Untersuchung auf östrogenartige Stoffe mit einem Biotest
Herkunft natürlicher Östrogene |
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Herkunft künstlicher |
- Pestizide (z. B. Lindan) - Weichmacher (Phthalate) |
Symptome bei Aufnahme körperfremder Östrogene |
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Analytik |
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- Was sind Östrogene?
- Was sind Phytoöstrogene?
- Was sind Xenoöstrogene?
- Sind diese Stoffe gefährlich?
- Welche Lebensmittel enthalten viele Phytoöstrogene?
- Erkranken Asiaten wegen der Phytoöstrogene in Tofu seltener an Brustkrebs?
- Ist Säuglingsnahrung auf Sojabasis wegen der Phytoöstrogene gefährlich?
- Gibt es eine Rechtsgrundlage für das Östrogen-Screening in Lebensmitteln?
- Wozu verwendet man einen Biotest?
- Wie funktioniert ein Biotest zum Test auf Östrogene?
- Welche Ergebnisse wurden bisher mit dem Biotest erzielt?
- Wie sind die Ergebnisse für Mineralwasser einzuschätzen?
Östrogene wie Estron und 17-Beta-Estradiol sind körpereigene Hormone. Gemeinsam mit weiteren Hormonen steuern sie im weiblichen Körper die Zeugungsfähigkeit und gelten deshalb als die wichtigsten weiblichen Geschlechtshormone. Sie wurden bei allen Wirbeltieren nachgewiesen. Im männlichen Körper werden geringe Mengen Östrogen im Hoden produziert. Durch den Abbau von Testosteron im Fettgewebe können ebenfalls Östrogene entstehen.
Phytoöstrogene gehören zu den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen. Sie werden von Pflanzen gebildet und wirken wie die weiblichen Geschlechtshormone. Dieser Mechanismus kann als langfristiger Schutz vor Fressfeinden angesehen werden.
Zu den Phytoöstrogenen gehören Isoflavonoide, Lignane und andere Polyphenole. Allerdings wurde nur eine begrenzte Zahl der vorkommenden Pflanzenstoffe auf ihr gesamtes biologisches Wirkungsspektrum untersucht.
Ein Stoff gilt als Xenoöstrogen, wenn er von außerhalb des Körpers stammt und die Produktion, den Abbau, die Rezeptorbindung oder die Wirkung natürlicher Hormone verändert. Es gibt keine einheitliche Stoffgruppe. Hierzu gehören auch Phytoöstrogene und bestimmte Pilzgifte, wie Zearalenon. Dieses wird von Vertretern der Schimmelpilzgattung Fusarien gebildet.
Von einigen Substanzen, die vom Menschen hergestellt wurden, erkannte man das Potential als östrogenähnlich wirkender Stoff erst später. Hierzu zählen Pestizide (z. B. Lindan), Kontaminanten (Polychlorierte Biphenyle), Weichmacher (Phthalate), Arzneimittel, aber auch UV-Schutzfilter einiger Kosmetika oder Industriechemikalien mit verschiedenen Verwendungszwecken, wie Bisphenol A.
Einflüsse auf das Hormonsystem wurden auch für einige Schwermetalle (Cadmium, Blei, Kupfer, Nickel) beschrieben.
Bei einigen Stoffen mit hormoneller Wirkung ist eine akute Gefährdung eher durch ihre Giftigkeit als durch ihre hormonartige Wirkung zu sehen. Hierzu gelten insbesondere die Schwermetalle, Pestizide und Industriechemikalien.
Die meisten hormonartigen Stoffe aus Pflanzen und Pilzen sind weit weniger hormonell aktiv als körpereigene Östrogene. Andererseits kommen sie gelegentlich in Mengen vor, in denen sie das natürliche Gleichgewicht der Hormone stören können. Sie gelten dann als „endokrine Disruptoren“. Im Bereich der Nutztierhaltung sind einige typische Erkrankungen bekannt. Bei Schafen mit hohem Anteil an Rotklee im Futter wurden Störungen der Fruchtbarkeit, Totgeburten sowie Veränderungen an Euter und Gebärmutter festgestellt. Eine längere Zufuhr von Fusariengiften über das Futter hat ähnliche Symptome bei Schweinen zur Folge.
Beim Menschen wird die allgemeine Gefährdung durch hormonartige Stoffe kontrovers diskutiert. Einige Medikamente, wie DES (Diethylstilbestrol), wurden wegen Missbildungen bei männlichen Nachkommen und erhöhtem Krebsrisiko vom Markt genommen. Bei Fusarientoxinen werden Zusammenhänge mit frühzeitigen pubertären Veränderungen und Störungen der Fruchtbarkeit vermutet.
Die übliche Belastung mit Xenoöstrogenen wird als eher gering angesehen. Andererseits wird eine Verbindung zwischen Fortpflanzungsstörungen und bestimmte Krebsarten mit dem Auftreten östrogenartiger Umweltschadstoffe in Industrieländern vermutet.
Insbesondere die Einordnung von Isoflavonen ist umstritten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wertete eine Reihe von Studien aus. Es kam zu der Einschätzung, dass unterschieden werden muss zwischen Isoflavonen der natürlichen Nahrung (z. B. Soja, Leinsaat) und Nahrungsergänzungsmitteln mit aus Soja oder Rotklee isolierten, zum Teil hoch konzentrierten Isoflavonen. Bei letzteren werden einige unerwünschte Veränderungen im Brustdrüsengewebe und der Funktion der Schilddrüse ihrer östrogenartigen Wirkung zugeschrieben (BfR-Isoflavone).
Welche Lebensmittel enthalten viele Phytoöstrogene?
Phytoöstrogene sind in Form verschiedener Substanzklassen (z. B. Isoflavonoide oder Lignane) in den Pflanzen enthalten. Sie finden sich in vielen Obst und Gemüsepflanzen, aber auch in Getreide oder Tee. Die Gehalte variieren teilweise stark und sind auch von Umweltfaktoren abhängig. In pflanzlichen Lebensmitteln wie Bier (aus Hopfen), Wein oder Tofu (aus Soja) finden sich je nach Ausgangsmaterial ebenfalls deutliche Mengen an Phytoöstrogenen.
Nennenswerte Gehalte sind in der nachfolgenden Tabelle (siehe Tab. 1) dargestellt.
Tab. 1: Vereinfachte Übersicht der Phytoöstrogenen in pflanzlichen Lebensmitteln
Pflanzengruppe |
Gehalt an Isoflavonen und Flavon in mg pro 100g |
Gehalt an Lignanen In mg pro 100g |
Leinsamen |
- |
370 |
Soja |
50 bis 150 |
0,01 bis 0,2 |
Rotwein |
30 bis 50 |
ca. 1 |
Bier |
15 bis 50 |
- |
Tofu |
15 bis 50 |
- |
Sojasprossen |
ca. 4,5 |
- |
Tee, schwarz |
0,1 |
1,1 |
Obst/Gemüse allgemein |
0 bis 0,2 |
0 bis 0,2 |
Getreide |
- |
0,01 bis 0,8 |
Hülsenfrüchte außer Soja |
0 bis 8 |
0,1 bis 3 |
Weißwein |
- |
0,1 bis 0,2 |
Erkranken Asiaten wegen der Phytoöstrogene in Tofu seltener an Brustkrebs?
Studien ergaben, dass asiatische Frauen seltener an Brustkrebs erkranken. In wieweit diese Tatsache ausschließlich auf die unterschiedliche Ernährung oder auch andere Lebensbedingungen zurückzuführen ist, ist unklar. Unstrittig ist, dass asiatische Frauen weniger über Beschwerden in den Wechseljahren klagen. Bei traditionell asiatischer Ernährung wurden im Urin höhere Gehalte an Phytoöstrogenen gemessen als bei Frauen mit typisch westlicher Kost. Dies wird auf den hohen Anteil an Sojaprodukten (z. B. Tofu) zurückgeführt.
Inwieweit die Änderung nur eines Faktors, hier der Gehalt an Phytoöstrogenen in der Nahrung, das Krebsrisiko deutlich senkt, kann derzeit nicht sicher gesagt werden. Von der Einnahme isolierter Isoflavone in Nahrungsergänzungsmitteln raten Experten jedoch ab. (BfR-Isoflavone).
Ist Säuglingsnahrung auf Sojabasis wegen der Phytoöstrogene gefährlich?
Erwachsene mit Unverträglichkeiten gegenüber Kuhmilch, aber auch Vegetarier greifen gern zu Sojaprodukten als alternative Eiweißquelle. In der Stellungnahme 043/2007 vom 21.05.2007 äußert sich das Bundesinstitut für Risikobewertung zu der Verwendung von Sojaprodukten in der Säuglingsernährung (BfR-Saeuglingsnahrung).
Aufgrund der hohen Gehalte an Isoflavonen kommt das BfR zu der Einschätzung, dass aus Vorsorgegründen keine Sojaprodukte für gesunde Säuglinge zu verwenden. In seltenen, medizinisch begründeten Fällen muss ein Ersatz für Kuhmilch gefunden werden. Aber auch hier wird empfohlen, zu Beginn nicht auf Sojaprodukte zurückzugreifen.
Gibt es eine Rechtsgrundlage für das Östrogen-Screening in Lebensmitteln?
Für die Untersuchung im Biotest und die Bewertung der Ergebnisse gibt es zurzeit keine gesetzliche Grundlage. Einige Stoffe, wie Fusarientoxine oder Pestizide, besitzen Höchstgehalte für bestimmte Lebensmittel. Deren Ermittlung erfolgt mithilfe der instrumentellen Analytik.
Wozu verwendet man einen Biotest?
In einem zellbasierten biologischen Testsystem werden nicht einzelne Substanzen, Rückstände oder Kontaminanten bestimmt, sondern Effekte auf die verwendeten Zellen. Dieser Untersuchungsansatz soll die instrumentelle Analytik ergänzen, aber nicht ersetzen. Grundsätzlich sind zwei Anwendungsbereiche möglich:
A) Wirkungsorientierter Ansatz: Nachweis und Erfassung bestimmter biologischer Wirkungen. Diese werden als Summenparameter nachgewiesen. Beispiel: Östrogene Wirkung auf bestimmte Brustkrebszellen.
B) Substanzorientierter Ansatz: Nachweis und Erfassung einer oder weniger Substanzklasse(n), deren Wirkung bekannt ist. Besonders interessant für Stoffe mit gesetzlich festgelegten Höchstwerten. Beispiel: Ah-Rezeptor-vermittelte Wirkung in Leberzellen durch Dioxine (PCDD/F) und dioxinähnliche PCB.
Wie funktioniert ein Biotest zum Test auf Östrogene?
Bei einem Biotest mit lebenden Zellen erfolgen alle Arbeiten unter sterilen Bedingungen, um Kontaminationen mit Mikroorganismen zu vermeiden. In der Regel werden die Zellen in laufenden Kulturen gehalten und vermehren sich ständig. Ein bis zwei Mal pro Woche werden die Zellen passagiert, also mit geringerer Zellzahl in ein neues Kulturgefäß mit frischen Nährstoffen überführt.
Für den Test auf Östrogene wird im LAVES der sogenannte E-Screen verwendet. Dieser arbeitet mit menschlichen Brustkrebszellen als Proliferationsassay. Dabei wird die Tatsache genutzt, dass die verwendeten Zellen bei erhöhter Anwesenheit von Stoffen, die östrogenartig wirken, eine schnellere Vermehrung zeigen.
Vor einem Test werden die Zellen in Kulturplatten ausgesät und am Folgetag mit den zu testenden Proben und Standards belastet. Nach einer Inkubation von 5 Tagen wird die Zellzahl von Proben und Kontrollen bestimmt.
Die Beurteilung einer Probe erfolgt im Vergleich mit der Wirkung der parallel dazu gemessenen Positiv- und Negativkontrollen.
Östrogenartige Stoffe in Proben wie Mineralwasser können durch eine Festphasenextraktion mit organischen Lösungsmitteln aufgereinigt und angereichert werden. Die Extrakte werden durch einen Lösungsvermittler (DMSO) wieder in eine wasserlösliche Form gebracht, um eine Mischung mit dem Zellkulturmedium zu erreichen (siehe Abb. 1).
Welche Ergebnisse wurden bisher mit dem Biotest erzielt?
Im LAVES wurde neben Trinkwasser auch Mineralwasser und das dazugehörige Rohwasser auf das Vorhandensein von östrogener Wirkung mit einem biologischen Testsystem (E-Screen) getestet. Alle untersuchten Trinkwasserproben zeigten ein negatives Ergebnis. Von den insgesamt 37 Mineral- und Tafelwässern wurde 1 Probe als verdächtig sowie 8 Proben als östrogen wirksam beurteilt. In nachfolgenden Untersuchungen zeigte sich, dass schon Rohwässer östrogene Aktivität besitzen. Die im LAVES und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen erzielten Ergebnisse zeigen im Gegensatz zu Studien aus Frankfurt und Italien, eine sehr geringe östrogene Aktivität in Wasser. Die hohen Werte, die 2009 von der Universität Frankfurt sowie der Universität Pisa ermittelt wurden, konnten nicht bestätigt werden. Die Frankfurter Wissenschaftler wiederholten ihre Untersuchungen mit anderen Methoden (E-Screen) und erzielten damit sehr viel geringere Werte (siehe Abb. 2).
Im Jahr 2010 wurden im Rahmen eines Forschungsprojektes im CVUA Stuttgart natürliche Mineralwässer auf östrogene Aktivität (E-Screen) und parallel instrumentell-analytisch (GC/MS-Screening) untersucht. Die Ergebnisse ergaben keine Hinweise auf eine relevante östrogenartige Wirkung in den untersuchten Mineralwasserproben. Instrumentell-analytisch wurden verschiedene Substanzen identifiziert, die vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bewertet wurden.
Wie sind die Ergebnisse für Mineralwasser einzuschätzen?
Untersuchungen mehrere Labore in Deutschland (2010) und der Schweiz (2011) kamen zu der Einschätzung, dass keine gesundheitlich relevanten Mengen an östrogener Aktivität in Mineralwässern vorhanden sind.
Die aktuell vorliegenden quantitativen Ergebnisse hinsichtlich der östrogenen Aktivität in Mineralwasser geben derzeit keinen Anlass zur Annahme, dass östrogen aktive Substanzen in Mineralwasser ein akutes Gesundheitsrisiko darstellen. Die im Jahr 2009 von Frankfurter Wissenschaftlern veröffentlichten sehr hohen Werte haben sich durch andere Untersuchungen nicht bestätigt.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält es jedoch entsprechend seiner Stellungnahme 007/2011 vom 02.02.2011 (BfR-Mineralwasser) für erforderlich, dass zur grundsätzlichen Klärung, ob in Mineralwasser hormonell aktive Substanzen vorkommen, systematische Stufenkontrollen durchgeführt werden. Die Proben sollten direkt an den Quellen, nach Durchlaufen der Behandlungsprozesse bei den Abfüllern sowie im Handel (abgefülltes Mineralwasser) entnommen werden.
Weiterhin sind laut BfR weitere Anstrengungen zur analytischen Identifizierung von Kontaminationen mit hormonähnlicher Wirkung erforderlich, um eine endgültige gesundheitliche Bewertung von Mineralwässern durchführen zu können.
Mineralwasser mit E-Screen