Syracusia

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Syracusia
Phantasiedarstellung der Syracusia von Nicolaas Witsen, 1671
Phantasiedarstellung der Syracusia von Nicolaas Witsen, 1671
Schiffsdaten
Flagge Antikes Griechenland
Stapellauf 240 v. Chr.
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 55 m (Lüa)
Breite 14 m
Verdrängung 1000 t
 
Besatzung * 400 Soldaten
  • 100 Passagiere
Takelung und Rigg
Anzahl Masten 3
Bewaffnung

Die Syracusia oder Syrakosia (altgriechisch Συρακοσία) war ein Schiff, das im Auftrag von König Hieron II. von Syrakus um 240 v. Chr. von Archimedes entworfen und von Archias erbaut wurde. Sie zählt zu den größten Schiffen der Antike. Da angeblich alle damaligen Häfen, mit Ausnahme von Alexandria, zu klein waren, um das Schiff aufzunehmen, wurde es dem König Ptolemaios III. von Ägypten geschenkt und in Alexandria (oder Alexandris) umbenannt. Die Jungfernfahrt von Syrakus nach Alexandria blieb die einzige Fahrt der Syracusia. Man schätzt die Länge auf 55 m, die Breite auf 14 m und die Höhe auf 13 m.[1]

Die Syracusia in der Abhandlung des Moschion

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Alle Informationen zur Konstruktion und Ausstattung der Syracusia stammen von Moschion, der eine äußerst detailreiche Beschreibung liefert. Allerdings ist der Bericht des Moschion nicht direkt überliefert, vielmehr wird er in den Werken des Athenaios zitiert.[2] Die Identität dieses Moschion ist nicht gesichert, denn er wird nur bei Athenaios erwähnt, der von ihm lediglich als von einem „gewissen Moschion“ spricht.[3]

Um sein Schiff zu bauen, holte Hieron Handwerker zusammen und setzte über alle Archias von Korinth als Bauleiter. Dem König lag das Gelingen so am Herzen, dass er selbst Tag für Tag zur Werft kam. Für den Bau des Schiffes wurde Bauholz am Ätna geschlagen, in einer Menge, „die für 60 Vierruderer gereicht hätte“. Sonstiges Holz (für Dübel, Rippen und Spanten), Flachs, Hanf und Pech wurde von den „verschiedensten Gegenden“ aus ganz Europa besorgt.

Sobald das Schiff (im Rohbau) fertig war, wurde das Holz mit Bleiplatten beschlagen, unter denen pechgetränkte Leinwand lag. Wegen des enormen Gewichts des Schiffes erwies sich der Stapellauf als außerordentlich schwierig, weswegen sich unter den Beteiligten ein heftiger Disput über die richtige Methode entspann. Schließlich gelang es Archimedes unter Zuhilfenahme eines von ihm entwickelten Seilzugs und mit wenigen Männern das Schiff ins Wasser zu bringen. Danach erfolgte der weitere Innenausbau.

Die Beschreibung, die Moschion über den Innenausbau und die Ausstattung liefert, lässt an ein Luxusschiff denken. Neben den Räumen für die Mannschaft, waren Kabinen für Offiziere und Passagiere vorgesehen („alle diese Räume hatten einen Mosaikboden aus vielfältigen Steinen, in dem die ganze Geschichte der Ilias mit erstaunlicher Kunst dargestellt war“). Es gab Tempel, Bibliothek, Sportraum, Baderaum und Promenaden mit „Lauben von weißem Efeu und Weinranken“, die „durch verborgene bleierne Wasserleitungen bewässert“ wurden. Selbst ein Meerwasser-Fischbecken war an Bord.

Das Schiff hatte drei Masten und war ausgelegt für 20 Ruderbänke. Es besaß 8 Türme, die vorwiegend der Verteidigung dienten. Jeder war besetzt mit 4 Schwerbewaffneten und zwei Bogenschützen. Außer der festen Besatzung gab es weitere sechshundert Mann, die am Bug für besondere Einsätze bereitstanden.

Laut Moschion konnte das Schiff 60.000 Sack Getreide, 10.000 Krüge sizilischen Salzfisch, dazu 20.000 Talente Wolle und 20.000 Talente sonstige Fracht fassen. Hinzu kam die Verpflegung für die Mannschaft. Welche Einheiten – ob Medimnae, Modii oder alexandrinische Maße – diesen Angaben zugrunde lagen, ist nicht bekannt.

Moschion erwähnt auch den Einsatz einer speziellen Schraube, „eine Erfindung des Archimedes“, mit der das angesammelte Sickerwasser im Rumpf selbst bei großer Tiefe von einem einzigen Mann ausgepumpt werden konnte. Im Anschluss überliefert Moschion noch ein Epigramm, das ein sonst unbekannter Dichter namens Archimelos verfasst hat. Als Anerkennung habe Archimelos 1.000 Medimnoi Getreide geschenkt bekommen, die Hieron auf eigene Kosten zum Piräus, dem Hafen Athens, geschickt habe. In dem Epigramm preist der Dichter die Größe des Schiffes, das es mit dem Ätna aufnehmen könne und dessen Topmast die Sterne berühren würde. Er feiert die Lieferung von Getreide, die Hieron als Geschenk für die griechischen Inseln geliefert habe.[4]

Da weder das Schiff noch der Gewährsmann Moschion oder der Dichter Archimelos außer bei Athenaios Erwähnung fanden, wurde die Glaubwürdigkeit der Überlieferung bezweifelt, die Schiffsbeschreibung als Märchen abgetan.[5] Als Indiz galt die Mitteilung, dass es dank der Erfindung des Archimedes einem einzigen Mann möglich gewesen sei, die mächtige Bilge des Schiffes auszupumpen.[6] Zudem berichtet Plutarch von einem Dreimaster, den Archimedes mittels eines Flaschenzugs für Hieron II. zu Wasser gelassen habe.[7] Auf eine besondere Größe oder Stellung des Schiffes weist er in diesem Zusammenhang jedoch nicht hin.[8] Der die Anekdote ebenfalls aufgreifende Proklos überliefert im 5. Jahrhundert in seinem Kommentar zu Euklid, dass alle Syrakusaner zusammen nicht in der Lage waren, das für Ptolemaios von Ägypten bestimmte, dreimastige Schiff ins Meer zu setzen.[9] Bei Johannes Tzetzes schließlich, der im 12. Jahrhundert sein Buch der Geschichten verfasste, vollbrachte Archimedes die Tat bei einer Beladung des Schiffes mit 600.000 Medimnoi.[10]

Der Detailreichtum der Schilderung wird zumeist jedoch als Beleg für ihre Richtigkeit gewertet.[11] Laut Lionel Casson war die Syracusia das größte Schiff der Antike,[12] sicher jedoch des Hellenismus.[13] Ihre Tragfähigkeit wird meist im Bereich von 1700 bis 1900 t angenommen.[14] Doch schwanken die Schätzungen und reichen bis über 3.650 t.[15] Die von Moschion genannten Materialien für den Schiffsbau, insbesondere Hanf und Flachs von der iberischen Halbinsel sowie das Pech von der Rhone, konnten erst nach dem Ende des Ersten Punischen Krieges im Jahr 241 v. Chr. beschafft werden. Mit dem Bau kann daher frühestens 240 v. Chr. begonnen worden sein.

  • Lionel Casson: Sea and Seamanship in the Ancient World. Princeton University Press, Princeton, NJ, 1971, S. 184–186. 191–199.
  • Olaf Höckmann: Antike Seefahrt (= Beck’s archäologische Bibliothek). C.H. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30463-X, S. 60–62.
  • Caroline Lehmler: Syrakus unter Agathokles und Hieron II. Die Verbindung von Kultur und Macht in einer hellenistischen Metropole. Verlag Antike, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-938032-07-3, S. 219–232.
  • Fik Meijer, André Wegener Sleeswyk: On the Construction of the ‚Syracusia’ (Athenaeus V. 207 A-B). In: The Classical Quarterly. Band 46, Nr. 2, 1996, S. 575–578.
  • Jean MacIntosh Turfa, Alwin G. Steinmayer Jr.: The Syracusia As a Giant Cargo Vessel. In: The International Journal of Nautical Archeology. Band 28, Nr. 2, 1999, S. 105–125.
  • Fausto Zevi: Le invenzioni di Archimede e le grandi navi. In: Marta Giacobelli (Hrsg.): Lezioni Fabio Faccenna. Conferenze di Archeologia Subacquea (I e II ciclo). Edpuglia, Bari 2001, S. 95–114.
  1. Michael Lahanas: The Syracusia Ship. In: hellenicaworld.com. Abgerufen am 15. Oktober 2024.
  2. Moschion (FGrHist 575 F 1) bei Athenaios, Gastmahl der Gelehrten 5,206 d–209 e; deutsche Übersetzung in: Athenaios von Naukratis: Das Gelehrtenmahl. Herausgegeben von Ursula und Kurt Treu. Leipzig 1985, S. 130–135 http://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=246
  3. Athenaios, Gastmahl der Gelehrten 5,206 d: „Vom Schiff des Hieron [II.] von Syrakus, dessen Bau der Mathematiker Archimedes beaufsichtigte, sollte man nicht schweigen, zumal es darüber die Abhandlung eines gewissen Moschion gibt, die ich unlängst sorgfältig gelesen habe“.
  4. Athenaios, Gastmahl der Gelehrten 5, 209 c–d.
  5. Cecil Torr: Ancient Ships. Cambridge University Press, Cambridge 1894, S. 27–29 (Digitalisat).
  6. Arthur Breusing: Die Nautik der Alten. Schünemann, Bremen 1886 S. 37 (Digitalisat); vorsichtig zweifelnd Franz Susemihl: Die Geschichte der griechischen Literatur in der Alexandrinerzeit. Band 1. Teubner, Leipzig 1891, S. 882 f. mit Anmerkung 227 (Digitalisat).
  7. Plutarch, Marcellus 14,7–8 (englisch).
  8. Cecil Torr: Ancient Ships. Cambridge University Press, Cambridge 1894, S. 27 f. mit Anmerkung 74.
  9. Proklos, in Euclidem 18 (Grynaeus, englisch bei Google Books).
  10. Tzetzes, Chiliades 2,103–108 (englisch).
  11. So etwa Caroline Lehmler: Syrakus unter Agathokles und Hieron II. Die Verbindung von Kultur und Macht in einer hellenistischen Metropole. Verlag Antike, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-938032-07-3, S. 219.
  12. Lionel Casson: Sea and Seamanship in the Ancient World. Princeton University Press, Princeton, NJ, 1971, S. 185 f.
  13. Olaf Höckmann: Antike Seefahrt (= Beck’s archäologische Bibliothek). C.H. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30463-X, S. 60
  14. Lionel Casson: Sea and Seamanship in the Ancient World. Princeton University Press, Princeton, NJ, 1971, S. 185 f.
  15. Jean Macintosh Turfa, Alwin G. Steinmayer Jr.: The Syracusia As a Giant Cargo Vessel. In: The International Journal of Nautical Archeology. Band 28, Nr. 2, 1999, S. 108 f.; Fausto Zevi: Le grandi navi mercantili, Puteoli e Roma. In: Le Ravitaillement en blé de Rome et des centres urbains des débuts de la République jusqu’au Haut-Empire. Actes du colloque international de Naples, 14–16 Février 1991 (= Publications de l’École française de Rome. Band 196). École Française de Rome, Rom 1994, S. 61–68, hier: S. 63 (Online); Caroline Lehmler: Syrakus unter Agathokles und Hieron II. Die Verbindung von Kultur und Macht in einer hellenistischen Metropole. Verlag Antike, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-938032-07-3, S. 219.