Umspannanlage Brauweiler
Die Umspannanlage Brauweiler (auch Umspannwerk Brauweiler oder Station Brauweiler) ist eine Umspann- und Schaltanlage im Pulheimer Ortsteil Brauweiler im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Das in den 1920er Jahren durch das RWE erbaute Werk diente als zentraler Lastverteiler im Übertragungsnetz und war bei der Errichtung das größte seiner Art weltweit. Eine wichtige Rolle spielte es bei der Entwicklung des Verbundsystems zwischen alpiner Wasserkraft und rheinischer Braunkohle (Nord-Süd-Leitung), aus dem sich später das deutsche wie auch gesamteuropäische Stromnetz entwickelte.
Umspannwerk Brauweiler | ||
---|---|---|
Einfahrtsbereich der Umspannanlage Brauweiler | ||
Daten | ||
Ort | Pulheim-Brauweiler | |
Bauherr | Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk | |
Baujahr | 1928 | |
Höhe | 57 m ü. NN m | |
Koordinaten | 50° 58′ 0,3″ N, 6° 48′ 23,1″ O | |
Besonderheiten | ||
Leitstelle Systemführung Netze, zum Zeitpunkt des Baus größte Schaltanlage der Welt, nördlicher Endpunkt der Nord-Süd-Leitung |
Noch heute ist die Umspannanlage eine der größten in Deutschland und besitzt durch die auf dem Gelände angesiedelte Systemführung Netze (ehemals Hauptschaltleitung Brauweiler) überregionale Bedeutung.
Lage und Anbindung
Das Umspannwerk liegt auf dem Gebiet der Stadt Pulheim, östlich des Ortsteils Brauweiler. Die Kölner Innenstadt liegt rund 10 km südöstlich. Westlich der Schaltanlage befinden sich im südlichen Teil die Gebäude der Hauptschaltleitung und im nördlichen Teil das Gelände des Logistikzentrums. Um die Anlage herum hat sich ein Gewerbepark angesiedelt.
Zum Transport der Leistungstransformatoren besteht ein Gleisanschluss von der Bahnstrecke Rheydt–Köln-Ehrenfeld. Eine Straßenanbindung führt im westlichen Teil des Anlage über die Von-Werth-Straße.
Geschichte
Der Bau der Umspannanlage Brauweiler ist eng verbunden mit der Netzentwicklung des RWE, die dem Plan zugrunde lag, die eigenen Braunkohlekraftwerke mit ihren Verbrauchern im Rheinland und Wasserkraftwerke im süddeutschen Raum und in den Alpen im Verbund miteinander zu betreiben. Hieraus entwickelte sich zunächst eine Sammelschiene, die ihr nördliches Ende in Brauweiler nahm und die Energie aus den umliegenden Kraftwerken aufnahm, später wurde Brauweiler dann die zentrale Leitstelle des weiter expandierenden Fernleitungsnetzes.
Entwicklung des RWE-Übertragungsnetzes
Der Einstieg in die überregionale Energieversorgung begann für das 1898 gegründete Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE), das ursprünglich die Stadt Essen per Elektrizitätswerk versorgte, im Jahr 1905 mit dem Erwerb der rheinischen Braunkohlegrube Berggeist bei Brühl. Da die Braunkohlevorräte dort schnell zur Neige gingen, wurde 1913 mit dem Bergwerk Roddergrube bei Hürth ein Liefervertrag abgeschlossen, der dem RWE die Braunkohle von dort zusicherte. Gleichzeitig entwickelte Bernhard Goldenberg, technischer Vorstand des RWE, nach dem Konzept Georg Klingenbergs ein Wärmekraftwerk, das aus der Braunkohle der Roddergrube Energie erzeugt. Die 1914 in Betrieb genommene Vorgebirgszentrale, 1920 zu Ehren des 1917 verstorbenen Bernhard Goldenbergs in Goldenbergwerk umbenannt, wurde stetig erweitert und war kurz nach dem Ersten Weltkrieg das leistungsstärkste Kraftwerk in Europa.[1]
Über ein Freileitungsnetz wurde das Kraftwerk mit den Verbrauchern im Umland verbunden. Zum Betrieb dieser Leitungen nutzte man die Erfahrungen mit der zwei Jahre zuvor in Betrieb genommenen Teststrecke zwischen Lauchhammer und Riesa und betrieb sie mit 110 kV Spannung. Neben dem Erftwerk, einem 1917 in Betrieb genommenen Aluminiumwerk bei Grevenbroich, bestanden Verbindungen zu anderen Anlagen des RWE, etwa zum Kraftwerk Reisholz. Da das Goldenbergwerk aufgrund der Gebietserweiterungen in kurzen zeitlichen Abständen immer wieder erweitert werden musste, legte der Geschäftsbericht des RWE schon 1912/13 fest, dass „es richtig ist, in Zukunft Kraftzentralen von noch größeren Leistungen unter günstigen Stromerzeugungsverhältnissen zu errichten und mit noch größeren Versorgungsgebieten durch Anwendung höherer Übertragungsspannungen zu versehen als dies bisher schon üblich war.“ Schließlich müssen „auch benachbarte Werke [...] dahin kommen [...], sich hinsichtlich der Lage ihrer Kraftstationen sowie der Auslegung ihrer Fernleitungsnetze miteinander zu verständigen, wenn nicht eine Menge Kapital unnötig verausgabt werden soll.“[2]
Die Netztopologie entsprach, trotz einiger Maschenschlüsse zwischen den weiter entfernt gelegenen Gebieten, dem eines Sterns mit der Kraftwerksschaltanlage als zentralen Punkt, was eine Gewährleistung der Energieerzeugung im Kraftwerk nötig machte. Tatsächlich waren bis Mitte der 1920er alle Kraftwerke des RWE über 110-kV-Leitungen miteinander verbunden, jedoch dienten sie nur zur Deckung der Spitzenlast. Die Verteilung von Grund- und Spitzenlast übernahm das Goldenbergwerk selbst.
Ausbau zum Verbundnetz
Die Situation der Stromverteilung im Rheinland weckte das Interesse, die Energieerzeugung mit Braunkohle mit anderen Energieträgern zu koppeln. Konkret wurde dieser Plan ab 1923, als das RWE die Elektrizitäts-Actien-Gesellschaft vorm. W. Lahmeyer aus Frankfurt am Main erwarb und als Tochtergesellschaft führte. An die Lahmeyer AG wiederum waren zahlreiche Energieversorgungsunternehmen in Süddeutschland angeschlossen.
Im März 1923 besuchten Arthur Koepchen (technischer Vorstand RWE seit 1917), Ernst Henke (juristischer Vorstand) und Bernhard Salomon (Generaldirektor Lahmeyer AG) die Wasserkraftwerke der Lechwerke AG bei Augsburg und das Dampfkraftwerk der Kraftwerk Altwürttemberg AG (KAWAG), deren Überschüsse jeweils im Sommer bzw. im Winter am höchsten waren. Dadurch inspiriert entwarf man zunächst eine Leitungsverbindung zwischen Augsburg und Heilbronn, später plante man eine Fortführung über Höchst am Main (Anlagen der Lahmeyer-Tochtergesellschaft Mainkraftwerke) bis zum Goldenbergwerk.
Mit dem Einstieg der Lahmeyer-Tochter Württembergische Sammelschienen AG (WÜSAG) in die Nutzung von Wasserkräften im österreichischen Vorarlberg im November 1923 und der Gründung der Vorarlberger Illwerke im Jahr darauf entstand schließlich der finale Entwurf, die Sammelschiene von Bludenz durch Oberschwaben in den Stuttgarter Raum und über das Rhein-Main-Gebiet ins Rheinland zu führen.
Da man befürchtete, dass die bisher angewandten 110 kV Spannung für den Betrieb einer mehrere hundert Kilometer langen Freileitung aufgrund der Übertragungsverluste nicht wirtschaftlich sind, baute man 1923 zunächst eine 40 km lange Teststrecke von Ronsdorf nach Iserlohn-Genna und besuchte die Southern California Edison sowie die Pacific Gas and Electric, die bereits seit 1921 Leitungen mit dieser Spannungsebene betrieben. Nachdem der RWE-Vorstand von der Machbarkeit einer Übertragung mit höherer Spannung überzeugt war, kamen Bedenken auf, dass für die 600 km lange Verbindung selbst diese nicht ausreicht. Masten und Leitungen wurden daher – zum damaligen Zeitpunkt erstmals weltweit – für einen Betrieb mit 380 kV ausgelegt.
Bau der Umspannanlage Brauweiler
Der Bau der Südleitung von Bludenz nach Brauweiler wurde 1924 aufgenommen, zunächst im Abschnitt Rheinau–Kelsterbach–Koblenz–Neuenahr, der 1926 zur Probe mit 110 kV in Betrieb genommen wurde. Etappenweise wurde bis 1929 die komplette Leitung fertiggestellt. Trotz Ausbau für 380 kV wurde die Leitung nur mit 220 kV in Betrieb genommen, eine Spannungserhöhung war zu einem späteren Zeitpunkt geplant. Auch das restliche Übertragungsnetz des RWE wurde zu dieser Zeit für 220 kV ausgelegt.
Anstatt die Kraftwerksschaltanlage des Goldenbergwerks zu erweitern, beschloss man den Bau einer komplett neuen Umspannanlage, die neben der Verknüpfung zwischen dem Leitungsnetz der Braunkohlekraftwerke und dem überregionalen Verbundnetz auch als zentrale Schaltstelle des RWE-Netzes dienen sollte. Die erste Ausbaustufe umfasste 36 Schaltfelder für 110 kV und wurde am 28. Oktober 1928 in Betrieb genommen. Gleichzeitig war die Südleitung bis Hoheneck bei Stuttgart mit 110 kV in Betrieb. Die vom Goldenbergwerk hierhin verlegte Schaltwarte war zu diesem Zeitpunkt noch in einer provisorischen Baracke untergebracht, konnte allerdings schon den Betrieb des 110-kV-Netzes regeln.
Mit dem Bau der 220-kV-Schaltanlage, der Schaltwarte und der Verwaltungsgebäude wurde 1929 begonnen. Erstmals in Betrieb ging die nun Hauptschaltleitung Brauweiler genannte Warte am 12. Oktober 1929 mit der 220-kV-Anlage. Von Brauweiler wurde eine im Januar 1930 in Betrieb genommene Nordleitung dieser Spannung über Wesel zum Nike-Kraftwerk Ibbenbüren gebaut, das 1924 vom RWE übernommen wurde. Zu ihr gehörte unter anderem die Rheinkreuzung bei Voerde mit ihren 138 m hohen Masten. Mit der Gesamtinbetriebnahme der Südleitung bis Bludenz am 17. April 1930 konnte der Verbundbetrieb zwischen den Wasserkraftwerken im Vorarlberg und im Südschwarzwald – das RWE beteiligte sich ab 1928 am Bau des Schluchseewerks – aufgenommen werden. Das von Brauweiler aus gesteuerte Verbundsystem umfasste zum damaligen Zeitpunkt 4300 km an Drehstromleitungen, 49 Umspannwerke (davon 12 mit einer 220-kV-Schaltanlage) und 1140 MW Gesamtleistung an Kraftwerken.[3]
Da beim Bau der Südleitung die Siemens-Schuckertwerke mit der technischen Ausstattung aller sieben Umspannwerke an der Trasse beauftragt wurden und sie diese nach einem einheitlichen Schaltschema ausführten entsprach der technische Aufbau der Anlagen in Brauweiler in den Grundzügen dem der anderen Umspannwerke. Die Freiluftschaltanlage erstreckte sich über eine Fläche von 40 ha, hatte eine Länge von 1 km und eine Breite von 400 m. 40 Schaltfelder und fünf Sammelschienen für 110 kV sowie 13 Schaltfelder und drei Sammelschienen für 220 kV, die von sechs 220-kV- und 19 110 kV-Stromkreisen versorgt wurden, waren nun in Betrieb. Zwischen beiden Spannungsebenen spannten zwei 9 m hohe und 180 t schwere ölgekühlte Leistungstransformatoren mit einer Leistung von 60 MVA, die in Berlin gefertigt und per Bahn nach Brauweiler transportiert wurden, um. Ein dritter derartiger Transformator wurde 1932 installiert und diente als Reserve.
Zur Blindleistungskompensation wurden in Brauweiler, wie in den anderen Umspannwerken des RWE auch, sechs Drosselspulen mit 6000 kVA Leistung eingebaut, um Lastabfällen im 220-kV-Netz vorzubeugen. Da sich das Koepchenwerk, ein Wasserkraftwerk am Hengsteysee, bei Inbetriebnahme des Umspannwerks Brauweiler noch im Bau befand ging man von einer Leistungszunahme auch auf der Südleitung aus und installierte daher Phasenschieber. Mit Inbetriebnahme des Koepchenwerks wurde der dort erzeugte Strom in ein ringförmiges 220-kV-Netz eingespeist, das neben der Nordleitung eine Verbindung von Ibbenbüren über Osnabrück, Paderborn und das Koepchenwerk wieder nach Brauweiler zurück umfasste. Hierfür bezog man auch die 1923 erbaute Teststrecke Ronsdorf–Genna ein, deren Trassenführung vorausschauend für eine Verbindung zwischen Rheinland und Westfalen konzipiert worden war.
Zwischen dem Goldenbergwerk und Brauweiler bestanden zwei Leitungstrassen mit insgesamt vier 220-kV-Stromkreisen. Zusätzlich wurden die drei seit 1917 bestehenden 110-kV-Leitungen in Richtung Reisholz, ins Bergische und zum Erftwerk in die Schaltanlage eingeschleift.
Zur Eigenversorgung der Schaltwarte konnte aus der Anlage eine Spannung von 5 oder 25 kV heruntertransformiert werden. Über eine Hochfrequenz-Telefonanlage bestand jederzeit Verbindung zu anderen Umspannwerken, auch von anderen Netzbetreibern, etwa dem Bayernwerk in Karlsfeld bei München. Aufgabe der Hauptschaltleitung war nun die Steuerung und gleichmäßige Verteilung der Energie, die nun in Wärmekraftwerken im Rheinland, im Ruhrgebiet, in Ibbenbüren und in Paderborn erzeugt wurde und in den 220-kV-Leitungsring einspeiste. Zusätzlich umfasste er das Pumpspeicherkraftwerk Koepchenwerk bei Dortmund und die über die Südleitung angebundenen Kraftwerke in Süddeutschland und Österreich. Neben den Vorarlberger Wasserkraftwerken (Vermuntwerk) und den Stufen der Schluchseewerke waren darunter auch die Kohlekraftwerke in Heilbronn, Mannheim, Höchst und Dettingen. Von Brauweiler aus wurde das damals größte Hochspannungs-Übertragungsnetz der Welt gesteuert.
Unter ihrem ersten Direktor, Fritz Kretzschmar, waren 1931 in der Hauptschaltleitung Brauweiler 70 Mitarbeiter beschäftigt. In der Gemeinde war RWE somit zum größten Arbeitgeber geworden. Für einen Teil der Belegschaft wurden direkt am Werksgelände acht Wohnhäuser mit insgesamt 24 Werkswohnungen gebaut.[4]
Inspiriert durch den Verbundbetrieb des RWE legte der Elektrizitätspionier Oskar von Miller (Initiator der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung 1891 in München) im Jahr 1930 Pläne für ein gesamtdeutsches Höchstspannungsnetz mit ringförmiger Topologie vor. Der Unternehmer Oskar Oliven entwarf sogar schon einen Generalplan für ein gesamteuropäisches 400-kV-Übertragungsnetz vor, das die Wasserkraftwerke Skandinaviens und der Alpen mit den Kohlerevieren in Nordfrankreich, Belgien, Westdeutschland, Oberschlesien und Südrussland kombinieren sollte.
Aufgrund der damaligen politischen Bedingungen galt eine Realisierung als ausgeschlossen. Zudem gründete sich 1928 die Aktiengesellschaft für Deutsche Elektrizitätswirtschaft um die Elektrowerke AG, das Bayernwerk und die PreussenElektra, der 1929 als konkurrierende Gesellschaft die Westdeutsche Elektrizitätswirtschaft AG als freiwilliger Zusammenschluss um die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen, das RWE, das Badenwerk und einige kleinere westdeutsche Versorgungsunternehmen folgte.
Rolle der Anlage in der NS-Zeit
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 änderten sich die Bedingungen für die deutsche Elektrizitätswirtschaft rasch – mit dem am 13. Dezember 1935 erlassenen Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft wurde, auch in Hinblick auf militärische Aspekte, die dezentrale Energieversorgung geregelt, zugleich unter Aufsicht des Staates (Reichswirtschaftsministerium) gestellt. Die Stromversorgung für als kriegswichtig erachtete Betriebe (Aluminiumwerk in Grevenbroich, Stickstoffdüngerwerk in Knapsack) führte zu einem erhöhten Strombedarf, der 1936 durch eine nochmalige Erweiterung des Goldenbergwerks und dem Erwerb der Niederrheinischen Braunkohlewerke AG mit dem Kraftwerk Frimmersdorf kompensiert wurde. Nachdem 1939 das Steinkohlekraftwerk Essen-Karnap und bis 1943 das Kraftwerk Witznau der Schluchseewerke, das Rodundwerk sowie das Obervermuntwerk der Illwerke in Betrieb gingen, stieg der durch das 220-kV-Netz des RWE regulierte Stromabsatz deutlich an.[5]
Mit Gründung der Reichsstelle für die Elektrizitätswirtschaft (auch als Reichslastverteiler bezeichnet) wurde eine Zentralstelle für die Regulierung des gesamten deutschen Verbundnetzes über die Energieversorger hinaus eingerichtet. Die Hauptschaltleitung Brauweiler wurde zum dem Reichslastverteiler direkt unterstehenden Bezirkslastverteiler, der für den Energiebezirk VI b zuständig war. Bei zu wenig verfügbarer Strommenge im Energiebezirk wurden von Brauweiler aus – auf Anweisung durch den Reichslastverteiler und das Planungsamt des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion – Abschaltungen durchgeführt. Ab Frühjahr 1944 wurden zur weiteren Energiedeckung der Produktionsbetriebe große Teile des deutschen Verbundnetzes zusammengeschaltet, wodurch sich zwei Frequenzblöcke bildeten. Neben einem Block in Mittel- und Norddeutschland (PreussenElektra, Elektrowerke AG) wurde von Brauweiler aus ein weiterer Block geleitet, der das Netzgebiet des RWE bis in den Süden sowie das als Energiebezirk VI a geführte der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW) beinhaltete.[6]
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde durch das NS-Regime ein Stromtransport aus den besetzen Ländern Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich angestrengt. Dazu reichte Arthur Koepchen, der mit dem gesamten RWE-Vorstand schon zum 1. Mai 1933 in die NSDAP eintrat, am 25. Mai 1940 einen Plan vor, der die Anbindung der westeuropäischen Netze mit dem des RWE regelte. Über Brauweiler sollte die Elektrizität aus diesen Ländern in das RWE-Netz integriert werden. Waren zunächst zahlreiche Leitungen für den Abtransport geplant (alleine fünf zwischen den Niederlanden und Deutschland)[7], realisierte man in den 1940er Jahren drei Verbindungen:
- Eine 220-kV-Leitung von Jupille bei Lüttich über das südlimburgische Lutterade und das Kraftwerk Zukunft bei Weisweiler nach Brauweiler[8]
- Eine 220-kV-Leitung vom lothringischen Landres nach Brauweiler
- Eine 220-kV-Leitung vom Kraftwerk der Provinciale Geldersche Electriciteits-Maatschappij (PGEM) in Nijmegen nach Kleve[7]
Die 220-kV-Leitung von Jupille nach Brauweiler war im Herbst 1941 weitgehend fertiggestellt, ging aufgrund kriegsbedingten Materialmangels aber erst 1944 in Betrieb. Ursprünglich zum Abtransport der belgischen und niederländischen Stromproduktion nach Deutschland gedacht, wurde von Brauweiler aus nun die Versorgung der deutschen Kriegsproduktion in Belgien und Frankreich über diese Leitung bewerkstelligt.[9] Daneben war über diese Leitung in Weisweiler auch das Kraftwerk Heimbach über eine 110-kV-Leitung angebunden.[10]
Trotz Zerstörungen zahlreicher RWE-Kraftwerke während der alliierten Luftangriffe ab Sommer 1943 blieb das Verbundnetz noch bis Ende 1944 größtenteils in Betrieb. Um die Umspannanlage Brauweiler vor Betriebsausfällen durch Bombensplitter zu schützen wurden um die Transformatoren Torfballen gestapelt. Erst als sich die Kampfhandlungen weiter nach Westen verlagerten wurden Teile des Netzes zerstört. Anfang 1945 besetzte die US-Armee die Hauptschaltleitung, die am 5. März 1945 meldete:
„Wir sind soeben durch alliierte Truppen besetzt worden. [...] Die linksrheinischen Fernleitungen liegen größtenteils am Boden. Wir haben mit dem Süden keine Verbindung mehr. Wir trennen uns hiermit auch vom rechtsrheinischen Gebiet.[11]“
Nachkriegszeit
Schon kurz nach Kriegsende konnten die meisten Schäden im Verbundnetz wieder behoben und der Betrieb von Brauweiler aus gesteuert werden. Als Reparationsleistung wurde, initiiert durch die Alliierten, der Stromtransport von Brauweiler nach Lutterade/Jupille im Oktober 1945 und nach Landres im März 1946 aufgenommen. Letzteres realisierte man durch eine provisorische 220-kV-Leitung auf Holzmasten zwischen Landres und Mettlach, von wo aus seit 1928 eine 220-kV-Leitung des RWE zum Umspannwerk Koblenz führte. Der Verbundbetrieb zwischen Brauweiler und Vorarlberg konnte im Sommer 1945 weitergeführt werden, bis das gesamte Netz frei von Unterbrechungen und Provisorien war dauerte es bis 1948.
Zur Bereitstellung der Stromversorgung im kriegszerstörten Land wurde 1946 der Zentrallastverteiler für Elektrizität in Bad Homburg durch die Länderregierungen in der britischen und der französischen Zone gegründet. Dieser unterstanden die Hauptlastverteiler, zu dem die Hauptschaltleitung Brauweiler für das westliche Netzgebiet erklärt worden war. Mit der verbesserten Versorgungslage durch den Bau neuer Kraftwerke wurde der Zentrallastverteiler in den 1950er Jahren aufgelöst.[12]
Mit Gründung der Deutschen Verbundgesellschaft (DVG) 1948, der UCPTE 1951 und dem Wirtschaftswachstum in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern stieg die zu bereitstellende Menge an Elektrizität an. Zahlreiche Kraftwerke im rheinischen Braunkohlerevier wurden neu gebaut oder erweitert, sodass einige neue 220-kV-Leitungen gebaut wurden und man bald befürchtete, dass diese Spannungshöhe nicht mehr ausreichen wird. Eine notwendige Kapazitätserhöhung im Stromnetz wurde dabei 1952 auf der schon für höhere Spannungen dimensionierten Nord-Süd-Leitung durchgeführt: Ein Stromkreis zwischen Brauweiler und Rheinau wurde durch Verlängerung der Isolatorenketten auf 300 kV erhöht. Dafür mussten in Brauweiler und Rheinau neue Transformatoren und Schaltfelder eingerichtet werden.[13]
Zur gleichen Zeit führte man im Rahmen der DVG auf einem Testgelände bei Mannheim erste Versuche für eine Übertragung mit 380 kV Spannung durch, zumal in Schweden bereits eine Leitung dieser Spannungshöhe in Betrieb ging. Die gewonnenen Erkenntnisse nutzte insbesondere das RWE für ein geplantes Höchstspannungsnetz oberhalb der momentan genutzten Spannungsebene. Um das Stromnetz übersichtlicher betreiben zu können beschloss man, die Anlage in Brauweiler nicht zu erweitern, sondern ein komplett neues Umspannwerk zu bauen. Unter dem Arbeitstitel Brauweiler II entstand bis 1954 nordwestlich von Brauweiler in Rheidt-Hüchelhoven eine 380-/220-kV-Anlage, die später nach der nahen Gemeinde Rommerskirchen benannt wurde. Von dort bis nach Hoheneck wurde 1957 die erste 380-kV-Leitung Deutschlands in Betrieb genommen, die auch an Brauweiler vorbei führt. In Hoheneck wurde 1955 die Gruppenschaltleitung Süd als nachgeordnete Dienststelle der Hauptschaltleitung Brauweiler eingerichtet. Weitere Gruppenschaltleitungen entstanden in Essen, Uchtelfangen und Rommerskirchen.
Wegen der größeren Strommengen plante man ab 1953 auch den Bau einer neuen Netzwarte in Brauweiler, die ausschließlich der Netzregulierung dienen soll, anstatt wie in der bisherigen Schaltwarte zusammen mit der Schaltanlagensteuerung. Die damals sehr moderne Netzwarte ging 1955 in Dienst, war durchgehend mit zwei Ingenieuren besetzt und konnte jederzeit Verbindungen mit allen Kraftwerken und Umspannwerken im RWE-Netz herstellen. Zwischen Brauweiler und Essen und später nach Hoheneck bestanden ab 1953 Richtfunkverbindungen, wofür ein Richtfunkturm aufgestellt wurde.[14]
Da das Leitungsnetz in Deutschland bis in die 1970er Jahre durch den Zubau zahlreicher Kraftwerke und den Einstieg in die Kernkraft stark wuchs (Wachstum 1955–1970 um das fünffache), wurde von 1971 bis 1975 eine neue, größere Netzwarte in Brauweiler eingerichtet, die erstmals elektronisch gesteuert werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt betrieb das RWE ein Netz bestehend aus 8450 km Stromkreisen und 132 Stationen im Höchstspannungsnetz. Insgesamt 688 Mitarbeiter waren für die Hauptschaltleitung in zwölf Abteilungen tätig.[15]
Neuere Entwicklungen
Die elektronische Netzführung wurde 1992 erstmals erneuert.[16] Im Zuge von EU-Richtlinien, die die Liberalisierung des Strommarktes betreffen, wurde mit Inkrafttreten 1999 die Lastverteilung in Brauweiler beendet, stattdessen steht die Gewährleistung eines störungsfreien Stromtransportes durch den Netzbetreiber im Vordergrund, da das vormals durch ein einziges Unternehmen betriebene Netz nun vielen Stromversorgern offensteht.
Seit dem 1. Oktober 2000 unterstand die Hauptschaltleitung Brauweiler der RWE Net AG, die durch die Fusion des RWE mit der VEW entstand. Im Zuge dessen wurde sie in Systemführung Netze umbenannt. Nach der Umstrukturierung des RWE-Konzerns im Oktober 2003 steht das Übertragungsnetz der RWE Net AG nun der RWE Transportnetz GmbH, die seit 1. September 2009 Amprion heißt.
Technik
Technischer Aufbau
Die heutige Umspannanlage besteht aus einer 220-kV- und einer 110-kV-Schaltanlage, die als Freiluftstation ausgeführt ist. Zwischen beiden Spannungsebenen spannen zwei Transformatoren um. In der 220-kV-Anlage befinden sich drei, in der 110-kV-Anlage vier Sammelschienen. Im südlichen Bereich der Anlage befindet sich ein Funkturm für Richtfunkverbindungen. Mit etwa 40 ha Fläche zählt das Umspannwerk zu den flächengrößten in Deutschland.
Anfang der 2000er Jahre wurde der 110-kV-Anlagenteil um etwa die Hälfte reduziert. Auch kleinere Teile der 220-kV-Anlage sind demontiert worden.
Freileitungen
Alle zum Umspannwerk führenden Stromkreise sind als Freileitung ausgeführt. In der nachfolgenden Tabelle sind alle Verbindungen aufgeführt, die von Brauweiler aus bestehen. Heute nicht mehr bestehende Leitungen sind kursiv gekennzeichnet.
Netzbetreiber | Trasse | Spannung, Stromkreis-Name | Zielort/-station | Baujahr der Trasse | Demontage | Himmels- richtung | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Amprion |
Bl. 2305 | 220 kV Pulheim Süd | Opladen | 1930 | Nord | ||
Bl. 2357 | 220 kV Niederaußem 4d | Kraftwerk Niederaußem | 1930 | seit 2017 | Früher durchgehend bis Wesel, Masten werden durch 380 kV ersetzt | ||
Bl. 2385 | 220 kV Niederaußem 1a | 1960er | |||||
220 kV Niederaußem 2b | |||||||
220 kV Niederaußem 3c | |||||||
220 kV Rommerskirchen Ost | Rommerskirchen | ||||||
Bl. 2321 | 220 kV Fortuna Nord | Kraftwerk Fortuna | 1950er | trägt heute 110-kV-Systeme | |||
220 kV Fortuna Süd | |||||||
220 kV Zukunft Nord | Zukunft/Weisweiler | 1941 | 2003 | bis Oberaußem durch parallele Leitung ersetzt, früher über Weisweiler nach Jupille (B) | |||
220 kV Zukunft Süd | |||||||
RWE Deutschland AG (Westnetz) |
Bl. 2321 | 110 kV Grefrath Ost | Oberaußem → Ichendorf → Wachtberg Briketten → Frechen | 1950er | System für 220 kV isoliert | ||
110 kV Glesch Süd | Oberaußem → Paffendorf | ||||||
Bl. 2483 | 110 kV Dormagen West | Dormagen | 1960er | System für 220 kV isoliert, Erdkabelabschnitt auf Stationsgelände (die Leitung führte früher in die 220-kV-Anlage) | |||
110 kV Dormagen Ost | |||||||
Bl. 0006 | 2× 110 kV | Osterath | 1917 | 1970er | größtenteils durch parallele 380-/220-/110-kV-Leitung ersetzt | ||
Bl. 0012 | 2× 110 kV | Kraftwerk Reisholz | 1914 | letztes Teilstück Rhein-Freileitungskreuzung Reisholz 2016 demontiert | |||
Bl. 1064 | 110 kV Gohr West | Pulheim → Anstel → Gohrpunkt | 1950er | seit 2017 | Masten werden durch 380 kV ersetzt | ||
110 kV Gohr Ost | |||||||
Amprion |
Bl. 2351 | 220 kV Troisdorf West | Siegburg | 1928 | Süd | Zwischen Brauweiler und Knapsack heute 110 kV, von Frechen über Goldenbergwerk bis Siegburg Baujahr 1950er Jahre | |
220 kV Troisdorf Ost | |||||||
Bl. 4501 | 220 kV Olefin West | Bollenacker → Sechtem | 1929 | geplant | Nord-Süd-Leitung, wird seit 2018 abschnittsweise durch 380-kV-Leitung ersetzt, vor Einbindung in UW Sechtem Stromkreise 220 kV Berggeist West und 220 kV Berggeist Ost | ||
220 kV Godorf Ost | |||||||
Bl. 4511 | 220 kV Godorf West | Sechtem | 1957 | System für 380 kV isoliert, verläuft auf der ältesten 380-kV-Leitung Deutschlands | |||
220 kV Goldenbergwerk West | Goldenbergwerk | 1928 | um 1990 | durch 380-kV-Leitung ersetzt | |||
220 kV Olefin Nord | |||||||
Bl. 2416 | 220 kV Bocklemünd Nord | Bocklemünd | 1960er | ||||
220 kV Bocklemünd Süd | |||||||
RWE Deutschland AG (Westnetz) |
Bl. 2351 | 110 kV Gleuel West | Kalscheuren → Knapsack | 1928 | geplant | System für 220 kV isoliert, gleiche Masten wie Nord-Süd-Leitung | |
110 kV Gleuel Ost | |||||||
2× 110 kV | Goldenbergwerk | 1914 | um 1990 | durch 380 kV-Leitung ersetzt | |||
2× 110 kV | 1917 | ||||||
2× 110 kV | 1917 | ||||||
Bl. 0082 | 110 kV Frechen West | Frechen | 1941 | ursprünglich durchgehend bis Grube Vereinigte Ville, diese Leitung existiert noch fast auf gesamter Länge | |||
110 kV Frechen Ost | |||||||
Systemführung Netze
Auf dem Areal der Umspannanlage Brauweiler befindet sich die Systemführung Netze der Amprion. Von ihr werden große Teile des deutschen Höchstspannungsnetzes fernüberwacht und ferngeschaltet sowie der Verbundbetrieb der Stromversorgung, also die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Übertragungsnetzbetreibern, für ganz Deutschland und den nördlichen Teil des europäischen Stromübertragungsnetzes auf den Spannungsebenen 380 kV und 220 kV koordiniert und bilanziert (siehe UCTE). Hierzu gehören die Stromnetze der Länder Belgien, Bulgarien, Deutschland, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien und Ungarn.
Um dies zu bewerkstelligen setzen Amprion und RWE auch Richtfunkverbindungen ein. Deshalb befindet sich auf dem Areal der Umspannanlage Brauweiler (wie bei allen großen Umspannanlagen) ein als freistehende Stahlfachwerkkonstruktion ausgeführter Richtfunkturm.
Auch das RWE-Logistikzentrum ist auf dem Areal angesiedelt.
Literatur
- Theo Horstmann und Klaus Kleinekorte: Strom für Europa. Klartextverlag Essen 2003, ISBN 3-89861-255-4
Weblinks
Einzelnachweise
- Hürth – Goldenberg-Werk. In: rheinische-industriekultur.de. Abgerufen am 17. September 2018.
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 16.
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 35
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 50
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 57f
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 59f
- Arjen W. Kuiken: HOOGSPANNINGSLIJN NIJMEGEN-KLEEF 1940-1944. Abgerufen am 19. September 2018.
- Technische Universiteit Eindhoven: Electrifying Europe, S. 118. Abgerufen am 11. März 2017.
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 60–62
- H. Kirchhoff: Unternehmungsform und Verkaufspolitik der Stromversorgung. Verlag von Julius Springer, Berlin 1933, S. 131
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 63
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 65ff
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 73
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 85
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 95ff
- T. Horstmann, K. Kleinekorte: Strom für Europa – 75 Jahre RWE-Hauptschaltleitung Brauweiler 1928–2003. Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 101