[go: up one dir, main page]

Zum Inhalt springen

ADB:Sachs, Julius von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Sachs, Julius von“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 682–685, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sachs,_Julius_von&oldid=- (Version vom 29. November 2024, 11:45 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 53 (1907), S. 682–685 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Julius Sachs in der Wikipedia
Julius Sachs in Wikidata
GND-Nummer 118604600
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|53|682|685|Sachs, Julius von|Ernst Wunschmann|ADB:Sachs, Julius von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118604600}}    

Sachs: Julius von S., Botaniker, geboren zu Breslau am 2. October 1832, † in Würzburg am 29. Mai 1897. Als Sohn eines Graveurs in sehr bescheidenen Verhältnissen lebend, konnte S. nur unter Verzicht auf manche Jugendfreude das Gymnasium in seiner Vaterstadt besuchen. Allein die Beschäftigung mit der Pflanzenwelt, wozu ihm durch den berühmten Physiologen Purkinje, dessen Söhne seine Schulgenossen waren, Anregung gegeben wurde, [683] halfen ihm über viele trübe Stunden seiner Jugendzeit hinweg. Siebzehn Jahre alt, verlor S. gleichzeitig Eltern und Bruder und so verwaist, entschloß er sich, die Schule zu verlassen und Seemann zu werden. Von diesem Plan hielt ihn Purkinje’s Einfluß ab, der, seit 1850 in Prag, ihn zu seinem Assistenten erwählt hatte. So setzte S., immer noch unter manchen Entbehrungen, seine Universitätsstudien in der böhmischen Hauptstadt fort, daneben für seinen Gönner eifrig arbeitend und zeichnend. Ungefähr nach zehn Semestern promovirte er und habilitirte sich gleich darauf als Privatdocent für Botanik. Seine schriftstellerische Thätigkeit bezog sich schon von Anfang an auf Fragen der pflanzlichen Physiologie, deren Ausbau die Hauptaufgabe seine Lebens werden sollte. 1859 erhielt S. auf Empfehlung des Zoologen Stein und des damals noch als Besitzer einer Verlagshandlung in Leipzig lebenden Botanikers W. Hofmeister (s. A. D. B. XII, 644) eine Stellung als Assistent an der Forstakademie in Tharand. Hier führte er interessante Versuche mit der Cultivirung von Pflanzen in wässerigen anorganischen Nährlösungen aus, deren Resultate er in späteren Arbeiten verwerthete. Im Alter von 29 Jahren wurde S. 1861 als Professor der Botanik an die landwirthschaftliche Lehranstalt zu Poppelsdorf bei Bonn berufen, woselbst er in erfolgreicher Lehrthätigkeit bis 1867 verblieb. In diesem Jahre übersiedelte er als Nachfolger de Bary’s (s. A. D. B. XLVI, 225) nach Freiburg in Baden, das er aber schon ein Jahr darauf mit Würzburg vertauschte, wo er den Lehrstuhl für Botanik fast 30 Jahre hindurch, bis zu seinem Tode bekleidete, nachdem er Berufungen nach Jena, Heidelberg, Wien, Berlin, Bonn und München abgelehnt hatte. Hier in der bairischen Universitätsstadt lagen die Wurzeln seiner Kraft; hier entstanden seine wichtigsten Arbeiten; hier wurde er der Begründer einer Schule, aus der eine ganze Reihe der namhaftesten Botaniker der Gegenwart hervorging. Aber mit steigendem Ruhme entwickelte sich in S. zugleich das Selbstbewußtsein in einem Grade, daß er andere Anschauungen neben der seinigen kaum gelten ließ, wodurch er sich mit vielen Fachgenossen verfeindete. Daher verlief der Rest seines Lebens, nachdem seine Arbeitskraft nachgelassen, recht trübe. Andauernde Krankheit und unglückliche Familienverhältnisse kamen hinzu, um seinen, wohl auch infolge der Entbehrungen während der Jugendzeit entkräfteten Körper einem längeren Siechthum entgegen zu führen, aus dem ihn der Tod in einem Alter von noch nicht 65 Jahren erlöste.

S. war einer der genialsten Botaniker, von ungemeiner Energie und großer Selbständigkeit. Die Originalität seiner Forschungen sowohl, wie die von ihm ausgegangene Anregung, welche seine in formvollendeter Sprache geschriebenen Bücher gegeben haben, sichern ihm einen unvergänglichen Platz in der Geschichte seiner Wissenschaft. Am Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn in den fünfziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts, stand die Botanik unter Führung von Forschern wie Mohl, Nägeli, Hofmeister, A. Braun u. A. im Zeichen der morphologischen Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Abgesehen von der durch die Arbeiten Saussure’s[WS 1] und Boussingault’s[WS 2] begründeten Ernährungstheorie, traten rein physiologische Fragen in den Hintergrund. An dieser Stelle setzte S. ein, indem er die experimentelle Physiologie neu belebte und diesen Zweig der Botanik eine Zeit lang zu dem herrschenden machte. Noch während seiner Wirksamkeit in Tharand und weiterhin in Bonn gelang es S. nachzuweisen, daß das erste Product der in den Chlorophyllkörpern vor sich gehenden Assimilation die Stärke sei. Auf Grund mühsamer Untersuchungen an keimenden Pflanzen zeigte er, wie die Stärke im Dunkeln verschwindet, um am Lichte sich wiederum von neuem auszuscheiden und lehrte die Wege kennen, auf welchen die plastischen Bildungsstoffe, die als Folge der Assimilation auftreten, durch [684] den Pflanzenkörper transportirt werden (Flora 1862 und 1863; Botanische Zeitung 1862 und 1864). An diese Untersuchungen schlossen sich dann solche än, die sich auf den Einfluß des farbigen Lichtes auf die Pflanzen beziehen und die S. zu dem Resultate führten, daß, entgegen der landläufigen Ansicht der Chemiker, vorzugsweise die gelbroten Strahlen des Sonnenlichtes das Ergrünen des Chlorophyllkornes und die Zersetzung der Kohlensäure bewirken, während das blauviolette Licht die mechanischen Reizbewegungen auslöse und neben der Schwerkraft die Ursache der als Heliotropismus und Geotropismus bekannten Wachsthumskrümmungen sei (Bot. Zeitg. 1864). In späteren Aufsätzen, die in den „Arbeiten des botanischen Instituts in Würzburg“ während der Jahre 1883–87 veröffentlicht wurden, spricht S. den ultravioletten Strahlen eine ganz besondere Bedeutung zu, da nach seiner Ansicht nur durch deren Einwirkung Blüthenbildung überhaupt entstehen könne. Zwar vermögen sich Blüthen auch im Dunkeln zu bilden, doch müßten in diesen Fällen wenigstens die Laubblätter vom ultravioletten Lichte getroffen werden. Als Erklärung für diese Erscheinung zieht S. seine Theorie der specifischen organbildenden Stoffe heran, die er in zwei Abhandlungen: „Ueber Stoff und Form der Pflanzenorgane“ (Arbeiten des Würzb. botan. Instit. 1880–82) niedergelegt hat. Hiernach sei der Aufbau der verschiedenen pflanzlichen Organe, wie der Wurzeln, Stengel und Blätter, geknüpft an das Auftreten besonderer Stoffe, so daß beispielsweise die in den Laubblättern durch den Einfluß des ultravioletten Lichtes entstehenden blüthenbildenden Stoffe durch Wanderung an jene Stellen gelangen müßten, wo die Blüthen entstehen sollen. Noch in seiner letzten experimentellen Arbeit (a. a. O. 1892) hat sich S. mit diesen Dingen beschäftigt. Sehr werthvolle Resultate brachten die von S. in den siebziger Jahren veröffentlichten Untersuchungen über die Entstehung der Theilungswände im pflanzlichen Zellgewebe zu Tage, insofern er den inneren Zusammenhang zwischen der Wandbildung innerhalb der Zelle und der äußeren Form des wachsenden Organs genau bestimmte (Würzb. Instit. Bd. II, 1882–87). Sachs’ letzte Publicationen bringen keine neuen selbständigen Versuche mehr, sondern beziehen sich auf allgemeine Fragen aus dem Gesammtgebiete der Physiologie, Morphologie und Entwicklungslehre. In diesen nimmt er auch Gelegenheit, seine Ansichten über die Gestaltungsursachen und die Phylogenie der Pflanzenwelt auszusprechen. Indem er die Darwin’sche Selektionstheorie innerhalb enger Verwandtschaftsgrade anerkennt und sie zur Erklärung zweckmäßiger Anpassungserscheinungen heranzieht, glaubt er doch die gesammte Stammesentwicklung im Pflanzenreich auf innere Ursachen zurückführen zu müssen. Im Zusammenhange damit steht seine Lehre von der „Continuität der embryonalen Substanz“, durch welche die Einheitlichkeit in den Lebensprocessen der aufeinander folgenden Pflanzengenerationen gewährleistet sei. Vielleicht noch nachhaltiger als durch seine wissenschaftlichen Einzelarbeiten hat S. durch seine Lehrbücher gewirkt. Er war nicht nur Meister des Experiments, sondern im hohen Grade auch Meister des geschriebenen Wortes. 1868 erschien die erste Auflage seines „Lehrbuches der Botanik“, der schon nach zwei Jahren die zweite und später noch bis 1874 zwei weitere folgten. Es dürfte in den letzten vier Dezennien kaum einen Jünger der Botanik gegeben haben, der nicht aus diesem Buche Belehrung und Anregung geschöpft hätte. Wie in allen seinen Schriften, hat es S. auch in seinem Lehrbuche verstanden, durch Hervorhebung allgemeiner Gesichtspunkte das Interesse für die zu behandelnden Fragen zu erhöhen. Dazu kommt die große Fülle der meisterhaft entworfenen Originalabbildungen, von denen sehr viele ihrer Vortrefflichkeit wegen in nachfolgenden Werken anderer Autoren copirt wurden. Aehnlich epochemachend wirkte das während [685] seiner Thätigkeit in Poppelsdorf 1865 entstandene „Handbuch der Experimentalphysiologie“, das einen Theil des in Verbindung mit Wilh. Hofmeister und Anton de Bary herausgegebenen größeren Handbuchs der physiologischen Botanik bildete. Es war seiner Zeit die erste größere Zusammenfassung aller über die Lebensvorgänge im Pflanzenkörper bekannten Thatsachen und in Bezug auf Klarheit und fesselnde Darstellung auch durch spätere Werke nicht übertroffen worden. Ebenso wirkten seine, in zwei Auflagen 1882 und 1887 erschienenen „Vorlesungen über Pflanzenphysiologie“ durch Inhalt und Form auf weite Kreise anregend und befruchtend. Endlich sei noch des Historikers Sachs gedacht. Für die auf Veranlassung König Maximilian’s II. von Baiern durch die Münchener Akademie der Wissenschaften herausgegebene: „Geschichte der Wissenschaften in Deutschland“ schrieb S. als fünfzehnten Band jenes Sammelwerkes eine „Geschichte der Botanik vom 16. Jahrhundert bis 1860“. Mit unermüdlichem Fleiße ist hier das weit zerstreute Quellenmaterial gesammelt und kritisch gesichtet worden, wenngleich in der stark bevorzugten Behandlung der Morphologie, Anatomie und Physiologie gegenüber der Systematik eine gewisse Einseitigkeit nicht zu verkennen ist. Aus den 1892 und 1893 in zwei Bänden veröffentlichten „Gesammelten Abhandlungen über Pflanzenphysiologie“ sind die genaueren Titel und Zeitangaben der meisten von S. verfaßten Schriften zu ersehen. Diese zusammenfassende Darstellung bringt im ersten Bande 29 Abhandlungen vorwiegend über physikalische und chemische Vegetationserscheinungen, im zweiten 14 Aufsätze über Wachsthum, Zellbildung und Reizbarkeit. Die polemischen Schriften, sowie ältere, in mehr populärer Form verfaßte und endlich solche, deren Inhalt längst Allgemeingut der Wissenschaft geworden ist, sind der Sammlung nicht einverleibt worden.

Naturwissenschaftliche Wochenschrift von H. Potonié, XII. Band, 1897, Nr. 42, S. 495 u. 496. – Tägliche Rundschau, 1897, Unterhaltungs-Beilage, Nr. 126, S. 502 u. 503. – J. Sachs, Gesammelte Abhandlungen. Leipzig 1892/93.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Nicolas-Théodore de Saussure (1767–1845), Schweizer Naturforscher
  2. Jean Baptiste Boussingault (1802–1887), französischer Chemiker und Agrarwissenschaftler.