Historisches Ortslexikon
Schwalm-Eder-Kreis
Die Bearbeitung der Siedlungen des Schwalm-Eder-Kreises basiert auf den gedruckt vorliegenden Ortslexika Fritzlar-Homberg (Küther, Historisches Ortslexikon Fritzlar-Homberg, ehem. Landkreis) und Ziegenhain (Reuling, Historisches Ortslexikon Ziegenhain, ehem. Landkreis), dem Historischen Ortslexikon für Kurhessen von H. Reimer sowie der älteren Atlasarbeit von W. Krummel über Die hessischen Ämter Melsungen, Spangenberg, Lichtenau und Felsberg). Sie umfasst mit dem Gebiet der ehemaligen Landkreise einen verhältnismäßig großen, am 1.1.1974 neugebildeten Verwaltungsbezirk, der heute aus 11 Städten und 16 Gemeinden besteht.
Kartengrundlage: Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG)
Kartenbearbeitung: Melanie Müller-Bering, HLGL
Über die Erweiterte Suche (Auswahlfeld Altekreis) lässt sich der Zustand des Jahres 1961 mit den Landkreisen → Fritzlar-Homberg, → Melsungen und → Ziegenhain rekonstruieren.
Bei dem ehemaligen Kreis Fritzlar-Homberg handelt es sich um einen verhältnismäßig jungen Verwaltungsbezirk, der 1932 durch Zusammenlegung der Kreise Fritzlar und Homberg geschaffen wurde und bis zur hessischen Gebietsreform des Jahres 1974 bestanden hat. Wie bei der Mehrzahl der Landkreise im Regierungsbezirk Kassel geht die ältere Kreiseinteilung auf das kurhessische Organisationsedikt des Jahres 1821 zurück. Die damals vollzogene Trennung von Justiz und Verwaltung hatte an Stelle der alten Ämter und Gerichte, die noch beide Funktionen vereinigt hatten, Landgerichte und Justizämter als untere Justizbehörden eingerichtet und aus mehreren solcher Gerichtsbezirke den Kreis als Unterbehörde der staatlichen Verwaltung geschaffen. Das von den Kreisen Fritzlar und Homberg erfaßte Gebiet hatte zuvor keine verwaltungsmäßige Einheit gebildet. Den Kern des Kreises Fritzlar bildeten das ehemals mainzische, seit 1802 kurhessische Amt Fritzlar sowie die alten landgräflichen Ämter Gudensberg im Norden und Jesberg im Südwesten. Hinzu kamen Teile des landgräflichen Amtes Borken, darunter mit den Dörfern des Löwensteiner Grundes auch ehemalige adlige Herrschaftsbereiche. Den Kreis Homberg bildete zu einem wesentlichen Teil das alte gleichnamige landgräfliche Amt. Hinzu kam der östliche Teil des Amtes Borken und mit dem ehemaligen Gericht Wallenstein im Südosten eine weitere frühere Adelsherrschaft. Die Verschiedenheit des historischen Werdegangs der einzelnen Ämter und Herrschaften hat natürlicherweise eine gleichmäßige Bearbeitung der Siedlungen des Raumes Fritzlar-Homberg erschwert, vor allem im Hinblick auf die statistischen Angaben. Zugute gekommen ist dieser Lieferung aber andererseits, daß sich die landesgeschichtliche Forschung diesem Raum seit langem in besonderem Maße angenommen hat. So konnte bei der Bearbeitung der Gerichts - und Verwaltungsorganisation des Kreisgebietes auf die vorliegenden Atlasarbeiten von E. Klibansky, B. Helbig, U. Bockshammer, W. Krummel, M. Eisenträger - E. Krug und F. A. Brauer zurückgegriffen werden. Zu nennen ist ferner das ortsgeschichtliche Taschenbuch von W. Ide, Von Adorf bis Zwesten, das zu einem Zeitpunkt erschien, als die Vorarbeiten zu dieser Lieferung bereits im Gange waren.
Die Bearbeitung der Siedlungen des Altkreises Ziegenhain konnte auf einer Reihe grundlegender Veröffentlichungen aufbauen. Zu nennen sind hier vor allem das knapp gefaßte Historische Ortslexikon für Kurhessen von H. Reimer, die einschlägigen älteren Landesbeschreibungen von G. Landau, die vor allem für die Wüstungsforschung wegweisenden siedlungsgeographischen Arbeiten von K. Scharlau über das Knüllgebiet und nicht zuletzt die im Rahmen der Vorarbeiten zum Geschichtlichen Atlas von Hessen entstandenen territorialgeschichtlichen und kirchentopographischen Werke von F. A. Brauer, B. Helbig und W. Classen. Neben den einschlägigen Quelleneditionen wurde im Zuge der Materialsammlung in begrenztem Umfang auch die archivalische Überlieferung herangezogen. Ausgewertet wurden vor allem die durch ältere Repertorien erschlossenen Urkundenbestände der Grafschaft Ziegenhain und des Klosters Immichenhain, das sog. Ziegenhainer Urbar, zahlreiche Sal- und Dorfbücher sowie die für nahezu alle Gemeinden des Arbeitsgebietes vorliegenden Vorbeschreibungen zu den Urkatastern des 18. Jahrhunderts.
Großer Wert wurde wiederum auf die Erarbeitung der topographischen Ortsbeschreibungen gelegt, die auf Autopsie beruhen. Die Erfassung von älteren Baudenkmälern sieht das Schema des Ortslexikons nicht vor. Hier genügt der Hinweis auf das Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (Hessen) von G. Dehio und auf die vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen herausgegebene Denkmaltopographie (Schwalm-Eder-Kreis I, 1985). Hingegen sind nach Möglichkeit erfasst die durch Inventarwerke noch nicht erschlossenen frühgeschichtlichen Bodenfunde, insbesondere wenn sie zur Lokalisierung und Datierung wüster Siedlungen beitragen. Für die vorgeschichtlichen Fundstätten, die aus dem Schema des Ortslexikons fallen, sei auf die jüngste zusammenfassende Behandlung in Band 50 des Führers zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern (Kassel-Hofgeismar-Fritzlar-Melsungen-Ziegenhain, Teil I: Einführende Aufsätze, 1982) verwiesen.
Das Bearbeitungsgebiet des Landkreises Ziegenhain entspricht der 1974 aufgelösten gleichnamigen Verwaltungseinheit. Es erfasst eine historische Kleinlandschaft, die sich von Beginn der spätmittelalterlichen Territorialisierung des Raumes an bis zu den modernen Verwaltungsreformen ein beträchtliches Maß an Kontinuität und Eigenständigkeit bewahrt hat. Die Grundlagen hierfür legten im hohen und späten Mittelalter die Grafen von Reichenbach-Ziegenhain (→ Stammtafel), die jene durch Siedlungsgunst und Verkehrsnähe ausgezeichnete Beckenlandschaft an der mittleren Schwalm mit den angrenzenden Randgebieten, den Ausläufern des Kellerwaldes, dem Wohratal sowie der Westabdachung des Knüllgebirges, zu einem zwar kleinen, räumlich aber recht geschlossenen Herrschaftsgebiet formten. Die exponierte Lage der Grafschaft, die Niederhessen von Oberhessen fast völlig abtrennte, wies den Ziegenhainer Grafen in den langen Auseinandersetzungen zwischen den hessischen Landgrafen und den Mainzer Erzbischöfen um die Vorherrschaft im althessischen Raum während des späten Mittelalters eine territorialpolitische Sonderrolle zu. Durch geschickte Bündnispolitik konnten die Ziegenhainer zwar die Gefahr bannen, zwischen den beiden Nachbarterritorien zerrieben zu werden, andererseits setzten diese Mächte aber auch einer Ausweitung des Ziegenhainer Territoriums enge Grenzen. Die in der Amts- und Gerichtsorganisation des 14. Jahrhunderts greifbare Ausdehnung und Verwaltungsstruktur der Grafschaft erhielt sich weitgehend unverändert bis zum Aussterben des Grafenhauses (1450). Auf dieser Grundlage haben auch die Landgrafen von Hessen die ihrer Landesherrschaft nun eingegliederte Grafschaft Ziegenhain als verwaltungsmäßige Einheit fortgeführt. Abgetrennt wurden nur die Exklaven Nidda und Staufenberg. Einen zusätzlichen Akzent erhielt die Sonderstellung der Grafschaft durch den Ausbau Ziegenhains zur landgräflichen Festung im 16. Jahrhundert, die auch verwaltungsorganisatorische Folgen hatte. Oberster Beamter und Richter der Grafschaft war anstelle des bisherigen Ziegenhainer (Ober-)Amtmanns künftig der Hauptmann und Festungskommandant. Die bis dahin selbständigen Ämter Gemünden, Neukirchen und Schwarzenborn wurden hinfort von Ziegenhain aus in Personalunion mitverwaltet. Eingegliedert in die Grafschaft wurde damals das alte, traditionell nach Homberg/Efze orientierte landgräfliche Gericht am Spieß, ausgegliedert unter dem Gesichtspunkt einer zweckmäßigeren Verwaltungsgebietsorganisation das abgelegene alte ziegenhainische Amt Rauschenberg. 1568 wurden Rauschenberg und das gleichfalls alte ziegenhainische Amt Gemünden an der Wohra im Zuge der Landesteilung unter den Söhnen Landgraf Philipps des Großmütigen dem oberhessischen Landesteil Landgraf Ludwigs I. von Hessen-Marburg zugeschlagen und blieben auch nach dem Rückfall Hessen-Marburgs an die Landgrafschaft Hessen-Kassel auf Dauer von Ziegenhain getrennt. Von unbedeutenden Gebietsveränderungen des 18. Jahrhunderts abgesehen, hat sich der 1568 erreichte Gebietsstand der Grafschaft bis zum Ende des Alten Reiches erhalten und erwies sich nach dem kurzen Zwischenstadium der napoleonischen Verwaltungsreorganisation erneut als geeignete Grundlage für die im Zuge der kurhessischen Verwaltungsreformen des Jahres 1821 erfolgte Bildung des Landkreises Ziegenhain. Unterbrochen nur von der vorübergehenden Neuorganisation des Jahres 1848, die den Landkreis Ziegenhain bis 1851 dem Verwaltungsbezirk Fritzlar zuschlug, hat erst die Verwaltungsgebietsreform des Jahres 1974 mit der Neubildung des Schwalm-Eder-Kreises eine über Jahrhunderte nahezu ungebrochene Kontinuität des Raumes beendet.
Der Kreis, ab 1939 Landkreis, Melsungen ging 1821 aus den Ämtern Felsberg, Melsungen und Spangenberg sowie dem Gericht Breitenau hervor und bestand mit geringen Veränderungen bis 1974. Das Gebiet mit den südlichen Abdachungen der Söhre, dem Riedforst (von Guxhagen bis Heinebach sich hinziehend), dem Schöneberg, zwischen Spangenberg und Kirchhof Breubach genannt, mit dem Eisberge zwischen Weidelbach und Reichenbach, dem Stölzinger Kopf bei Stolzhausen, dem Beisenberg über Beiseförth, dem Heiligenberg zwischen Melsungen und Gensungen sowie den diesen Ämtern ihren Namen gebenden Städten war frühzeitig mit der thüringisch-hessischen Landgrafschaft und mit der von den Landgrafen betriebenen Territorialpolitik verbunden, die die genannten Ämter seit dem 14. Jahrhundert zur Verwaltung ihrer Besitzungen ausbildeten. Eine bedeutende Vergrößerung erfuhr das Amt Melsungen 1542 durch die Angliederung von Dagobertshausen und Ostheim, Spangenberg musste zwischen 1484 und 1494 das Gericht Rengshausen an das Amt Rotenburg und kurz vor 1530 Quentel gegen Weidelbach und Vockerode an das Amt Lichtenau abgeben. Der im 16. Jahrhundert in den einzelnen Ämtern erreichte Gebietsstand der Grafschaft bis zum Ende des Alten Reiches erhalten. Seit dem 16. Jahrhundert lassen sich in den Ämtern Gerichtsstühle als Untergliederungen nachweisen, im Amt Felsberg seit 1614 die sogenannten Grebenstühle. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde der Versuch von der Regierung in Kassel unternommen, die Ämter Melsungen, Spangenberg, Lichtenau und die Stadt Waldkappel zu einer Art Verwaltungseinheit zusammenzufassen, indem ein Landvogt über die Bezirke bestellt wurde. In napoleonischer Zeit wurde an Stelle der Amtsverfassung die Departement-Verfassung eingeführt, wodurch die Gebiete teils zum Departement de la Fulde, Distrikt Kassel, teils zum Departement de la Werra, Distrikte Eschwege und Hersfeld gehörten. Im Zuge der kurhessischen Verwaltungsreformen des Jahres 1821 bildeten die Ämter Felsberg, Melsungen und Spangenberg die Grundlage für die Entstehung des Kreises Melsungen, wobei der große Kreis Spangenberg eine Verkleinerung erfuhr. Im Zuge der vorübergehenden Neuorganisation des Jahres 1848 umfasste der Kreis Melsungen unter der Bezeichnung „Verwaltungsamt Melsungen“ bis 1851 nur die Orte der Justizämter Melsungen und Spangenberg. Das Justizamt Felsberg sowie die Justizämter Fritzlar, Gudensberg, Jesberg und Naumburg gehörten hingegen zum Verwaltungsamt Fritzlar.