Vereinalinie
Die Vereinalinie (rätoromanisch Lingia dal Veraina), auch Vereinastrecke oder Vereinabahn genannt, ist eine meterspurige Eisenbahnstrecke der Rhätischen Bahn (RhB) mit dem 19'042 Meter langen Vereinatunnel (rätoromanisch Tunnel dal Vereina) als Kernstück. Sie verbindet seit der Eröffnung 1999 Klosters im Prättigau mit Sagliains im Engadin und ist damit Bindeglied zwischen den RhB-Strecken Landquart–Davos Platz über Klosters und Bever–Scuol-Tarasp über Sagliains. Darüber hinaus schafft sie mittels Autoverlad auch eine schnelle und wintersichere Strassenverkehrs-Anbindung des Unterengadins an die Nationalstrasse 28 (Prättigauerstrasse) und somit an den Hauptteil des schweizerischen Nationalstrassennetzes.
Vereinalinie | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Fahrplanfeld: | 910, 1985 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | 22,54 km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1000 mm (Meterspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stromsystem: | 11 kV 16,7 Hz ~ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Maximale Neigung: | 40 ‰ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Minimaler Radius: | 125 m | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Zweigleisigkeit: | Klosters Selfranga–Selfranga Süd Vereina Nord–Vereina Süd Sagliains Nord–Sagliains | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Der Vereinatunnel ist der weltweit längste Meterspur-Eisenbahntunnel.[Anmerkung 1][2]
Vorgeschichte
Da die Strasse von Davos nach Susch über den 2383 m hohen Flüelapass starker Lawinengefahr ausgesetzt ist, stand seit längerem die Schaffung einer wintersicheren Verbindung zwischen Nordbünden und dem Unterengadin zur Debatte. Dabei kam entweder ein (unter den gegebenen Umständen relativ aufwändiger) Ausbau der Flüela-Passstrasse oder eine Lösung mit Eisenbahntunnel und Autoverlad zwischen Klosters und dem Raum Susch/Lavin in Frage. Am 22. September 1985 fiel in einer kantonalen Volksabstimmung der Entscheid für letztere Lösung. Noch im selben Jahr sagte die Bundesversammlung eine Kostenbeteiligung von Seiten der Eidgenossenschaft zu, nachdem sich der aus dem Kanton Graubünden stammende Bundesrat Leon Schlumpf intensiv für das Projekt eingesetzt hatte.[3][4] Der Bau des Tunnels kostete 812 Millionen Schweizer Franken, 538 Millionen waren 1985 bewilligt worden.[5]
Bau
Nach verschiedenen Einsprachen konnte 1991 mit den Bauarbeiten begonnen werden. Der Ausbruch des Tunnels erfolgte von Norden mit einer Tunnelbohrmaschine, die zuvor auch den Zugangstunnel von Klosters nach Selfranga erstellte, und von Süden mit der klassischen Sprengmethode. Der Durchschlag erfolgte früher und deutlich weiter nördlich als ursprünglich geplant am 26. März 1997, da das Gestein auf der Südseite unerwartet leicht abbaubar war und einen schnellen Vortrieb ermöglichte. Am 19. November 1999 konnte der Vorsteher des eidgenössischen Verkehrsdepartements, Bundesrat Moritz Leuenberger, die neue Verbindung nach acht Jahren Bauzeit dem Verkehr übergeben. Drei Tage später erfolgte die Aufnahme des regulären Fahrplanbetriebes.
Streckenverlauf
Die Vereinastrecke beginnt in Bahnhof Klosters Platz (1191 m), wo sie von der Davoserlinie der Rhätischen Bahn abzweigt und im Zugwaldtunnel zum Verladebahnhof Selfranga (1281 m) führt. In Selfranga, am Nordportal des Vereinatunnels, findet der Autoverlad statt.
Der Vereinatunnel ist, wie die übrige Strecke, grossteils eingleisig ausgeführt. In Richtung Selfranga wird die Strecke etwa zwei Kilometer vor dem Tunnelportal zweigleisig, etwa 310 Meter vor dem Portal dreigleisig. Die beiden nordöstlichen Gleise 1 und 2 können für den Autoverlad genutzt werden, Lastwagen werden auf Gleis 1 abgefertigt. In der Gegenrichtung wird die Strecke etwa 1,6 Kilometer vor der Tunnelverzweigung zweigleisig.[6] Diese zweigleisigen Bereiche sind mit je einer Spurwechselstelle mit je vier Weichen ausgestattet. Etwa in der Mitte des Tunnels befindet sich weiterhin eine vollautomatische Ausweichstelle, die Kreuzungsstelle Vereina. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h kann ein Zug den Tunnel technisch in 17 Minuten durchfahren; im Fahrplan wird die Fahrzeit auf 19 Minuten veranschlagt.
Bei der Dienststation Sasslatsch Nord (Tunnelmeter 18'759 ab Selfranga) verzweigt sich der Tunnel. Die Hauptröhre führt zweigleisig in einem Linksbogen über weitere 283 Meter zur Autoverladestation Sagliains (1432 m), wo sie in die Bahnstrecke Bever–Scuol-Tarasp mündet. Für Züge ins Oberengadin wurde der eingleisige Tunnelast Sasslatsch II gebaut, der nach einer scharfen, 277 Meter langen Rechtskurve bei der Dienststation Sasslatsch II endet (Gesamtlänge mit Vereinatunnel 19'036 Meter) und ebenfalls in die Strecke Bever–Scuol-Tarasp mündet.
Betrieb
Je Stunde und Richtung verkehren auf dem Hauptast ein bis drei Autozüge und ein Reisezug. Die weitaus meisten Reisezüge verkehren nach Scuol-Tarasp. In Sagliains besteht Anschluss an Züge nach Pontresina.
Die Abzweigung Richtung Oberengadin wurde vom fahrplanmässigen Personenverkehr zwischenzeitlich kaum mehr genutzt, nachdem die „Engadin Star“-Verbindungen wegen mangelnder Nachfrage 2002 eingestellt worden war. Mit der Sommersaison 2009 wurde wieder ein tägliches Zugpaar zwischen Landquart und St. Moritz angeboten; seit dem Fahrplanwechsel vom 12. Dezember 2010 verkehrten drei Direktzüge von Landquart nach St. Moritz und zwei in die Gegenrichtung mit Anschluss an die IC der SBB von und nach Zürich. Mittlerweile haben sämtliche im Zweistundentakt verkehrenden Verstärker IC von/nach Zürich in Landquart Anschluss an die bzw. von den schnellen Verbindungen über das Prättigau ins Oberengadin.
Während der Baustelle im Unterengadin, wegen der über den gesamten Sommer 2019 die Bahnstrecke von Sagliains bis Scuol-Tarasp voll gesperrt war, waren sämtliche Regionalzüge durch das Prättigau (mit Ausnahme der Richtung Davos verkehrenden Züge) und durch das Oberengadin verknüpft und verkehrten durch den Sasslatsch-Abzweig.
Im Fernverkehr zwischen dem Oberengadin und Reisezielen nördlich von Landquart steht der Vereinatunnel in Konkurrenz zur Albulastrecke, die etwas langsamer und teurer, aber touristisch wegen der Landschaft und als UNESCO-Welterbe interessant ist.
Im Güterverkehr sind täglich etwa zwei bis drei Zugpaare zu verzeichnen.[7][8]
An Spitzentagen können mit dem Autoverlad knapp 5000 Autos transportiert werden. Dafür verkehren bis zu vier Autozüge pro Stunde, sodass durch den Mischverkehr mit den Reisezügen die Kapazitätsgrenze des grossteils einspurigen Tunnels erreicht wird.[9]
Lösch- und Rettungszüge
Im Notfall ist für den Vereinatunnel, der über keinen Fluchtstollen verfügt,[10] eine Hilfsfrist von maximal 45 Minuten bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte vorgesehen. Seit 1999 unterhält die Rhätische Bahn für den Vereinatunnel zwei Lösch- und Rettungszüge, von denen jeweils einer am Nord- und am Südportal stationiert ist. Im Einsatz werden sie von einer Rangierlokomotive mit einem Triebfahrzeugführer der Rhätischen Bahn zum Einsatzort geschoben. Die Einsatzkräfte in den Wagen werden von den zuständigen Feuerwehrstützpunkte die Einsatzkräfte gestellt.[11]
Die Züge bestehen jeweils aus folgenden Wagen:
- einem Gerätewagen mit hydraulischem Rettungsgerät, Notstromaggregaten, Leitern, Atemschutzgeräten und einem im Dach verbauten Atemluftvorrat von 40 000 Liter
- einem Sanitätswagen mit Sanitätsmaterial, Tragen, Fluchtmasken und einem im Dach verbauten Atemluftvorrat von 40 000 Liter
- einem Löschwagen mit 30 000 Liter Wasser, zwei Tragkraftspritzen TS-8 und einer Schnellangriffsleitung an der Zugspitze[11]
Aufgrund des Endes der Lebensdauer der Rettungszüge sowie «zur Verbesserung der Interventionsbereitschaft und -geschwindigkeit»[11] bestellte die Rhätische Bahn von Müller Technologie in Frauenfeld als Ersatz für die Rettungszüge nach einer Ausschreibung vier neue vierachsige, selbstfahrende und kuppelbare Fahrzeuge, die sich in den Aufbauten unterscheiden. Zwei sind als Löschfahrzeuge zur Brandbekämpfung und zwei als Rettungsfahrzeuge zur Evakuierung von Fahrgästen konzipiert. Das erste Fahrzeug wurde am 22. Februar 2022 ausgeliefert. Die Pläne sehen vor, die weiteren Fahrzeuge im Zweimonatstakt an die Rhätische Bahn zu übergeben und ab dem September 2022 am Nord- und Südportal jeweils ein Lösch- und ein Rettungsfahrzeug zu stationieren.[11][10][12] Für den witterungsgeschützen Unterstand für diese Fahrzeuge war im Mai 2021 in Selfranga der Bau einer Halle bis 2023 in Planung.[13][14]
Anmerkungen
- Der mit Kapspur (1067 mm) ausgerüstete Seikan-Tunnel in Japan ist mit 53,9 Kilometern der längste Schmalspurtunnel der Welt.
Weblinks
- Stefan Dringenberg: Vereina. In: Rail-Info Schweiz. 12. Februar 2001 .
Einzelnachweise
- Stefan Dringenberg: Streckendaten der Rhätischen Bahn - Vereinalinie. In: Rail-Info Schweiz. 12. Februar 2001, abgerufen am 25. Februar 2022.
- Kandidatur UNESCO-Welterbe «Rhätische Bahn in der Kulturlandschaft Albula/Bernina». 2.b.5 Zur Geschichte der Rhätischen Bahn, S. 268 f. (rhb.ch [PDF; 653 kB; abgerufen am 28. Februar 2022]).
- www.ozdoba.net: Rhätische Bahn – die kleine Rote (Memento vom 9. Mai 2008 im Internet Archive)
- Beitrag für Ausgleich der Bauteuerung am Vereina (Memento vom 9. Februar 2012 im Internet Archive) Mitteilung des UVEK (Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation) vom 1. Dezember 1999
- LITRA 7. Mai 1997 (Memento vom 6. Oktober 2006 im Internet Archive)
- ermittelt mit der Messfunktion der digitalen Schweizer Landeskarte https://map.geo.admin.ch/?lang=de&topic=ech&bgLayer=ch.swisstopo.pixelkarte-farbe&layers=ch.swisstopo.zeitreihen,ch.bfs.gebaeude_wohnungs_register,ch.bav.haltestellen-oev,ch.swisstopo.swisstlm3d-wanderwege&layers_visibility=false,false,false,false&layers_timestamp=18641231,,,&E=2786840.70&N=1192065.42&zoom=13
- Der längste Meterspurtunnel der Welt (Memento vom 31. Mai 2006 im Internet Archive)
- Kein eigenständiger „Engadin-Star“ mehr, Rail-Info Schweiz, Nachrichten Ausgabe 4/2002 (Oktober)
- Michael Nold: Geschwindigkeitsregler für Züge mit Längsschwingungen. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 12, Dezember 2018.
- Löschfahrzeuge für die Schiene aus Frauenfeld. In: Top Online. 22. Februar 2022, abgerufen am 24. Februar 2022.
- Urs Weber: Feuerwehr auf Gleisen – Auf der Schiene. In: Feuerwehr | Retten – Löschen – Bergen. November 2020 (feuerwehr-ub.de [abgerufen am 24. Februar 2022]).
- Jürg D. Lüthard: Schweiz: Müller Technologie AG liefert erstes neues Löschfahrzeug der RhB. In: Lok-Report. Lokomotive Fachbuchhandlung, 24. Februar 2022, abgerufen am 24. Februar 2022.
- Manuela Meuli: Am Vereina wird wieder gebaut. In: Südostschweiz. Somedia Press, 17. Mai 2021, abgerufen am 24. Februar 2022 (kostenpflichtig).
- Ausschreibung: Station Selfrenga, Erstellung Halle LRF. simap.ch, 7. Mai 2021, abgerufen am 28. Februar 2022.