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Rock, ein Begriff der faszinierend vielschichtig und zugleich frustrierend vage ist. Die einen feiern den Rock als Gegenkultur, als Volks- oder Kunstform, die die Bedürfnisse und Werte einer aktiven, aufbegehrenden Zuhörerschaft auszudrücken vermag, andere bezeichnen ihn als Manifestation der Massenkultur, als inhaltslose Reflektion der böswilligen Machenschaften kommerzieller Plattenindustrien, die ihre Interpreten und Zuhörer entmündigen. Wieder andere verstehen den Rock nicht bloß als musikalische Bewegung, sondern als eine Art die Welt zu sehen, als Lebensweise - ein Standpunkt der ferner in der Unterscheidung zwischen "authentischem" und "kommerziellem" Rock mündet.

Stellenweise wird der Term Rock mit Rock'n'Roll gleichgesetzt. Oder es wird suggeriert, dass er nahezu synonym zum Begriff Populärmusik stehe. Umso schwerer fällt es dementsprechend, eine griffige Definition für Rock oder Rockmusik zu finden. Das Duden-Fremdwörterbuch erläutert letztere als "von Bands gespielte, aus einer Vermischung von Rock'n'Roll mit verschiedenen anderen Musikstilen entstandene Form der Unterhaltungs- und Tanzmusik". Eine Erklärung, die zwar auf die historischen Wurzeln verweist, aber insgesamt doch sehr ungewiss und vor allem knapp gehalten ist.

Doch ist es überhaupt möglich diesen musikalischen Oberbegriff in ein, zwei kurzen Sätzen treffend zu definieren? Zu groß scheint die stilistische Bandbreite der unter dem Wort Rock zusammengefassten Musikrichtungen, zu undurchsichtig die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dessen Konzeption und Charakteristika, zu verschieden die jeweiligen Auffassungen und Auslegungen der Hörenden. Zu erwähnen ist zudem, dass der Begriff einem ständigen Wandel unterliegt, nicht starr definiert, sondern offen und beweglich ist.

So erklärt der Musikwissenschaftler Allan Moore in seinem Buch "Rock. The Primary Text" treffend: "Stile rücken ins Blickfeld zum einen durch die Prominenz bestimmter Künstler und zum anderen durch zugehörige kulturelle Praktiken. Viele werden folglich zurücktreten und manche sogar zu sterben scheinen. Die Industrie, die die Musik entwirft, entwickelt neue Vorgehensweisen. All dies bedeutet, dass wir uns immer im Prozess des Definierens von Rock befinden und dass keine Formulierung, die ich anbiete, als endgültig angesehen werden kann."

Merkmale und Kennzeichen

Zu den Merkmalen der Rockmusiker zählen: ein unbändiger Darstellungsdrang mit Hang zur Selbstinszenierung, ein unverfälschtes Ausdrucksideal, bühnentaugliche und damit übertriebene Gestik, und der unbedingte Wille, mit durchgestrecktem Arm Gitarre spielen zu wollen. Zu den Merkmalen der Rockmusik zählen laut Brockhaus eine erdige "Bluesdiktion in gesanglicher wie instrumenteller Melodik, eine standardisierte Bandbesetzung, bestehend aus Gesang, Gitarren, Bass und Schlagzeug (auch ergänzt durch Keyboards), eigenschöpferische Improvisation sowie elektroakustische Aufbereitung und Verstärkung". Die Melodik ist in den meisten Rockstilen vom Blues geprägt, allerdings gibt es auch Genres, in denen sich keinerlei Blueselemente finden lassen. Dies trifft beispielsweise auf den britischen Punk zu.

Entstehung und Entwicklung

Der Begriff Rockmusik kommt Ende der 60er Jahre auf, als das bis dahin synonym verwendete Wort Popmusik durch eine Vermischung stilistischer Grenzen immer mehr an Aussagekraft verliert. Zudem wird mit dem Begriff auch der Rock'n'Roll der 50er oder die britische Beatmusik der 60er bezeichnet.

Ein genauer Blick in die Entstehungsgeschichte scheint zu lohnen. Diese beginnt in den 50er Jahren mit der Ausbildung des Rock'n'Roll, der sich in den USA als protesthafte Äußerungsform der Nachkriegsjugend aus dem Rhythm And Blues und der Countrymusik bildet. 1959 befindet sich der Rock'n'Roll in einer großen Krise: Elvis leistet seinen Wehrdienst ab, Chuck Berry befindet sich auf dem Weg ins Gefängnis, Little Richard widmet sich lieber seinem Theologiestudium statt der Musik und Buddy Holly, The Big Bopper sowie Ritchie Valens kommen auf tragische Weise bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Die goldenen Zeiten des Rock'n'Roll sind vorbei und aus England kommend kündigt sich ein neuer Musiktrend an: die Beatmusik und ihre bekanntesten Vertreter The Beatles lösen schon bald weltweite Euphorie aus.

Während der Rock'n'Roll immer mehr an Bedeutung verliert, erklimmen Anfang der 60er Jahre Folk, Surf und Soul die amerikanischen Charts, doch der Rock'n'Roll ist noch nicht ganz am Ende - der durchschlagende US-Erfolg der Beatles steht für eine Art Generationswechsel, der auch dem Rock'n'Roll neue Hoffnung verleiht.

Auch wenn sich die Rockmusik bereits in den 50er Jahren zu einer gewissen kommerziell und gesellschaftlich bedeutsamen Größe entwickelt, ist es erst das Auftreten der Beatles, das die Rockmusik aus ihrem Nischendasein holt und zu einem weltweiten Phänomen werden lässt. Mit einem TV-Auftritt in der US-amerikanischen Ed Sullivan-Show leiten die Beatles im Februar 1964 die British Invasion ein und bereiten so den Boden für eine Vielzahl englischer Beatgruppen, die in den Staaten schlagartig große Erfolge verzeichnen. Im Gefolge der Pilzköpfe gründen sich vor allem in Europa und den Staaten zahlreiche Rockbands. Britische Gruppen, vor allem The Rolling Stones, The Who oder auch The Kinks, The Hollies, The Animals und andere, setzen die Maßstäbe für das neue Genre.

So geht in den 60er Jahren aus den Fundamenten Fifties Rock'n'Roll und British Invasion, die Rock-Kultur hervor. Genau genommen ist es die intensive beiderseitige Befruchtung, der kreative Ideenaustausch zwischen britischen und amerikanischen Musikern, der den Sound des gerade im Entstehen befindlichen Rock prägt. Und es sind nicht nur einige wenige Stile und Einflüsse, die hier Einzug halten. Rock entsteht aus einer Überlagerung verschiedener musikalischer Strömungen und Einflüsse, unter anderem aus einer Vielzahl afroamerikanischer Stile, speziell Blues-, Rhythm And Blues- und Jazz-Klängen. Er findet Anleihen in der komplexen Pop- und Folk-Musik-Kultur der Staaten (Bluegrass, Hillbilly, Countrymusic) und auch Garage- und Surf-Bands prägen mit ihrer Ausrichtung auf Spontaneität und Hingabe gegenüber technischer Befähigung die Attitüde des Rock. Die Rockmusik eignet sich diese Charakteristika und Stilelemente an und adaptiert sie.

Neben den Beatles zählen auch die Rolling Stones zu den Wegbereitern des neuen Genres - die Zeitschrift Rolling Stone bezeichnet später sogar die 1965er-Stones-Single "(I can't get no) Satisfaction" als eigentliche Geburtsstunde der Rockmusik - und es kündigt sich bereits eine Art Genre-Aufsplitterung an. Auf der einen Seite steht die Beatmusik der Pilzköpfe, die adrett gekleidet ihre melodischen, harmoniegeprägten Songs performen. Auf der anderen Seite stehen die raueren Klänge der Stones, eine Aufspaltung, die sich später weiter manifestiert. In der Tradition der Beatles sind fortan jene Gruppen zu sehen, die zur Kategorie Pop-Rock gehören und in der Tradition der Stones jene, die den raueren Musikstilen wie Hardrock, Punk oder Metal angehören.

Die späteren Beatles-Auskopplungen "Revolver" (1966) und "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" (1967), bewirken eine Öffnung der Rockmusik hin zum Eklektizismus. Fortan integriert der Rock eine Vielzahl von musikalischen Einflüssen. Ende der 60er hat sich der Rock in diverse Stile (Jazzrock, Latinrock, Folkrock, Countryrock, Hardrock, etc.) differenziert. Diese Aufsplitterung setzt sich in den folgenden Jahrzehnten weiter fort.

Auch die Produktion von Rockmusik unterliegt im Laufe der 60er einem Wandel. Wesentliches Kennzeichen ist die Trennung der einzelnen Schallereignisse von Gesang und Instrumenten sowie die Vorläufigkeit der Produktion, die erst mit dem der schlussendlichen Veröffentlichung zugrunde liegenden Masterband beendet wird. Dies setzt jedoch auch eine Idee voraus, wie die Musik letztenendes klingen soll, womit der Produzent mehr und mehr an Bedeutung gewinnt und zur zentralen Figur in der Rockmusik-Produktion wird.

Von 1969 bis 1971 kommt es zu einem Einschnitt: die Beatles und andere bedeutende Gruppen lösen sich auf. Auf der anderen Seite formieren sich immer mehr Bands, die sich nicht mehr auf den Rock'n'Roll eines Holly oder Presley stützen und nach anderen Anregungen für ihre Songs suchen. Als wichtigste Strömung bis etwa 1976 zeigt sich, vor allem in England, der Progressive Rock (Yes, Pink Floyd, Emerson, Lake & Palmer, Genesis) und der in Amerika bevorzugte Jazzrock (Miles Davis, Weather Report, Mahavishnu Orchestra). Auch deutsche (Krautrock)Bands, wie Can, Kraan oder Tangerine Dream, erlangen in den 70er Jahren internationale Erfolge.

Spätestens seit 1977 brechen die höchst artifiziell gewordenen und erstarrten Strömungen Progressive- und Jazz Rock jedoch unter dem Ansturm von Punkrock und später New Wave zusammen. Der Punkrock zeigt sich äußerlich gegen die Gesellschaft gerichtet, wird allerdings binnen kurzer Zeit vom Kommerz vereinnahmt. Gegen Ende der 70er findet die Punkwelle bereits wieder ihr Ende und der New Wave verhilft einer Vielzahl an Stilen, abgesehen von Progressive- und Jazzrock, zum Erfolg, so unter anderem auch dem Countryrock der Dire Straits.

Die verschiedenen Rockmusik-Arten bestehen während der New Wave-Periode nahezu beziehungslos nebeneinander und haben musikalisch teilweise wenig miteinander gemein. So finden Bands wie The Police, The Clash, The Cure, Devo, The Talking Heads oder Simple Minds ihren je individuellen Zuhörerkreis. Heavy Metal bildet eine eigene, unabhängige Richtung und nimmt fortan eine separate Entwicklung. Auch die Tanzmusik koppelt sich als eigenständige Richtung im Laufe der 70er von der Rockmusik ab. Der Discosound hat zwar Einfluss auf den Rock, unterliegt aber als primär funktionale Musik anderen Forderungen.

Im Zuge von Punk und New Wave unternehmen verschiedene Musiker und Bands den Versuch, sich von den großen Plattenfirmen zu emanzipieren und gründen eigene Labels und Verlage. Auch Frauen nehmen erstmals in größerem Maße und mit teils höchst eigenständigen musikalischen Schöpfungen, Einfluss auf die Rockmusik. Zu nennen sind hier beispielsweise Patti Smith, Deborah Harry oder Kate Bush.

Die Rockmusik der 1980er ist wieder mehr durch Aufsplitterung, als durch stilistische Umwälzung gekennzeichnet. Zudem gewinnen technische Neuerungen an Bedeutung. Bereits seit Ende der 70er hält die Digitaltechnik Einzug ins Studio und 1982 löst die CD die Schallplatte ab. Der Aufschwung der Compact Disc verdeckt gleichzeitig aber auch eine Krise in der Tonträgerindustrie, denn tatsächlich gibt es weder in der Rock- noch in der Popmusik der 80er eine erkennbare Hauptströmung.

Mit dem Aufkommen von Musikfernsehen und Videoclip wird die Rockmusik zwar teilweise vom Rundfunk auf das Medium Fernsehen umgelenkt, doch bewirkt dies zugleich auch eine Einschränkung auf nur wenige Gruppen, die sich diese Art der vergleichsweise kostspieligen Werbung leisten können. Schließlich treten an die Stelle des Rock gerade in den 80er Jahren Musikrichtungen wie Hip Hop oder Techno (wenn auch noch nicht unbedingt unter diesen Bezeichnungen). Als stärkste Strömungen innerhalb der Rockmusik erweisen sich verschiedene Spielarten des Heavy Metal-Rock, die trotz des beachtlichen Erfolgs britischer Bands, wie Iron Maiden, Def Leppard oder Diamond Head, nicht im Fokus des medialen Interesses stehen. Faktisch bestimmen Musiker wie Madonna und Prince einerseits und Bands wie R.E.M., Metallica, Pet Shop Boys oder U2 andererseits, die Rockmusik des Jahrzehnts, die ihre Erfolge zum Teil unter massivem Medieneinsatz erreichen.

Als Jugendmusik wird die Rockmusik in den 90ern von Hip Hop und Techno abgelöst. Andererseits vereinigen sich zahlreiche Rockbands der vergangenen Jahrzehnte wieder, doch können diese Erfolge, wie auch die kurzlebige Erscheinung des Grunge in Amerika nicht darüber hinwegtäuschen, dass von der Rockmusik keine erheblichen Impulse mehr ausgehen. Stattdessen findet der Rock selbst Anleihen im Hip Hop. Mischformen wie Crossover oder Nu Metal bilden sich heraus.

Die Vormachtstellung der Rockmusik bröckelt, zum einen, weil die heterogene Hörerschaft andere Medien und Medieninhalte gleichsetzt oder gar bevorzugt, zum anderen, weil die Rockmusik selbst soweit diversifiziert ist, dass verschiedene Richtungen kaum mehr als den Sammelbegriff Rockmusik gemein haben.

Das Internet nimmt ebenfalls Einfluss. Illegale Downloads florieren zunehmend, zahlreiche Hörer versorgen sich kostenlos mit Rockmusik und die CD-Verkäufe sinken. Demgegenüber fungiert das Internet auch als Werbe- bzw. Marketingplattform für Bands und Musiker, die so gesteigerte Aufmerksamkeit finden und wachsende Bekanntheit erlangen können. Gegen Ende der 90er stellt sich die Rockmusik als ein Gemisch von mehr oder weniger populären Einzelströmungen dar, in dem Bands wie Oasis, Blur, Nirvana, Faith No More, Smashing Pumpkins, Red Hot Chili Peppers oder Pearl Jam ihre Hörer finden.

Das neue Jahrtausend wird durch eine Retrowelle eingeläutet. Bands wie The Strokes, The Hives oder The White Stripes greifen auf Elemente der 60er zurück und leiten das Garage Rock-Revival ein. Auch der Post-Punk wird wieder belebt, unter anderem von Bloc Party, Franz Ferdinand oder Interpol, die allesamt große Chart-Erfolge feiern. So zeigt sich die Rockmusik zu Beginn des 21. Jahrhunderts abermals als Genre-Konglomerat, dass auf die eigenen geschichtlichen Stilmittel zurückgreift.