„Lilli Pöttrich“ – Versionsunterschied

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'''Lilli (Lili) Margarethe Pöttrich''' (* [[3. November]] [[1954]] in [[Wiesbaden]]) ist eine deutsche [[Rechtsanwalt|Rechtsanwältin]]. Unter dem [[Inoffizieller Mitarbeiter|IM]]-Decknamen „Angelika“ war sie eine [[Agent (Nachrichtendienst)|Agentin]] der [[Hauptverwaltung Aufklärung]] des [[Ministerium für Staatssicherheit|Ministeriums für Staatssicherheit]], dem Auslands-[[Nachrichtendienst]] der [[Deutsche Demokratische Republik|Deutschen Demokratischen Republik]].
'''Lilli (Lili) Margarethe Pöttrich''' (* [[3. November]] [[1954]] in [[Wiesbaden]]) war ab 1976 [[Inoffizieller Mitarbeiter|Inoffizielle Mitarbeiterin]] der [[Hauptverwaltung Aufklärung]] des [[Ministerium für Staatssicherheit|Ministeriums für Staatssicherheit]] der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] und von 1983 bis 1995 [[Beamter (Deutschland)|Beamtin]] des [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amtes]]. Danach war sie als [[Rechtsanwalt|Rechtsanwältin]] tätig.


== Leben ==
== Leben ==
Pöttrich wuchs in bürgerlichen Verhältnissen als die ältere zweier Töchter des [[Stauerei|Stauers]] und [[Gewerkschaft]]ers Raimund Pöttrich in [[Düsseldorf]]-[[Eller]] und -[[Benrath]] auf, wo sie eine katholische Grundschule besuchte und 1973 am [[Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium (Benrath)|Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium]] das [[Abitur]] ablegte. Durch die [[Ostpolitik]] [[Willy Brandt]]s angeregt, trat sie bereits als Schülerin in die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] ein. Nach der Schulausbildung begann sie an der [[Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main]] das Studium der [[Rechtswissenschaft]]. Während des Studiums, bei dem sie als Mitglied des [[Sozialistischer Hochschulbund|Sozialistischen Hochschulbundes]]<ref>Georg Herbstritt: ''Bundesbürger im Dienst der DDR-Spionage. Eine analytische Studie''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-52535-021-8, S. 196 ([https://books.google.de/books?id=Wi2EEoNzcfgC&pg=PA196&lpg=PA196&dq=Lilli+P%C3%B6ttrich&source=bl&ots=EIJEo86aBS&sig=2z4L8g8osEgUh3ArwB9zWEuSxC4&hl=de&sa=X&ei=kRk8Vc3xCsvtUpvogagB&ved=0CCcQ6AEwAjgU#v=onepage&q=Lilli%20P%C3%B6ttrich&f=false ''Google Books''])</ref> ihre Auffassung festigte, dass der [[Sozialismus]] das anzustrebende politische System sei, nahm die Hauptverwaltung Aufklärung im Sommer 1975 Kontakt zu Pöttrich auf, in deren Dienste einzutreten sie sich im Januar/Februar 1976 aus politischen Gründen bei einem Aufenthalt in [[Strausberg]] bereit erklärte.
Pöttrich wuchs in bürgerlichen Verhältnissen als die ältere zweier Töchter des [[Stauerei|Stauers]] und [[Gewerkschaft]]ers Raimund Pöttrich in [[Düsseldorf]]-[[Eller]] und -[[Benrath]] auf, wo sie eine katholische Grundschule besuchte und 1973 am [[Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium (Benrath)|Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium]] das [[Abitur]] ablegte. Durch die [[Ostpolitik]] [[Willy Brandt]]s angeregt, trat sie bereits als Schülerin in die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] ein. Nach der Schulausbildung begann sie an der [[Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main]] das Studium der [[Rechtswissenschaft]]. Während des Studiums, bei dem sie als Mitglied des [[Sozialistischer Hochschulbund|Sozialistischen Hochschulbundes]]<ref>[[Georg Herbstritt]]: ''Bundesbürger im Dienst der DDR-Spionage. Eine analytische Studie''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-52535-021-8, S. 196 ([https://books.google.de/books?id=Wi2EEoNzcfgC&pg=PA196&lpg=PA196&dq=Lilli+P%C3%B6ttrich&source=bl&ots=EIJEo86aBS&sig=2z4L8g8osEgUh3ArwB9zWEuSxC4&hl=de&sa=X&ei=kRk8Vc3xCsvtUpvogagB&ved=0CCcQ6AEwAjgU#v=onepage&q=Lilli%20P%C3%B6ttrich&f=false ''Google Books''])</ref> ihre Auffassung festigte, dass der [[Sozialismus]] das anzustrebende politische System sei, nahm die Hauptverwaltung Aufklärung im Sommer 1975 Kontakt zu Pöttrich auf. Aus politischen Gründen erklärte sie sich im Januar/Februar 1976 bei einem Aufenthalt in [[Strausberg]] bereit, in deren Dienste einzutreten.


1976 unterschrieb sie die geheimdienstliche Verpflichtungserklärung und wählte „Angelika“ als ihren Decknamen. Auf Bitten der DDR-Auslandsspionage wechselte sie im gleichen Jahr an die [[Universität zu Köln]]. Dort legte sie neben ihrem Studium Personaldossiers über ihr soziales und universitäres Umfeld an und leitete diese Informationen mittels nachrichtendienstlicher Techniken, in denen sie sich hatte schulen lassen, weiter. Regelmäßig traf sie sich seit dieser Zeit mit Kontaktpersonen ihres Nachrichtendienstes, um Spitzelberichte in Form von [[Kleinbildkamera]]-Filmen zu übergeben und um Instruktionen für Operationen erhalten. Nachdem Pöttrich die [[erste Prüfung]] mit der Note „voll befriedigend“ absolviert hatte, reiste sie im Dezember 1981 mit einem gefälschten Reisedokument über [[Kopenhagen]] in die DDR, wo sie sich in [[Schöneiche bei Berlin]] mit hochrangigen [[Führungsoffizier]]en traf, unter anderem mit [[Ralf-Peter Devaux]]. Konspirative Treffen wiederholten sich später an verschiedenen Einsatzorten im Ausland. Mit dem [[Politisches System der DDR|politischen System der DDR]] identifizierte sie sich. Sie trat in die [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands]] ein, nahm die [[Staatsbürgerschaft der DDR]] sowie DDR-Auszeichnungen an und plante ihren Spionageeinsatz mit den MfS-Führungsoffizieren langfristig.
1976 unterschrieb sie die Verpflichtungserklärung für den DDR-Auslandsnachrichtendienst und wählte „Angelika“ als ihren [[Deckname]]n. Auf Bitten der DDR-Auslandsspionage wechselte sie im gleichen Jahr an die [[Universität zu Köln]]. Dort legte sie neben ihrem Jurastudium Personaldossiers über ihr soziales und universitäres Umfeld an und leitete diese Informationen mittels nachrichtendienstlicher Techniken, in denen sie sich hatte schulen lassen, weiter. Regelmäßig traf sie sich seit dieser Zeit mit Kontaktpersonen ihres Nachrichtendienstes, um Spitzelberichte in Form von [[Kleinbildkamera]]-Filmen zu übergeben und um Instruktionen für Operationen zu erhalten. Nachdem Pöttrich die [[Juristenausbildung in Deutschland#Erste Prüfung|Erste juristische Staatsprüfung]] 1979 mit der Note „voll befriedigend“ und die Zweite juristische Staatsprüfung im November 1981 absolviert hatte<ref>Heribert Schwan, Helgard Heindrichs: ''Das Spinnennetz''. 2005, S. 99, 103</ref>, reiste sie im Dezember 1981 mit einem gefälschten Reisedokument über [[Kopenhagen]] in die DDR, wo sie sich in [[Schöneiche bei Berlin]] mit hochrangigen [[Führungsoffizier]]en traf, unter anderem mit [[Ralf-Peter Devaux]]. Konspirative Treffen wiederholten sich später an verschiedenen Einsatzorten im Ausland. Mit dem [[Politisches System der DDR|politischen System der DDR]] identifizierte sie sich. Sie trat in die [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands]] ein, nahm die [[Staatsbürgerschaft der DDR]] sowie DDR-Auszeichnungen an und plante ihren Spionageeinsatz mit den MfS-Führungsoffizieren langfristig.


Als gemeinsames Ziel wurde vereinbart, dass sie sich für den [[Höherer Dienst|Höheren Dienst]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]] bewerben sollte, was 1982 auch geschah. Im Sommer 1983 begann Pöttrich in [[Bonn]] eine [[Laufbahnausbildung]] als [[Attaché|Attachée]] im Auswärtigen Amt, zu der sie im April 1983 zugelassen worden war. Die [[Sicherheitsüberprüfung]] überstand sie unbeanstandet. 1986 folgte die [[Ernennung]] zur [[Beamter auf Lebenszeit|Beamtin auf Lebenszeit]] und der Beginn der Laufbahn im [[Auswärtiger Dienst|Auswärtigen Dienst]] der [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]], die über [[Bangladesch]] in die [[Deutsche Botschaft Paris]] führte. Dort trat sie im Dezember 1988 ihren Dienst an. Als stellvertretende Leiterin des „CoCom-Referats“ hatte sie Zugang zu wichtigen Unterlagen und Besprechungen des [[Coordinating Committee on Multilateral Export Controls]], über die sie Berichte anfertigte und ihrem Führungsoffizier übergab. Selbst nach der „[[Wende und friedliche Revolution in der DDR|Wende]]“ im November 1989 setzte Pöttrich ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit zunächst noch fort. Im Februar 1990 fand in [[Aachen]] das letzte ihrer insgesamt über 60 Treffen mit Kontaktpersonen der DDR-Auslandsspionage statt.
Als gemeinsames Ziel wurde vereinbart, dass sie sich für den [[Höherer Dienst|Höheren Dienst]] im [[Auswärtiges Amt|Auswärtigen Amt]] bewerben sollte, was 1982 auch geschah. Im Sommer 1983 begann Pöttrich in [[Bonn]] eine [[Laufbahnausbildung]] als [[Attaché]]e im Auswärtigen Amt, zu der sie im April 1983 zugelassen worden war. Die [[Sicherheitsüberprüfung]] überstand sie unbeanstandet. 1986 folgte die [[Ernennung]] zur [[Beamter auf Lebenszeit|Beamtin auf Lebenszeit]] und der Beginn der Laufbahn im [[Auswärtiger Dienst|Auswärtigen Dienst]] der [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Bundesrepublik Deutschland]], die über die [[Deutsche Botschaft Dhaka|Botschaft Dhaka]] in die [[Deutsche Botschaft Paris|Botschaft Paris]] führte. Dort trat sie im Dezember 1988 ihren Dienst an. Als stellvertretende Leiterin des „CoCom-Referats“ hatte sie Zugang zu wichtigen Unterlagen und Besprechungen des [[Coordinating Committee on Multilateral Export Controls]], über die sie Berichte anfertigte und ihrem Führungsoffizier übergab. Selbst nach der „[[Wende und friedliche Revolution in der DDR|Wende]]“ im November 1989 setzte Pöttrich ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit zunächst noch fort. Im Februar 1990 fand in [[Aachen]] das letzte ihrer insgesamt über 60 Treffen mit Kontaktpersonen der DDR-Auslandsspionage statt.


Bis zu ihrer Enttarnung und Verhaftung am 1. Dezember 1993, die mittels der [[Rosenholz-Dateien]] gelangen, konnte Pöttrich ihre Laufbahn als Diplomatin weiter beschreiten; zuletzt war sie im [[Amt (Beamtenrecht)|Amt]] einer [[Vortragender Legationsrat|Vortragenden Legationsrätin]] zur Leiterin des deutschen [[Generalkonsulat]]s in [[Hermannstadt]] ([[Rumänien]]) bestimmt worden. Diesen Dienstposten trat sie infolge ihrer Verhaftung und Entlassung aus dem öffentlichen Dienst nicht mehr an. Das [[Oberlandesgericht Düsseldorf]] verurteilte Pöttrich am 28. April 1995 wegen [[Geheimdienstliche Agententätigkeit|geheimdienstlicher Agententätigkeit]] im schweren Fall zu einer [[Freiheitsstrafe (Deutschland)|Freiheitsstrafe]] von zwei Jahren, die auf [[Bewährung (Deutschland)|Bewährung]] ausgesetzt wurde.<ref>[http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/politik/stasi-spione-im-aa-1283119.html Karl Wilhelm Fricke: ''Stasi-Spione im AA. Eine Fallstudie nach SIRA- und „Rosenholz“-Materialien'']. Artikel vom 22. Oktober 2005 im Portal ''faz.net'', abgerufen am 25. April 2015</ref> Mit [[Rechtskraft (Deutschland)|Rechtskraft]] des [[Urteil (Deutschland)|Urteils]] endete ihr [[Beamtenverhältnis]]. Nachdem ein mehrjähriges [[rechtsanwalt]]liches Berufsverbot abgelaufen war, nahm Pöttrich eine Tätigkeit als [[Fachanwalt für Sozialrecht|Fachanwältin für Sozialrecht]] in Düsseldorf auf. Als eine Ausnahme unter ehemaligen DDR-Spionen stellte sie sich journalistischen Recherchen und Dokumentationen über ihre geheimdienstliche Tätigkeit auskunftswillig zur Verfügung.
Bis zu ihrer Enttarnung und Verhaftung am 1. Dezember 1993, die mittels der [[Rosenholz-Dateien]] gelangen, konnte Pöttrich ihre Laufbahn als Diplomatin weiter beschreiten; zuletzt war sie im [[Amt (Beamtenrecht)|Amt]] einer [[Vortragender Legationsrat|Vortragenden Legationsrätin]] zur Leiterin des deutschen [[Generalkonsulat]]s in [[Hermannstadt]] ([[Rumänien]]) bestimmt worden. Diesen Dienstposten trat sie infolge ihrer Verhaftung und Entlassung aus dem öffentlichen Dienst nicht mehr an. Das [[Oberlandesgericht Düsseldorf]] verurteilte Pöttrich am 28. April 1995 wegen [[Geheimdienstliche Agententätigkeit|geheimdienstlicher Agententätigkeit]] im schweren Fall zu einer [[Freiheitsstrafe (Deutschland)|Freiheitsstrafe]] von zwei Jahren, die auf [[Bewährung (Deutschland)|Bewährung]] ausgesetzt wurde.<ref>[https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/politik/stasi-spione-im-aa-1283119.html Karl Wilhelm Fricke: ''Stasi-Spione im AA. Eine Fallstudie nach SIRA- und „Rosenholz“-Materialien'']. Artikel vom 22. Oktober 2005 im Portal ''faz.net'', abgerufen am 25. April 2015</ref> Mit [[Rechtskraft (Deutschland)|Rechtskraft]] des [[Urteil (Deutschland)|Urteils]] endete ihr [[Beamtenverhältnis]]. Nachdem ein mehrjähriges [[rechtsanwalt]]liches Berufsverbot abgelaufen war, nahm Pöttrich eine Tätigkeit als [[Fachanwalt für Sozialrecht|Fachanwältin für Sozialrecht]] in Düsseldorf auf. Als Rentnerin arbeitet Pöttrich nebenbei als Übersetzerin.<ref>{{Internetquelle |url=https://www1.wdr.de/mediathek/audio/zeitzeichen/index.html# |titel=Doppelspion George Blake (Geburtstag, 11.11.1922) |werk=[[WDR]] Zeitzeichen Podcast |datum=2022-11-11 |abruf=2022-11-27}}</ref> Als eine Ausnahme unter ehemaligen DDR-Spionen stellt sie sich journalistischen Recherchen und Dokumentationen über ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit auskunftswillig zur Verfügung.


Nach der [[SIRA (Datenbank)|SIRA]]-Datenbank des Ministeriums für Staatssicherheit lieferte Pöttrich im Zeitraum Februar 1984 bis November 1986 insgesamt 38 bedeutsame Nachrichten, von denen 34 an den sowjetischen Geheimdienst [[KGB]] weitergeleitet wurden. Von 29 Dokumenten, die zum Referat I/3 der Hauptverwaltung Aufklärung gelangten, wurden 17 als „wertvoll“ und eines als „sehr wertvoll“ benotet. Letzteres enthielt Auszüge aus einem Gespräch zwischen den Außenministern [[Hans-Dietrich Genscher]] und [[George P. Shultz]] vom Dezember 1985.<ref>Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Hrsg.): ''Hauptverwaltung A (HV A). Aufgaben – Strukturen – Quellen. (MfS-Handbuch)''. Berlin 2013, S. 53 ({{Webarchiv |url=http://www.bstu.bund.de/DE/Wissen/Publikationen/Publikationen/handbuch_hva_bstu.pdf?__blob=publicationFile |text=PDF |wayback=20150923221950 |archive-today=}})</ref>
Nach der [[SIRA (Datenbank)|SIRA]]-Datenbank des Ministeriums für Staatssicherheit lieferte Pöttrich im Zeitraum Februar 1984 bis November 1986 insgesamt 38 bedeutsame Nachrichten, von denen 34 an den sowjetischen Geheimdienst [[KGB]] weitergeleitet wurden. Von 29 Dokumenten, die zum Referat I/3 der Hauptverwaltung Aufklärung gelangten, wurden 17 als „wertvoll“ und eines als „sehr wertvoll“ benotet. Letzteres enthielt Auszüge aus einem Gespräch zwischen den Außenministern [[Hans-Dietrich Genscher]] und [[George P. Shultz]] vom Dezember 1985.<ref>Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Hrsg.): ''Hauptverwaltung A (HV A). Aufgaben – Strukturen – Quellen. (MfS-Handbuch)''. Berlin 2013, S. 53 ({{Webarchiv |url=http://www.bstu.bund.de/DE/Wissen/Publikationen/Publikationen/handbuch_hva_bstu.pdf?__blob=publicationFile |text=PDF |wayback=20150923221950 |archive-today=}})</ref>

== Siehe auch ==
* [[Liste deutscher Spione]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Heribert Schwan]], Helgard Heindrichs: ''Das Spinnennetz. Stasi-Agenten im Westen: Die geheimen Akten der Rosenholz-Datei''. Knaur Verlag, München 2005, ISBN 978-3-42677-732-9
* [[Heribert Schwan]], Helgard Heindrichs: ''Das Spinnennetz. Stasi-Agenten im Westen: Die geheimen Akten der Rosenholz-Datei''. Knaur Verlag, München 2005, ISBN 978-3-42677-732-9.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.heribert-schwan.de/werke/das-spinnennetz-stasi-agenten-im-westen-die-geheimen-akten-der-rosenholz-datei/ ''Das Spinnennetz'', Buchvorstellung und Film (ARD, 23. November 2005; Phönix, 8. Dezember 2005)]
* [https://heribert-schwan.de/das-spinnennetz-stasi-agenten-im-westen-die-geheimen-akten-der-rosenholz-datei/ ''Das Spinnennetz'', Buchvorstellung und Film (ARD, 23. November 2005; Phönix, 8. Dezember 2005)]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Aktuelle Version vom 21. Mai 2024, 12:18 Uhr

Lilli (Lili) Margarethe Pöttrich (* 3. November 1954 in Wiesbaden) war ab 1976 Inoffizielle Mitarbeiterin der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR und von 1983 bis 1995 Beamtin des Auswärtigen Amtes. Danach war sie als Rechtsanwältin tätig.

Pöttrich wuchs in bürgerlichen Verhältnissen als die ältere zweier Töchter des Stauers und Gewerkschafters Raimund Pöttrich in Düsseldorf-Eller und -Benrath auf, wo sie eine katholische Grundschule besuchte und 1973 am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium das Abitur ablegte. Durch die Ostpolitik Willy Brandts angeregt, trat sie bereits als Schülerin in die SPD ein. Nach der Schulausbildung begann sie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main das Studium der Rechtswissenschaft. Während des Studiums, bei dem sie als Mitglied des Sozialistischen Hochschulbundes[1] ihre Auffassung festigte, dass der Sozialismus das anzustrebende politische System sei, nahm die Hauptverwaltung Aufklärung im Sommer 1975 Kontakt zu Pöttrich auf. Aus politischen Gründen erklärte sie sich im Januar/Februar 1976 bei einem Aufenthalt in Strausberg bereit, in deren Dienste einzutreten.

1976 unterschrieb sie die Verpflichtungserklärung für den DDR-Auslandsnachrichtendienst und wählte „Angelika“ als ihren Decknamen. Auf Bitten der DDR-Auslandsspionage wechselte sie im gleichen Jahr an die Universität zu Köln. Dort legte sie neben ihrem Jurastudium Personaldossiers über ihr soziales und universitäres Umfeld an und leitete diese Informationen mittels nachrichtendienstlicher Techniken, in denen sie sich hatte schulen lassen, weiter. Regelmäßig traf sie sich seit dieser Zeit mit Kontaktpersonen ihres Nachrichtendienstes, um Spitzelberichte in Form von Kleinbildkamera-Filmen zu übergeben und um Instruktionen für Operationen zu erhalten. Nachdem Pöttrich die Erste juristische Staatsprüfung 1979 mit der Note „voll befriedigend“ und die Zweite juristische Staatsprüfung im November 1981 absolviert hatte[2], reiste sie im Dezember 1981 mit einem gefälschten Reisedokument über Kopenhagen in die DDR, wo sie sich in Schöneiche bei Berlin mit hochrangigen Führungsoffizieren traf, unter anderem mit Ralf-Peter Devaux. Konspirative Treffen wiederholten sich später an verschiedenen Einsatzorten im Ausland. Mit dem politischen System der DDR identifizierte sie sich. Sie trat in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ein, nahm die Staatsbürgerschaft der DDR sowie DDR-Auszeichnungen an und plante ihren Spionageeinsatz mit den MfS-Führungsoffizieren langfristig.

Als gemeinsames Ziel wurde vereinbart, dass sie sich für den Höheren Dienst im Auswärtigen Amt bewerben sollte, was 1982 auch geschah. Im Sommer 1983 begann Pöttrich in Bonn eine Laufbahnausbildung als Attachée im Auswärtigen Amt, zu der sie im April 1983 zugelassen worden war. Die Sicherheitsüberprüfung überstand sie unbeanstandet. 1986 folgte die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit und der Beginn der Laufbahn im Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland, die über die Botschaft Dhaka in die Botschaft Paris führte. Dort trat sie im Dezember 1988 ihren Dienst an. Als stellvertretende Leiterin des „CoCom-Referats“ hatte sie Zugang zu wichtigen Unterlagen und Besprechungen des Coordinating Committee on Multilateral Export Controls, über die sie Berichte anfertigte und ihrem Führungsoffizier übergab. Selbst nach der „Wende“ im November 1989 setzte Pöttrich ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit zunächst noch fort. Im Februar 1990 fand in Aachen das letzte ihrer insgesamt über 60 Treffen mit Kontaktpersonen der DDR-Auslandsspionage statt.

Bis zu ihrer Enttarnung und Verhaftung am 1. Dezember 1993, die mittels der Rosenholz-Dateien gelangen, konnte Pöttrich ihre Laufbahn als Diplomatin weiter beschreiten; zuletzt war sie im Amt einer Vortragenden Legationsrätin zur Leiterin des deutschen Generalkonsulats in Hermannstadt (Rumänien) bestimmt worden. Diesen Dienstposten trat sie infolge ihrer Verhaftung und Entlassung aus dem öffentlichen Dienst nicht mehr an. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte Pöttrich am 28. April 1995 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit im schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die auf Bewährung ausgesetzt wurde.[3] Mit Rechtskraft des Urteils endete ihr Beamtenverhältnis. Nachdem ein mehrjähriges rechtsanwaltliches Berufsverbot abgelaufen war, nahm Pöttrich eine Tätigkeit als Fachanwältin für Sozialrecht in Düsseldorf auf. Als Rentnerin arbeitet Pöttrich nebenbei als Übersetzerin.[4] Als eine Ausnahme unter ehemaligen DDR-Spionen stellt sie sich journalistischen Recherchen und Dokumentationen über ihre nachrichtendienstliche Tätigkeit auskunftswillig zur Verfügung.

Nach der SIRA-Datenbank des Ministeriums für Staatssicherheit lieferte Pöttrich im Zeitraum Februar 1984 bis November 1986 insgesamt 38 bedeutsame Nachrichten, von denen 34 an den sowjetischen Geheimdienst KGB weitergeleitet wurden. Von 29 Dokumenten, die zum Referat I/3 der Hauptverwaltung Aufklärung gelangten, wurden 17 als „wertvoll“ und eines als „sehr wertvoll“ benotet. Letzteres enthielt Auszüge aus einem Gespräch zwischen den Außenministern Hans-Dietrich Genscher und George P. Shultz vom Dezember 1985.[5]

Einzelnachweise

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  1. Georg Herbstritt: Bundesbürger im Dienst der DDR-Spionage. Eine analytische Studie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-52535-021-8, S. 196 (Google Books)
  2. Heribert Schwan, Helgard Heindrichs: Das Spinnennetz. 2005, S. 99, 103
  3. Karl Wilhelm Fricke: Stasi-Spione im AA. Eine Fallstudie nach SIRA- und „Rosenholz“-Materialien. Artikel vom 22. Oktober 2005 im Portal faz.net, abgerufen am 25. April 2015
  4. Doppelspion George Blake (Geburtstag, 11.11.1922). In: WDR Zeitzeichen Podcast. 11. November 2022, abgerufen am 27. November 2022.
  5. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Hrsg.): Hauptverwaltung A (HV A). Aufgaben – Strukturen – Quellen. (MfS-Handbuch). Berlin 2013, S. 53 (PDF (Memento vom 23. September 2015 im Internet Archive))