Hohlweg
Ein Hohlweg ist ein Weg, der sich durch jahrhundertelange Nutzung mit Fuhrwerken und Vieh sowie abfließendes Regenwasser bis zu 10 Meter tief in das umgebende Gelände eingeschnitten hat.[1]
Entstehung
Nach dem Zerfall des Römischen Reiches bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts waren Wege und Straßen mit unbefestigten Oberflächen ausgestattet. Dabei bildeten sich Hohlwege an den Standorten aus, an welchen durch den mechanischen Druck der Wagenräder und durch die ständige Beanspruchung der Wegflächen durch Huftritte der Zug- und Lasttiere die obere Bodenschicht verdichtet wurde und das fein zermahlene Bodenmaterial durch Oberflächenwasser bei Regenereignissen abtransportiert wurde. Die Vertiefung der Wegrinne durch Erosionsprozesse erfolgt durch lange Nutzungsdauer der Wege und Straßen. Der fortwährende Bodenabtrag ist die wesentliche Ursache für die Entstehung der Hohlwege. Nur in wenigen Fällen wurden die Wege bewusst vom Menschen angelegt. Die Bildung von Hohlwegen war von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig: Zum einen spielten die naturräumlichen Gegebenheiten eine wichtige Rolle und zum anderen war die menschliche Nutzung durch das Befahren der Wege der anthropogene Faktor.[1]
Beschreibung
Hohlwege gibt es in verschiedenen Landschaften mit unterschiedlichen Bodenarten. Verbreitet sind sie in Lösslandschaften als Lösshohlweg, daneben findet man sie auch in Gebieten mit starker Waldnutzung auf weichen Substraten, wie in Buntsandsteingebieten z. B. im Pfälzerwald.
An den Flanken der Hohlwege siedeln sich Stauden und Gehölze an, die Kleintieren als Unterschlupf und Nahrung dienen. Darum locken Hohlwege abends und nachts Fledermäuse an, die hier Jagd auf Nachtfalter und andere Insekten machen. Für landwirtschaftliche Gebiete und Wälder sind Hohlwege oft eine ökologische Bereicherung.
Durch menschliche Nutzung entstanden, droht den Hohlwegen heute durch Menschen wie auch durch Bodenerosion Verfall: Ungenutzte Hohlwege verwuchern oder rutschen zu. Heute arbeiten vielfach Bürger und Behörden zusammen, um Hohlwege als Bodendenkmäler zu erhalten; früher wurden sie oft mit Bauschutt oder Gartenabfällen verfüllt.
Hohlwege sind von kulturhistorischer und archäologischer Bedeutung für die Frühgeschichte einer Landschaft. Viele stammen schon aus der Römerzeit.
Es gab auch sogenannte gedeckte Hohlwege, das waren sehr tief eingeschnittene Hohlwege an unbewaldeten Berghängen oder Wege zu einer Burg. Sie waren tiefer, als Fuhrwerke hoch waren, so dass man lange Bäume quer darüber legen und mit Astwerk abdecken konnte. Damit waren auf diesen Streckenabschnitten Fuhrwerke und Personen für Feinde nur aus unmittelbarer Nähe sichtbar. Dort, wo Dörfer durch ein Gebück geschützt waren, konnte der Ort nur über Hohlwege erreicht werden. Ihre Tiefe war in der Nähe des Gebücks am größten. Hier wurden sie mit langen Baumstämmen zu einer Kontrollbrücke überdeckt, um den Verkehr darunter zu beobachten oder abzusperren.
Neue Hohlwege entstanden auch als Folge einer Umgehung des Straßenzwangs. Das veranlasste Burgherren wie die von Karlsfried dazu, mit Gegenmaßnahmen wie Graben und Wällen ihre Nutzung zu verhindern. Absicht war die Sicherung ihrer Einnahmen für Wegezoll und Straßenerhalt.[2]
Besonders ortsnahe Hohlwege wurden bei Vorliegen geeigneter geologischer Rahmenbedingungen zum Anlegen von Felsenkellern als Vorratsräume genutzt.
Um Hohlwege ranken sich oftmals Legenden. Bei Uelzen in Niedersachsen führt der Liekweg zum Friedhof.
Der Schweizer Wilhelm Tell soll im November 1307 den Landvogt Gessler zu Altdorf aus sicherem Versteck an einem Hohlweg (Zitat aus dem Theaterstück Wilhelm Tell von Friedrich Schiller: Durch diese hohle Gasse muss er kommen…) bei Küssnacht mit der Armbrust erschossen haben. Der heute als Hohle Gasse bezeichnete Weg wurde in seiner gegenwärtigen Form 1937 durch Steinsetzungen als künstlich gebauter Hohlweg errichtet.
Auch im Sauerland befinden sich zahlreiche jahrhundertealte Hohlwege, die sich durch Forstwirtschaft und Bergbau teilweise vier bis fünf Meter tief in die Erde gearbeitet haben.
Im rheinhessischen Alsheim und Mettenheim gibt es wohl das größte Hohlwegesystem in Deutschland.
Ein etruskischer Hohlweg findet sich zum Beispiel in Sovana.
Lösshohlwege
Typisch für Lösslandschaften sind die Lösshohlwege. Besonders markante Lösshohlwege findet man im Kaiserstuhl bei Freiburg und in der Schwarzwald-Vorbergzone des Breisgaus und der Ortenau. Dort werden sie vielfach als Kinzig bezeichnet.
Zu den Hohlwegen im Kaiserstuhl findet sich in der Literatur folgende Beschreibung: „Die Hohlwege am Kaiserstuhl bilden ein wahres Labyrinth, in dem nur der Ortskundige sich nicht verirrt. Von den Hauptgassen, die unter ständigen Krümmungen und Windungen an den Hängen hinaufstreben, zweigen nach allen Seiten die ebenso gewundenen Seitengassen ab. Jedes System von Hohlwegen hat den Grundriss eines viel verästelten, im Dorfe wurzelnden Baumes. Menschen, Tiere, Wagen und Wasser haben im Laufe der Zeiten die Hohlgassen immer mehr ausgetieft und erweitert. Die Gewitterregen suchen sich darin ihren Ablauf und graben sich an den Rändern tiefe, kañonartige Erosionsfurchen mit Kolken, treppenförmigen Absätzen und Erosionstunnels ein. Die mit Rebreisig beladenen Wagen schrammen die gelben Wände.“[3]
Da Löß als Lockergestein eine besondere Standfestigkeit aufweist, sind die Lößhohlwege weniger infolge der Verdichtung des befahrenen Bodens entstanden, sondern durch die Zerstörung der inneren Struktur des Löß, bei dem die mineralischen Staubkörner (großteils Quarz) durch Kalk „zementartig“ verbunden sind. Mit der Wegnutzung etwa durch Wagenräder wird diese Struktur zerstört und die „Einzelkörner“ werden bei Niederschlägen abgeschwemmt. Auf diese Weise konnten sich im Kaiserstuhl im Laufe der Jahrhunderte Hohlgassen von bis zu 20 m Tiefe eingraben.[4]
Lösshohlwege sind ökologisch wertvolle Lebensräume für viele Pflanzen und Tiere, da sie spezielle Bedingungen bieten. Vor allem die Gegensätze zwischen schattigen und sonnigen, trockenen und feuchten sowie windigen und windstillen Plätzen sind verantwortlich für das Vorhandensein der Lebensgemeinschaft Hohlweg. Vom Menschen wurden Höhlen im leicht zu bearbeitenden und dennoch stabilen Löss der Seitenwände eines Hohlwegs teilweise als Lagerraum genutzt – nicht jedoch als längerwährende Wohnmöglichkeit, wie irrigerweise früher behauptet wurde.
In Rheinhessen gibt es besonders zwischen den Gemeinden Alsheim und Mettenheim noch eines der größten Systeme von Lösshohlwegen in Deutschland. 11,5 Kilometer sind noch erhalten und zehn Kilometer sind begehbar. 30 Kilometer Wanderwege wurden von der Hohlwege-Gruppe Alsheim ausgeschildert. Besonders in den Monaten April bis Oktober zeigt sich die besondere Flora und Fauna. Seltene Pflanzen wie die Steppenkirsche (Prunus fruticosa) oder der Elsässer Haarstrang (Peucedanum alsaticum), ein Doldenblütler, sind noch recht häufig zu finden.
Hohlwege in felsigem Untergrund
Hohlwege gibt es auch in felsigem Untergrund. Dafür gibt es drei Gründe:
- Die Achsen vieler Fuhrwerke hatten – schon im römischen Reich[5] – eine standardisierte Spurbreite. Die Kanten der mit Metall beschlagenen Laufflächen der Räder trugen Gestein (speziell weiches) von der Fahrbahn ab. Speziell vielbefahrene Wege bzw. solche, die oft von Fuhrwerken mit schwerer Ladung befahren wurden, wurden abgetragen und dadurch immer tiefer eingegraben.
- Auch die mit Hufeisen (Pferde) und Klauenplatten (Ochsen) beschlagenen Zugtiere trugen Fahrbahnbelag ab, speziell an Steigungen.
- An kurzen, besonders steilen Teilstücken eines Weges legte man den Fahrbahnbelag tiefer, um die Steigung zu vermindern.
Literatur
- Robert Lais et al.: Der Kaiserstuhl. Eine Naturgeschichte des Vulkangebirges am Oberrhein. Freiburg 1933.
- Dieter Hassler, Reinhard Wolf (Hrsg.): Hohlwege - Entstehung, Geschichte und Ökologie der Hohlwege im westlichen Kraichgau - ein gemeinsames Projekt der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Karlsruhe und des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg. Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1993, ISBN 3-929366-02-9.
- Heinz Wiesbauer, Karl Mazzucco: Hohlwege in Niederösterreich. Niederösterreichischer Landschaftsfonds. Wien 1995, ISBN 3-901542-03-5.
- Arno Straßmann: Hohlwege als historische Landschaftsbestandteile Westfalens. in: Heimatpflege in Westfalen, 2004, 1 (Zeitschrift des Westfälischen Heimatbundes - Download möglich).
- Ulrich Stanjek: Historische Hohlwege in der neuzeitlichen Weinbergsflurbereinigung (Beispiele aus zwei rheinhessischen Weinbaugemeinden.) In: Zeitschrift für Kulturtechnik und Landentwicklung. 1993, 34, S. 349–356.
- Bernard Lassus: Ein vogesischer Hohlweg (Le chemin creux vosgien). In: Anthos, Zürich (39) 2000. T. 3, S. 26–29, ISSN 0003-5424
- Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (Hrsg.), Bayer. Akad. für Naturschutz u. Landschaftspflege: Landschaftspflegekonzept Bayern. Teilband 1 und 2. Lebensraumtyp Kalkmagerrasen (darin Raine, Ranken, Hohlwege, Weinbergsmauern, Steinriegel usw.).
- Hartmut Leser: Geomorphologie. 8. Auflage, Westermann, Braunschweig 2003, ISBN 3-14-160294-8 (darin S. 196 Anthropogene Hohlformenbildung).
- Rainer Groschopf et al.: Der Kaiserstuhl. Einzigartige Löß- und Vulkanlandschaft am Oberrhein. Hrsg.: Regierungspräsidium Freiburg. Thorbecke, Ostfildern 2009, ISBN 978-37995-0839-1, 387 Seiten.
- Heinz Wiesbauer, Herbert Zettel: Hohlwege und Lössterrassen in Niederösterreich. Ein Projekt der Abt. Naturschutz des Amtes der NÖ Landesregierung. Wien 2014, ISBN 3-901542-42-6.
Weblinks
Einzelnachweise
- Historische Kulturlandschaftselemente in Bayern. In: Bayerische Landesamt für Umwelt (Hrsg.): Heimatpflege in Bayern. Schriftenreihe des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege. 1. Auflage. Band 4, 2013, ISBN 978-3-931754-54-9, S. 92 f.
- Thomas Kühtreiber: Straße und Burg. Anmerkungen zu einem vielschichtigen Verhältnis, S. 286ff. In: Kornelia Holzner-Tobisch, Thomas Kühtreiber, Gertrud Blaschitz (Hrsg.), Die Vielschichtigkeit der Straße. Kontinuität und Wandel in Mittelalter und früher Neuzeit, Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit 22, Wien 2012, 263-301.
- Hans Schrepfer: Die Morphologie <Oberflächengestalt> des Kaiserstuhls. In: Robert Lais et al.: Der Kaiserstuhl (1933:16)
- Otti Wilmanns: Einführung. In: Rainer Groschopf et al.: Der Kaiserstuhl (2009:27)
- Auf den Spuren der Via Domitia