung bei der Verbrennung noch nicht geklärt. Dafür sorgte erst der Franzose Antoine Lavoisier. Bei seinen Experimenten fand er heraus, dass es sich bei der Verbrennung einer Substanz um ihre Reaktion mit Sauerstoff handeln müsse, denn er konnte durch Wägung nachweisen, dass ein Stoff nach seiner Verbrennung nicht leichter, sondern schwerer war. Dafür kam als Ursache nur das zusätzliche Gewicht des während des Verbrennungsprozesses aufgenommenen Sauerstoffs in Frage. Diese uns heute so selbstverständliche Definition der Verbrennung war also ein fundamentales Forschungsergebnis nach langer Zeit des Unwissens und mystischer Spekulationen.
Früher wurde der Sauerstoff für die Bildung von Säuren verantwortlich gemacht. Aus diesem Grund wurde der Begriff Oxygenium (Säurebildner) 1779 von Lavoisier für Sauerstoff vorgeschlagen. Tatsächlich entstehen die meisten anorganischen Säuren bei der Lösung von Nichtmetalloxiden in Wasser, welches aus den Elementen Wasserstoff und Sauerstoff besteht. Die Halogene Chlor und Brom hielt man daher lange Zeit für Oxide unbekannter Elemente. Dass aber nicht der Sauerstoff, sondern der Wasserstoff für den Säurecharakter verantwortlich ist, erkannte man erst später.
Vorkommen
Vorkommen auf der Erde
Sauerstoff ist das häufigste und am weitesten verbreitete Element auf der Erde. Es kommt sowohl in der Atmosphäre, als auch in der Lithosphäre, der Hydrosphäre und der Biosphäre vor. Sauerstoff hat einen Massenanteil von 50,5 %[2] an der Erdkruste (bis 16 km Tiefe, einschließlich Hydro- und Atmosphäre). An der Luft beträgt sein Massenanteil 23,16 %[3] (Volumenanteil: 20,95 %[3]), an Wasser 88,8 %[3] (Meerwasser: 86 %[3], da dort größere Mengen Ionen gelöst sind).
In elementarem Zustand wird Sauerstoff in Form von O2 in der Atmosphäre und in Gewässern gelöst gefunden. Dabei hält sich der relativ reaktionsfreudige Sauerstoff auf Dauer nur in Form eines Fließgleichgewichtes, da Sauerstoff produzierende Pflanzen immer soviel nachliefern, wie ständig von atmenden Lebewesen wieder verbraucht wird. Ohne diesen biologischen Kreislauf würde er nur in Verbindungen vorkommen. Die Entwicklung der Sauerstoffkonzentrationen in der Erdatmosphäre wird im Artikel Entwicklung der Erdatmosphäre beschrieben. In geringen Mengen ist das Sauerstoff-Allotrop O3 (Ozon) in der Atmosphäre vorhanden.
In Verbindungen kommt Sauerstoff überall auf der Erde vor. In der Erdhülle sind fast alle Minerale und damit Gesteine sauerstoffhaltig. Zu den wichtigsten zählen dabei Silicate (Silicium-Sauerstoff-Verbindungen, wie Feldspäte, Glimmer und Olivine), Carbonate, beispielsweise Calciumcarbonat in Kalkstein und Oxide wie Siliciumdioxid (Quarz).
Vorkommen im Weltraum
Im Weltall ist Sauerstoff nach Wasserstoff und Helium das dritthäufigste Element. Der Massenanteil von Sauerstoff beträgt im Sonnensystem etwa 0,8% (dies entspricht einem Anzahlanteil von etwa 500 ppm).[4]
Sauerstoff ist nicht in der primordialen Nukleosynthese entstanden, entsteht aber in verhältnismäßig großen Mengen in Riesensternen durch Heliumbrennen. Dabei wird zunächst aus drei Heliumkernen 12C gebildet (Drei-Alpha-Prozess), das anschließend mit einem weiteren Heliumkern zu 16O fusioniert. 18O wird durch Fusion eines 4He- mit einem 14N-Kern gebildet. Auch in so genannten Hauptreihensternen wie der Sonne spielt Sauerstoff bei der Energiegewinnung eine Rolle. Beim CNO-Zyklus (Bethe-Weizsäcker-Zyklus) stellt Sauerstoff ein Zwischenprodukt der Kernreaktion dar, bei der durch Protoneneinfang eines 12C-Kerns, der als Katalysator wirkt, ein 4He-Kern (Alpha-Teilchen) entsteht. In extrem schweren Sternen kommt es in der Spätphase ihrer Entwicklung zum Sauerstoffbrennen, bei dem der Sauerstoff als nuklearer Brennstoff für Reaktionen dient, die zum Aufbau noch schwererer Kerne führen.
Die meisten Weißen Zwerge, die nach Stand der Theorie den Endzustand 97% aller Sterne darstellen, bestehen neben Helium und Kohlenstoff zu einem großen Teil aus Sauerstoff.[5]
Gewinnung und Darstellung
Technisch wird Sauerstoff heute fast ausschließlich durch Rektifikation von Luft gewonnen. Das Verfahren wurde 1902[2] zunächst von Carl von Linde entwickelt (Linde-Verfahren) und von Georges Claude wirtschaftlich rentabel gestaltet. Geringe Mengen ergeben sich als Nebenprodukt bei der Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse von Wasser.
Zur Sauerstoffgewinnung nach dem Claude-Verfahren wird zunächst die durch Filter von Kohlenstoffdioxid, Luftfeuchtigkeit und anderen Gasen befreite Luft mit Hilfe von Turbinen auf 5–6 bar verdichtet. Die dabei entstehende Wärme kann dabei zunächst in mechanische und über Generatoren in elektrische Energie umgewandelt werden und so sinnvoll genutzt werden.[6] Dadurch wird das Verfahren – im Gegensatz zum Linde-Verfahren, bei dem die Wärme durch Wasserkühlung abgeführt wird – deutlich wirtschaftlicher. Die verdichtete Luft wird durch vorbeiströmende Gase aus dem Prozess auf eine Temperatur nahe dem Siedepunkt abgekühlt.
Die eigentliche Trennung von Stickstoff und Sauerstoff erfolgt durch Destillation in zwei Rektifikationskolonnen mit unterschiedlichen Drücken. Die Destillation erfolgt dabei im Gegenstromprinzip, das heißt durch die Kondensationswärme verdampftes Gas strömt nach oben, kondensierte Flüssigkeit tropft nach unten. Da Sauerstoff einen höheren Siedepunkt als Stickstoff besitzt, kondensiert es leichter und sammelt sich so am Boden, Stickstoff am Kopf der Kolonne. Die Trennung erfolgt zunächst bei 5–6 bar[7] in der sogenannten Mitteldruckkolonne[6]. Die dabei entstehende sauerstoffangereicherte Flüssigkeit wird anschließend in der Niederdruckkolonne (Druck etwa 0,5 bar[7]) weiter getrennt. Durch den flüssigen Sauerstoff der Niederdruckkolonne wird gasförmiger Stickstoff der Hochdruckkolonne geleitet. Dabei verflüssigt sich dieser und erwärmt mit der abgegebenen Kondensationswärme die Flüssigkeit. Der leichter flüchtige Stickstoff wird bevorzugt abgegeben und es bleibt gereinigter flüssiger Sauerstoff zurück. Dieser enthält noch die Edelgase Krypton und Xenon, die in einer separaten Kolonne abgetrennt werden.
Um kleinere Mengen Sauerstoff zu produzieren, kann Sauerstoff aus der Luft durch Adsorption von anderen Gasen getrennt werden. Dazu strömt Luft durch Molekularsiebe. Dabei werden Stickstoff und Kohlenstoffdioxid adsorbiert und nur Sauerstoff und Argon gelangen hindurch.[8]
Ein älteres Verfahren ist das auf chemischen Reaktionen beruhende Bariumoxid-Verfahren. Es ist infolge des hohen Energieaufwandes unwirtschaftlich. Dafür wird Bariumoxid unter Luftzufuhr auf 500 °C erhitzt, wobei sich Bariumperoxid bildet. Beim Erhitzen auf 700 °C wird der zuvor aufgenommene Sauerstoff durch Thermolyse wieder freigesetzt. Vor Entwicklung des Linde-Verfahrens war dieses Verfahren die einzige Möglichkeit, reinen Sauerstoff darzustellen.
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- Bildung des Bariumperoxids
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- Freisetzung von Sauerstoff und Rückgewinnung des Bariumoxids
Einige sauerstoffreiche anorganische Verbindungen wie Kaliumpermanganat, Kaliumnitrat (Salpeter), Kaliumchlorat und Kaliumchromat geben bei Erwärmung oder Reaktion mit Reduktionsmitteln Sauerstoff ab.
Eine weitere Möglichkeit, Sauerstoff im Labor zu erzeugen, ist die Zersetzung von Wasserstoffperoxid an platinierter Nickelfolie.[7]
Reinen Sauerstoff kann man mittels Elektrolyse von 30 %iger Kalilauge an Nickelelektroden erhalten. Dabei entstehen Wasserstoff und Sauerstoff getrennt voneinander.
Eigenschaften
Physikalische Eigenschaften
Molekularer Sauerstoff ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas, welches bei −182,97 °C[3] zu einer farblosen Flüssigkeit kondensiert. In dicken Schichten zeigt gasförmiger und flüssiger Sauerstoff eine blaue Farbe. Unterhalb −218,75 °C[3] erstarrt Sauerstoff zu blauen Kristallen. Das Element kommt fest in mehreren Modifikationen vor. Zwischen −218,75 und −229,35 °C[3] liegt Sauerstoff in der kubischen γ-Modifikation und zwischen −229,35 und −249,26 °C[3] in einer rhomboedrischen β-Modifikation vor. Unterhalb von −249,26 °C ist schließlich die monokline α-Modifikation am stabilsten. Es ist – im Gegensatz zu anderen Nichtmetallen – paramagnetisch und besitzt radikalischen Charakter.
Sauerstoff ist in Wasser wenig löslich (49,1 ml in 1 l Wasser bei 0 °C). Die Löslichkeit ist abhängig vom Druck (14,16 mg/l bei 0 °C und bei 1013,25 hPa) und der Temperatur; sie steigt mit abnehmender Temperatur und zunehmendem Druck.
Molekülorbitale
Die Bindung und die Eigenschaften des Sauerstoff-Moleküls können am Besten mit dem Molekülorbital-Modell beschrieben werden. Dabei werden die s- und p-Atomorbitale der einzelnen Atome zu bindenden und antibindenden Molekülorbitalen zusammengesetzt. Die 1s- und 2s-Orbitale der Sauerstoffatome werden jeweils zu σs und σs*- bindenden und antibindenden Molekülorbitalen. Da diese Orbitale vollständig mit Elektronen gefüllt sind, tragen sie nichts zur Bindung bei. Aus den 2p-Orbitalen werden insgesamt sechs Molekülorbitale mit unterschiedlicher Energie. Dies sind die bindenden σp-, πx- und πy-, sowie die entsprechenden antibindenden σp*-, πx*- und πy*-Molekülorbitale. Die π-Orbitale besitzen dabei gleiche Energie. Werden Elektronen in die Molekülorbitale verteilt, kommt es dazu, dass von den acht p-Elektronen sechs die bindenden füllen und zwei in die antibindenden π*-Orbitale kommen. Diese beiden bestimmen als Valenzelektronen die Eigenschaften des O2-Moleküls. Sauerstoff besitzt für die Verteilung dieser Elektronen insgesamt drei erlaubte und energetisch erreichbare quantenmechanische Zustände.
Der Grundzustand (Termsymbol 3Σg), kann als Triplett-Zustand beschrieben werden, in dem die Spins beider Valenzelektronen gemäß der Hundschen Regel parallel sind. Er ist der Zustand mit der niedrigsten Energie und damit der Grundzustand des Moleküls. Durch die beiden ungepaarten Elektronen sind die zwei π*-Orbitale nur halb besetzt und es ergibt sich eine „halbe Bindung“. Diese verursacht einige charakteristische Eigenschaften, wie den radikalischen Charakter und den Paramagnetismus des Sauerstoff-Moleküls.
Trotz der formalen Bindungsordnung „zwei“ lässt sich keine entsprechende korrekte Valenzstrichformel für O2 angeben. <O=O> bringt den Doppelbindungscharakter zum Ausdruck, ignoriert aber sowohl die besetzten antibindenden Orbitale als auch den Radikalcharakter. Die Schreibweise •Ō-Ō• wird gern verwendet, um die biradikalischen Eigenschaften hervorzuheben.
Singulett-Sauerstoff
Sauerstoff besitzt zwei unterschiedliche angeregte Zustände, die beide eine deutlich größere Energie als der Grundzustand besitzen. Bei beiden Zuständen sind die Spins der Elektronen entgegen der Hundschen Regel antiparallel ausgerichtet, sie sind somit diamagnetisch. Angeregter Sauerstoff wird nach der quantenmechanischen Bezeichnung für diesen Zustand auch Singulett-Sauerstoff (1O) genannt. Die beiden Singulett-Zustände unterscheiden sich dadurch, ob sich die beiden Elektronen in einem (Termsymbol: 1 Δg) oder beiden π*-Orbitalen (Termsymbol: 1 Σg) befinden. Der 1 Σg-Zustand ist energetisch ungünstiger und wandelt sich sehr schnell in den 1 Δg-Zustand um.
Die Bildung von Singulett-Sauerstoff ist auf verschiedenen Wegen möglich: sowohl photochemisch aus Triplett-Sauerstoff, als auch chemisch aus anderen Sauerstoffverbindungen. Eine direkte Gewinnung aus Triplett-Sauerstoff durch Bestrahlung mit elektromagnetischer Strahlung (z. B. Licht) ist allerdings aus quantenmechanischen Gründen ausgeschlossen. Der Grund hierfür liegt darin, dass sich nach der Quantenmechanik der Gesamtspin eines Systems bei Bestrahlung mit Bosonen, zu denen das Photon gehört, nicht ändern darf. Eine Möglichkeit, dieses Verbot zu umgehen, ist die gleichzeitige Bestrahlung mit Photonen und Kollision zweier Moleküle. Durch diesen unwahrscheinlichen Vorgang, der in der flüssigen Phase wahrscheinlicher ist, entsteht die blaue Farbe des flüssigen Sauerstoffs (Adsorption im roten Spektralbereich). Auch mit Hilfe geeigneter Farbstoffe, wie Methylenblau oder Eosin, lässt sich auf photochemischem Weg Singulett-Sauerstoff darstellen. Chemisch wird er aus Peroxiden gewonnen. Bei der Umsetzung von Wasserstoffperoxid mit Hypochlorit entsteht zunächst die instabile Peroxohypochlorige Säure, die schnell in Chlorwasserstoff und Singulett-Sauerstoff zerfällt.
Diese Form von Sauerstoff ist ein starkes und selektives Oxidationsmittel und wird in der organischen Chemie häufig verwendet. So reagiert er im Gegensatz zu normalen Sauerstoff mit 1,3-Dienen in einer [4+2]-Cycloaddition zu Peroxiden. Mit Alkenen und Alkinen reagiert Singulett-Sauerstoff in einer [2+2]-Cycloaddition.
Chemische Eigenschaften von Sauerstoff
Sauerstoff reagiert mit den meisten Elementen des Periodensystems direkt. Es gibt einige Ausnahmen, insbesondere unter den Nichtmetallen und Edelmetallen. Mit Stickstoff sind Reaktionen nur unter speziellen Bedingungen, etwa bei Blitzen, möglich. Fluor bildet nur bei tiefen Temperaturen unter elektrischen Entladungen die Verbindung Disauerstoffdifluorid (O2F2). Das edelste Metall Gold, die Halogene Chlor, Brom und Iod, sowie die Edelgase reagieren nicht direkt mit Sauerstoff. Einige weitere Edelmetalle wie Platin und Silber reagieren nur schlecht mit Sauerstoff.
Gasförmiger Sauerstoff ist relativ reaktionsträge, viele Reaktionen finden bei Normalbedingungen gar nicht oder nur langsam statt. Der Grund hierfür liegt darin, dass Sauerstoff metastabil und kinetisch gehemmt ist. Zur Reaktion werden entweder eine hohe Aktivierungsenergie oder sehr reaktive Radikale benötigt. Diese Barriere kann durch Temperaturerhöhung, Licht oder Katalysatoren (beispielsweise Platin) überschritten werden. Zusätzlich wird bei vielen Metallen die Reaktion dadurch gehindert, dass das Material mit einer dünnen Metalloxidschicht überzogen ist und dadurch passiviert wird. Bei einigen Reaktionen wie der Knallgasreaktion reichen wenige Radikale für eine Reaktion aus, da diese nach einem Kettenreaktions-Mechanismus weiterreagieren. Deutlich stärker oxidierend als gasförmiger Sauerstoff wirkt trotz der tiefen Temperaturen flüssiger Sauerstoff. In diesem bildet sich der reaktive Singulett-Sauerstoff leicht. Auch in Gegenwart von Wasser oder Wasserdampf verlaufen viele Oxidationsreaktionen mit Sauerstoff leichter.
Reaktionen mit Sauerstoff sind fast immer Redox-Reaktionen, bei denen Sauerstoff in der Regel zwei Elektronen aufnimmt und so zum Oxid reduziert wird. Das Element zählt somit zu den Oxidationsmitteln. Häufig verlaufen diese Reaktionen bedingt durch die große freiwerdende Bindungs- oder Gitterenergie unter starker Wärmeabgabe. Es gibt auch explosionsartig verlaufende Reaktionen, wie die Knallgasreaktion oder Staubexplosionen von feinverteilten Stoffen in Luft oder reinem Sauerstoff.
Allotrope
- siehe auch Hauptartikel: Allotrope Formen von Sauerstoff
Neben dem in diesem Artikel beschriebenen Disauerstoff O2 bildet Sauerstoff mehrere Allotrope, die nach der Anzahl Sauerstoffatome zu unterscheiden sind. Das wichtigste Allotrop ist dabei Ozon O3, daneben sind die selteneren Allotrope Tetrasauerstoff (O4) und Oktasauerstoff (O8) bekannt.
Ozon
- siehe auch Hauptartikel: Ozon
Ozon (O3) ist ein blaues, charakteristisch riechendes Gas, das aus drei Sauerstoff-Atomen besteht. Es ist instabil, sehr reaktiv und ein starkes Oxidationsmittel. Gebildet wird es aus molekularem Sauerstoff und Sauerstoff-Atomen. Auch eine Bildung durch Reaktion von Stickstoffdioxid mit Sauerstoff unter UV-Strahlung ist möglich.
Eine wichtige Rolle spielt Ozon in der Ozonschicht der Atmosphäre, von der ein Teil der UV-Strahlung, die auf die Erde trifft, adsorbiert wird.
Andere Allotrope
Eine Hochdruckphase des Sauerstoffs entsteht bei Drücken größer 10 GPa als roter Feststoff. Nach kristallographischen Untersuchungen wird angenommen, dass es sich um Oktasauerstoff O8-Ringe handelt. Daneben existiert Tetrasauerstoff als ein sehr seltenes und instabiles Allotrop des Sauerstoffs. Es konnte 2001 im Massenspektrometer nachgewiesen werden.[9] In geringer Konzentration kommt es in flüssigem Sauerstoff vor.
Isotope
Das häufigste stabile Sauerstoffisotop ist 16O (99,76 %), daneben kommt noch 18O (0,20 %) sowie 17O (0,037 %) vor. Neben den stabilen Sauerstoffisotopen sind noch insgesamt 13 instabile, radioaktive Nuklide von 12O bis 28O [10] bekannt, die nur künstlich herstellbar sind. Ihre Halbwertszeiten betragen meist nur Millisekunden bis Sekunden, 15O besitzt dabei mit zwei Minuten die längste Halbwertszeit[10] und wird häufig in der Positronen-Emissions-Tomographie verwendet.
Wassermoleküle mit dem leichteren 16O verdunsten schneller. Deshalb müssen Eisschichten mit einem höheren relativen Anteil an 18O aus wärmeren Zeiten stammen, da nur bei der starken Verdunstung wärmerer Perioden vermehrt 18O mit zur Wolkenbildung beitragen. Je höher die globale Temperatur ist, desto weiter können die mit schweren Sauerstoffisotopen beladene Wolken in die Polarregionen vordringen, ohne vorher abzuregnen.
In kälteren Perioden befindet sich mehr 18O in Meeressedimenten. Meereis besteht hauptsächlich aus den leichteren Wassermolekülen aus 16O. Wenn es in einer Kaltphase zu einer starken Neubildung von Meereis kommt, bleibt vermehrt Meerwasser aus 18O zurück, welches durch die permanente Einlagerung von Sauerstoff in die Kalkschalen der Meerestiere (Calciumcarbonat) verstärkt in Sedimentschichten dieser Zeit nachweisbar ist. Auch gibt es regionale Unterschiede in der 18O-Anreicherung in Organismen nach Art ihrer Trinkwasserquelle.
Durch eine Isotopenuntersuchung von Eisbohrkernen oder Sedimentproben und die Bestimmung des 16O-/18O-Verhältnisses lassen sich Informationen über die Durchschnittstemperatur und damit die Klimaerwärmung und -abkühlung in früheren Zeiten gewinnen.
Als einziges stabiles Isotop besitzt das seltene 17O einen Kernspin von 5/2[11] und kann damit für NMR-Untersuchungen verwendet werden. Die anderen stabilen Isotope besitzen den Kernspin 0 und sind damit NMR-inaktiv.
Siehe auch: Liste der Sauerstoff-Isotope
Verwendung
Sauerstoff wird für industrielle Verbrennungs-, Oxidations- und Heizprozesse, in der Medizin und in Luft- und Raumfahrt verwendet. Alle aeroben Organismen benötigen Sauerstoff als Oxidationsmittel für metabolische Vorgänge innerhalb der Zellen.
Medizin
Verletzungen und viele Erkrankungen der Lunge sowie einige Herzkrankheiten und insbesondere Schockzustände können zu einem Sauerstoffmangel (Hypoxie) in den Schlagadern (Arterien) und im Gewebe lebenswichtiger Organe führen. Aus diesem Grund wird Patienten in der Notfall- und Intensivmedizin sehr häufig zusätzlicher Sauerstoff verabreicht. Bei selbstständig atmenden Patienten wird die Umgebungsluft mit Hilfe verschiedener Sonden und Masken mit Sauerstoff angereichert, bei künstlich beatmeten Patienten wird der Sauerstoff im Beatmungsgerät zugemischt. Der Effekt der Sauerstoffanreicherung im Blut ist mit Hilfe der Pulsoxymetrie oder anhand von Blutgasanalysen messbar.[12]
Bei Krankheiten mit einem schweren chronischen Sauerstoffmangel werden durch eine langfristige und täglich mehrstündige Zufuhr von Sauerstoff (Sauerstoff-Langzeittherapie) sowohl die Lebensqualität als auch die Überlebensdauer verbessert.[13] Die Inhalation von 100 % Sauerstoff über eine Maske (7–15 l/min über 15–20 min.) ist das Mittel der ersten Wahl zur Akutbehandlung von Cluster-Kopfschmerz[14]. Der 100 %-ige Sauerstoff kann bei der Beatmung zu Problemen wegen Verdrängens des Kohlenstoffdioxid aus den Gefäßen[15] sowie zur unerwünschten Erhöhung der Hirnaktivität in Hypothalamus, der Insula sowie im Hippocampus führen. Diese negativen Folgen werden durch den Zusatz von Kohlenstoffdioxid vermieden.[16]
Sauerstoff zur Anwendung in der Humanmedizin unterliegt aufgrund gesetzlicher Regelungen einer strengen Kontrolle. Der in weiß gekennzeichneten Flaschen abgefüllte medizinische Sauerstoff gilt in Deutschland als Fertigarzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG)[17].
Vorsicht ist bei der Sauerstoffgabe geboten, wenn Patienten an einer chronischen Lungenerkrankung mit erhöhtem CO2-Partialdruck leiden. Bei ihnen kann das plötzliche „Überangebot“ an Sauerstoff zu einer CO2-Narkose mit Atemstillstand führen.[18]
Technik
Industriell verwendet wird Sauerstoff hauptsächlich in der Metallurgie zur Herstellung von Roheisen und Stahl, sowie bei der Kupfer-Raffination. Reiner Sauerstoff oder sauerstoffangereicherte Luft dient hier einerseits zum Erreichen hoher Temperaturen, andererseits zum Frischen des Rohstahls, d. h. zum Entfernen unerwünschter Beimengungen aus Kohlenstoff, Silicium, Mangan und Phosphor, die oxidiert und abgetrennt werden. In chemischen Prozessen wird Sauerstoff meist zur Oxidation von verschiedenen Grundstoffen, wie bei der Olefin-Oxidation von Ethen zu Ethylenoxid und bei der teilweisen (partiellen) Oxidation von Schweröl und Kohle verwendet. Benötigt wird Sauerstoff außerdem zur Erzeugung von Wasserstoff- und Synthesegas und der Herstellung von Schwefel- und Salpetersäure. Weitere durch Oxidation mit Sauerstoff hergestellte wichtige Produkte sind Acetylen, Acetaldehyd, Essigsäure, Vinylacetat und Chlor. In der Glasindustrie sowie beim Schweißen und Schneiden von Beton dient der Sauerstoff zum Erreichen von notwendigen hohen Temperaturen.
Sauerstoff wird ebenso verwendet zur Darstellung von Ozon, als Oxidationsmittel in Brennstoffzellen und in der Halbleitertechnik. In der Raketentechnik wird flüssiger Sauerstoff als Oxidationsmittel verwendet und mit LOX (liquid oxygen) abgekürzt.
In der Umwelttechnik werden Abwässer durch Einleitung von Sauerstoffgas schneller durch Bakterien von organischen Schadstoffen und Giften befreit.
Biologische Bedeutung
Sauerstoff befindet sich in der Natur in einem steten Kreislauf. Er wird ständig von autotrophen Lebewesen wie Cyanobakterien (veraltet: Blaualgen), Algen und Pflanzen bei der oxygenen Photosynthese aus Wasser und Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Er ist dabei ein Abfallprodukt der eigentlich gewünschten Gewinnung von energiereichen organischen Verbindungen wie Glucose. Cyanobakterien waren wahrscheinlich die ersten Organismen, die molekularen Sauerstoff als Abfallprodukt in der Atmosphäre anreicherten. Die meisten heterotrophen Organismen, insbesondere alle Tiere einschließlich des Menschen, benötigen diesen Sauerstoff zur Energiegewinnung. Sie werden auch aerobe Organismen genannt. Die Energiegewinnung erfolgt in den Mitochondrien im Rahmen der Atmungskette durch Reduktion des Sauerstoffs zu Wasser. Gleichzeitig werden organische Stoffe zu Kohlenstoffdioxid oxidiert.
Da Sauerstoff und einige seiner Verbindungen sehr reaktiv sind und Zellstrukturen zerstören kann, besitzen Organismen Schutzenzyme wie Katalase und Peroxidase. Für Organismen denen diese Enzyme fehlen wirkt Sauerstoff toxisch. Beim Abbau des Sauerstoffs entstehen reaktive Sauerstoffspezies, wie freie Radikale, die ebenfalls biologische Moleküle zerstören können. Werden sie nicht schnell genug abgefangen, entsteht sogenannter oxidativer Stress, der für Alterungsprozesse verantwortlich gemacht wird.
In den Phagozyten (Fresszellen) des Immunsystems dienen diese reaktivem Sauerstoffspezies (Wasserstoffperoxid und Hyperoxidionen) neben anderen Enzymen dazu, aufgenommene Krankheitserreger zu zerstören.
Problematische Auswirkungen
Wird reiner Sauerstoff oder Luft mit einem höheren Sauerstoffanteil über längere Zeit eingeatmet, kann es zur Vergiftung der Lunge, dem sogenannten Lorraine-Smith-Effekt kommen. Dabei werden die Lungenbläschen (Lungenalveolen) durch Anschwellen in ihrer normalen Funktion gehindert.
Der Paul-Bert-Effekt bezeichnet eine Sauerstoffvergiftung des Zentralnervensystems. Diese kann bei Hochdruckatmung jeglicher Sauerstoff-Stickstoff-Gemische auftreten, das Riskiko erhöht sich jedoch mit Erhöhung des Sauerstoffanteils und des Gesamtdrucks. Bei Sauerstoff-Teildrücken oberhalb 1,7 bar kommt es innerhalb relativ kurzer Zeit zu einer Vergiftung. Dies spielt beispielsweise beim Tauchen eine Rolle, da es die maximale Tauchtiefe anhängig vom Sauerstoffpartialdruck begrenzt.
Hyperoxidanionen im Stoffwechsel
Hyperoxidanionen (alte Bezeichnung: Superoxidanionen) sind einfach negativ geladene und radikalische Sauerstoffionen (O2−), die durch Elektronenübertragung auf molekularen Sauerstoff entstehen. Diese sind äußerst reaktiv. Mitunter werden sie als Nebenprodukt des Stoffwechsels (Metabolismus) wie durch Nebenreaktionen bei einigen Oxidasen (Xanthin-Oxidase) gebildet. Hyperoxidanionen entstehen ebenfalls beim Photosynthese-Komplex I und als Nebenprodukt der Atmungskette (mitochondriale Atmung). Xenobiotika und cytostatische Antibiotika fördern dabei ihre Entstehung. Beim Auftreten einer Entzündung wird durch eine membranständige NADPH-abhängige Oxidase Hyperoxidanionen ins extrazelluläre Milieu abgegeben. Sie führen zu oxidativem Stress. Beispielsweise kommt es beim Fettsäureabbau in den Peroxisomen zur Übertragung von Elektronen von FADH2 auf molekularen Sauerstoff. Die entstandenen Hyperoxidanionen können zum Zellgift Wasserstoffperoxid weiterreagieren. Beim Ablauf der Atmungskette entstehen diese radikalischen Sauerstoffspezies in geringen Mengen. Es bestehen Vermutungen, dass die Erbgutschädigungen, die solche Sauerstoffspezies hervorrufen, an Alterungsprozessen beteiligt sind. Es ist daher für den Organismus von essentieller Bedeutung, diese Hyperoxidanionen zügig abzubauen. Dies geschieht mittels der Superoxid-Dismutase.
Nachweis und Konzentrationsmessung
Sauerstoff kann dadurch nachgewiesen werden, dass er Verbrennungen unterhält. Am einfachsten ist die Nachweisreaktion über die so genannte Glimmspanprobe, bei der ein leicht glühender Holzspan in das zu untersuchende Gasgemisch gehalten wird, ein Aufleuchten weist auf hohe Sauerstoffkonzentrationen hin.
Zur genaueren Bestimmung der Sauerstoffkonzentration eines Gases finden unterschiedliche Messverfahren Anwendung, die von dem zu erfassenden Konzentrationsbereich und den begleitenden Substanzen abhängen. Man kann physikalische und chemische Messverfahren unterscheiden.
Zu den physikalischen Messverfahren zählt das paramagnetische Verfahren (Magnos). Es geht von der Tatsache aus, dass die Sauerstoffmoleküle auf Grund ihres permanenten magnetischen Dipolmoments paramagnetisch sind, alle anderen Gase mit geringen Ausnahmen diamagnetisch sind. Bei der messtechnischen Realisierung in so genannten thermomagnetischen Geräten wird das Messgas der Wirkung eines Magnetfeldes und anschließend in einem Teilstrom einem Temperaturfeld ausgesetzt. Es entsteht in der Messzelle eine Gasströmung, der so genannte „magnetische Wind“. Die Geräte können auch in explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt werden.
Ein weit verbreitetes elektrochemisches Messverfahren nutzt die Sauerstoffleitfähigkeit von Zirkondioxid aus. Dabei wird das sauerstoffhaltige Messgas beispielsweise durch ein auf über 700 °C erhitztes Zirkondioxid-Röhrchen geleitet, das innen und außen Elektroden trägt und außen der Umgebungsluft ausgesetzt ist. Dadurch entsteht an den Elektroden eine elektrische Spannung, die nach dem Nernstschen Gesetz von der absoluten Elektrodentemperatur und dem Verhältnis der Sauerstoffpartialdrücke an den beiden Elektroden abhängt. Der Sauerstoffpartialdruck der Luft dient hierbei als Vergleichsgröße.
Bevorzugte Anwendungen sind Rauchgasmesssonden und die in den Kraftfahrzeugen verwendeten Lambda-Sonden.
Mit Hilfe von Zirkondioxidsensoren können ohne Probleme einerseits Sauerstoffpartialdrücke im ppm-Bereich und andererseits bei hohen Temperaturen (ca. 1.500 °C) gemessen werden.
Zu den chemisch-analytischen Bestimmungsverfahren zählt die Sauerstoffbestimmung nach Winkler. Hier wird die Oxidierbarkeit von Mangan(II)-Salzen durch Sauerstoff bis hin zum vier- und siebenwertigen Mangan genutzt, um die Sauerstoffmenge in der Probe zu bestimmen. Sauerstoff-abgebende Oxidationsmittel wie Kaliumpermanganat und Kaliumdichromat dienen umgekehrt zur Bestimmung des chemischen Sauerstoffbedarfs (CSB) in Gewässeranalytik und Wassergütebestimmung.
Verbindungen
Sauerstoff bildet Verbindungen mit fast allen Elementen – außer mit den Edelgasen Helium, Neon, Argon und Krypton. Da Sauerstoff sehr elektronegativ ist, kommt Sauerstoff in fast allen seinen Verbindungen in den Oxidationsstufen −II vor, nur in Peroxiden −I. Diese Ionen werden auch als Closed-shell-Ionen bezeichnet. Peroxide sind meist instabil und gehen leicht in Oxide über.
Positive Oxidationszahlen besitzt Sauerstoff nur in Verbindungen mit dem noch elektronegativeren Element Fluor, mit dem es Verbindungen mit der Oxidationsstufe +I (Disauerstoffdifluorid O2F2) und +II (Sauerstoffdifluorid OF2) bildet. Da bei ihnen die negative Polarisierung beim Fluor vorliegt, werden diese nicht als Oxide, sondern als Fluoride bezeichnet.
Neben den Oxidverbindungen tritt Sauerstoff noch in ionischen Verbindungen und Radikalen als Peroxid- (O22−), Hyperoxid- (O2− (Oxidationsstufe −1/2)) und Ozonidanion (O3− (Oxidationsstufe −1/3)) sowie als Dioxygenylkation (O2+) auf.
Sauerstoff bildet abhängig vom Bindungspartner sowohl ionisch als auch kovalent aufgebaute Verbindungen.
Anorganische Sauerstoffverbindungen
Zu den anorganischen Sauerstoffverbindungen zählen die Verbindungen von Sauerstoff mit Metallen, Halbmetallen, Nichtmetallen wie Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel und den Halogenen. Sie gehören zu den wichtigsten Verbindungen überhaupt.
Oxide
Die meisten Sauerstoffverbindungen sind Oxide. In ihnen tritt der Sauerstoff, ionisch oder kovalent gebunden, in der Oxidationsstufe −II auf. Viele natürlich vorkommenden Salze, die oft wichtige Quellen zur Herstellung von Metallen sind, sind Oxide.
Mit den Metallen bildet Sauerstoff in niedrigen Oxidationsstufen ionisch aufgebaute und in der Regel basische Oxide.
- Bei der Verbrennung von Natrium in Anwesenheit von Sauerstoff entsteht Natriumoxid.
- Bei der Reaktion von Natriumoxid mit Wasser entsteht Natronlauge.
Mit steigender Oxidationsstufe haben die Oxide zunehmend amphoteren (Zink(II)-oxid, Aluminium(III)-oxid) und schließlich sauren Charakter (Chrom(VI)-oxid).
- Chrom(VI)-oxid reagiert mit Wasser zu Chromsäure
Mit Nichtmetallen bildet Sauerstoff ausschließlich kovalente Oxide. Die Oxide von Nichtmetallen in niedrigen Oxidationsstufen reagieren meist neutral (Distickstoffmonoxid), mit steigender Oxidationsstufe zunehmend sauer.
Unter den Sauerstoffverbindungen der Nichtmetalle spielen die mit Wasserstoff eine gesonderte Rolle. Sauerstoff bildet mit Wasserstoff zwei Verbindungen. An erster Stelle ist das Wasser zu nennen, ohne das es kein Leben auf der Erde geben würde. Die zweite Verbindung ist das Wasserstoffperoxid (H2O2), eine thermodynamisch instabile Verbindung, die als Oxidations- und Bleichmittel Verwendung findet.
Obwohl die meisten sauerstoffhaltigen Kohlenstoffverbindungen in den Bereich der organischen Chemie eingeordnet werden, gibt es einige wichtige Ausnahmen. Die einfachen Oxide des Kohlenstoffs Kohlenstoffmonoxid (CO) und Kohlenstoffdioxid (CO2), sowie die Kohlensäure und deren Salze, die Carbonate, werden als anorganische Verbindungen angesehen.
Hydroxide
Eine weitere große Gruppe der Sauerstoffverbindungen stellen die Hydroxide unter Beteiligung von Wasserstoff dar. Bei diesen handelt es sich um überwiegend ionische Verbindungen, denen das Hydroxidion gemein ist. Bis auf die Hydroxide der Alkalimetalle wie Natriumhydroxid (NaOH) oder Kaliumhydroxid (KOH) sind sie im allgemeinen wenig löslich in Wasser.
Sauerstoffsäuren
Bei der Reaktion der Oxide von Nichtmetallen in hohen Oxidationsstufen bilden sich die sogenannten Sauerstoffsäuren, die für die Namensgebung des Sauerstoff verantwortlich sind.
- Beim Lösen von Schwefeltrioxid in Wasser bildet sich Schwefelsäure.
Die stärksten Sauerstoffsäuren leiten sich von den Nichtmetallen Stickstoff (Salpetersäure) und Schwefel (Schwefelsäure) sowie den Halogenen ab (Halogensauerstoffsäuren). Dabei gilt die Regel, dass die Säurestärke (pKs-Wert) mit zunehmender Anzahl von Sauerstoffatomen zunimmt:
Name der Säure | Formel | Säurekonstante (pKs) |
---|---|---|
hypochlorige Säure | HClO | 7,53 |
chlorige Säure | HClO2 | 1,96 |
Chlorsäure | HClO3 | −1 |
Perchlorsäure | HClO4 | −10 |
Organische Sauerstoffverbindungen
Sauerstoff ist – neben Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff – eines der wichtigsten Elemente der organischen Chemie. Er bildet eine Vielzahl wichtiger funktioneller Gruppen, die sowohl Kohlenstoff-Sauerstoff-Einfachbindungen, als auch – in der Carbonylgruppe – Kohlenstoff-Sauerstoff-Doppelbindungen enthalten.
Zu den einfachsten organischen Verbindungen, die Sauerstoff enthalten, gehört Methanal (H2CO), das sich formal von Kohlenstoffdioxid (CO2) nur darin unterscheidet, dass statt dem zweiten Sauerstoffatom zwei Wasserstoffatome am Kohlenstoff gebunden sind. Wichtig für die Einteilung in die organische Chemie ist jedoch, dass sich Methanal von dem organischen Alkohol Methanol (CH3OH) ableitet, welcher wiederum ein Derivat des einfachsten Alkans Methan (CH4) ist.
Die wichtigsten Verbindungklassen:
- Alkohole: Von der Kohlenstoff-Sauerstoff-Einfachbindung leiten sich einige wichtige Verbindungsklassen ab. Die erste sind die Alkohole, bei denen am Sauerstoffatom ein Kohlenstoff- und ein Wasserstoffatom (Hydroxylgruppe) gebunden sind. Die bekanntesten und gleichzeitig einfachsten Vertreter dieser Gruppe sind Methanol CH3OH und Ethanol C2H5OH.
- Phenole: Diese Moleküle enthalten mindestens eine Hydroxylgruppe, die mit einem aromatischen Ring verbunden ist.
- Ether: Sind am Sauerstoffatom zwei Kohlenstoffatome gebunden, wird die Gruppe Ethergruppe genannt und die Stoffklasse entsprechend Ether. Ein bekannter Vertreter der Ether ist das wichtige Lösungsmittel Diethylether (C2H5)2O.
- Aldehyde: Die Carbonylgruppe ist eine sehr vielseitige funktionelle Gruppe, die in vielen Stoffklassen enthalten ist. Diese unterscheiden sich darin, welche zusätzlichen Gruppen am Kohlenstoffatom gebunden sind. Die Aldehydgruppe R-CHO, bei der am Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe ein Wasserstoffatom gebunden ist, kommt in Aldehyden wie Acetaldehyd vor.
- Ketone: Sie enthalten die Ketogruppe, R-CO-R, bei der am Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe zwei Kohlenwasserstoffreste gebunden sind. Ein Beispiel ist Aceton.
- Carbonsäuren: Die Carboxyl- oder Carbonsäuregruppe R-COOH der Carbonsäuren besitzt an einem Kohlenstoffatom sowohl eine Carbonylgruppe, als auch eine Hydroxylgruppe. Die wichtigsten Carbonsäuren sind die Ameisen- und die Essigsäure.
- Ester: Ähnlich der Carboxylgruppe ist die Estergruppe R-CO-O-R' aufgebaut. Bei ihr ist das Proton der Carbonsäure durch einen weiteren Kohlenwasserstoffrest ausgetauscht. Die aus Carbonsäuren und Alkoholen gebildeten Ester werden entsprechend benannt. Ein Beispiel ist Essigsäureethylester aus Essigsäure und Ethanol (Ethylalkohol).
- Carbonsäureamide: In ihnen ist die Hydroxylgruppe der Carboxylgruppe durch eine Aminogruppe ausgetauscht.
Eine weitere wichtige Gruppe organischer Sauerstoffverbindungen sind die Kohlenhydrate oder Saccharide. Chemisch sind dies Polyhydroxycarbonylverbindungen (Hydroxyaldehyde oder Hydroxyketone). Sie kombinieren also Eigenschaften der Alkohole mit denen der Aldehyde und Ketone.
Daneben existieren noch eine Reihe weiterer Verbindungen mit funktionellen Gruppen, bei denen der Sauerstoff an ein weiteres Heteroatom, wie etwa Stickstoff, Schwefel oder Phosphor, beispielsweise bei organischen Phosphaten (etwa ATP oder innerhalb der DNS-Moleküle) gebunden ist.
Einzelnachweise
- ↑ a b c BGIA Gestis Stoffdatenbank
- ↑ a b dtv-Atlas Chemie, Band 1, dtv-Verlag (2000)
- ↑ a b c d e f g h Holleman, Wiberg:Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 102. Auflage, de Gruyter, Berlin, 2007. ISBN 978-3-11-017770-1
- ↑ Davies, A.M. (Edt.): Treatise on Geochemistry, Volume 1:Meteorites, Comets, and Planets, Elsevier, 2003,ISBN 0-08-044720-1
- ↑ Kippenhahn, Weigert: Stellar Structure and Evolution, 1. Auflage, Springer, Berlin 1991, ISBN 3-540-58013-1
- ↑ a b Funktionsprinzip einer Sauerstoff-Produktionsanlage
- ↑ a b c N.N. Greenwood, A. Earnshaw: Chemie der Elemente, VCH Verlagsgesellschaft, 1. Auflage 1988
- ↑ Prinzip der Gastrennung durch Adsorption (air liquide)
- ↑ www.pro-physik.de:neues Sauerstoff-Allotrop nachgewiesen
- ↑ a b The Nubase evaluation of nuclear and decay properties (engl.)
- ↑ www.webelements.com/NMR
- ↑ Andrews FJ, Nolan JP: Critical care in the emergency department: monitoring the critically ill patient. Emerg Med J (2006) 23:561–564. PMID 16794104.
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Pneumologie: Empfehlungen zur Sauerstoff-Langzeit-Therapie bei schwerer chronischer Hypoxämie. Pneumologie (1993) 74:2–4.
- ↑ Leitlinie Clusterkopfschmerz der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
- ↑ Chest 128: 430–433 (2005)
- ↑ Paul M. Macey, Mary A. Woo, Ronald M. Harper: Hyperoxic Brain Effects Are Normalized by Addition of CO2, Public Library of Science Medicine 4(5): e173 (2007)
- ↑ Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzenimittelgesetz – AMG), §50. Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394;), zuletzt geändert durch Artikel 30 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378). online (PDF), abgerufen am 10. Juni 2007
- ↑ New A.: Oxygen: kill or cure? Prehospital hyperoxia in the COPD patient. Emerg Med J (2006) 23:144–146. PMID 16439751.
Literatur
- Holleman-Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie 102. Auflage, de Gruyter, Berlin, 2007. ISBN 978-3-11-017770-1.
- R.Steudel: Chemie der Nichtmetalle 2. Auflage, de Gruyter, Berlin, 1998. ISBN 3-11-0112322-3
- N.N. Greenwood, A. Earnshaw: Chemie der Elemente, VCH Verlagsgesellschaft, 1. Auflage 1988, ISBN 3-527-26169-9
- Hans Breuer: dtv-Atlas Chemie, Band 1, dtv-Verlag, 9. Auflage 2000 ISBN 3-423-03217-0